Es war ein lautes Knacken und Krachen, das am vergangenen Mittwoch gegen 10.15 Uhr bis ins nahe Strandbad Moos zu hören war. Ein Mann hörte danach die Hilfeschreie einer Frau. Er lief zum Ausgang des Strandbads und informierte den Gastronomiemitarbeiter Christian Junghans. „Am Anfang war es verwirrend, weil nicht klar war, was für ein Unfall vorlag“, erzählt Junghans.

Zusammen rannten sie entlang des Radwegs zur Unglücksstelle, wenige 100 Meter vom Strandbad entfernt. „Der Verunglückte lag am Boden und zeigte keine Reaktion“, sagt Junghans. Neben dem Mann lag ein etwa zehn Meter langer Ast, zirka 20 Zentimeter dick, und ein zwei Meter langes Bruchstück, etwa 40 bis 50 Kilo schwer, wie ein Baumgutachter später feststellen sollte.
Ast brach in 28 Meter Höhe ab
Ein Zeuge berichtet, dass der Ast den vorbeifahrenden Radfahrer direkt am Kopf getroffen hat. Der 68-Jährige trug einen Radhelm, der ihn aber nicht schützen konnte. Denn der etwa zwölf Meter lange Ast fiel laut dem Mooser Bürgermeister Patrick Krauss aus 28 Metern zu Boden. Laut ihm war der Radfahrer nicht aus der Region, sondern ein Tourist.

Sofort versuchten mehrere Ersthelfer, darunter auch eine zufällig vorbeigekommene Joggerin, den 68-Jährigen wiederzubeleben. Ein Ersthelfer überprüfte die Lebenszeichen und führte abwechselnd mit der Joggerin Herzkreislaufmassagen und Mund-zu-Mund-Beatmungen beim regungslosen Mann durch. Schließlich lief ein Helfer ins nahe Strandbad Moos, um den neuen Defibrillator zu holen, den es dort seit vergangenem Sommer gibt – vergeblich.
Tiefes Mitgefühl für „trauriges Schicksal“
Die Ehefrau des 68-Jährigen musste den tödlichen Unfall ihres Mannes mit ansehen und erlitt einen schweren Schock. „Ich habe versucht die Frau anzusprechen, aber sie stand teilnahmslos da und reagierte nicht“, sagt Christian Junghans. Ein verständigter Notfallseelsorger musste die Frau betreuen. „Ich sehe noch immer das Gesicht des Mannes vor mir und bin traurig. Er hat lange gearbeitet, war jetzt in Rente – es ist sehr schade“, sagt einer der Helfer.
Der Mooser Bürgermeister drückte der Witwe und den beiden Begleitern des Getöteten sein tiefes Mitgefühl aus und hofft, dass die Trauerbegleitung gut von statten geht. „Es ist ein wahnsinnig hartes und trauriges Schicksal. Es sind tausende Menschen, die an der Unglücksstelle täglich lang fahren – da macht man sich schon Gedanken“, sagt Ortschef Krauss.
Baum steht auf privatem Grundstück
Die alarmierte Rettung soll einen Umweg über Iznang eingelegt haben und laut Zeugen erst viel zu spät – etwa 20 bis 30 Minuten nach dem Notruf – an der abgelegenen Unglücksstelle eingetroffen sein. Die Polizei wurde gegen 10.50 Uhr verständigt, die Feuerwehr um 11.15 Uhr. „Drei Minuten später war ich vor Ort, weil ich gerade in der Nähe in Iznang auf Termin war“, erzählt Krauss.
Als Bürgermeister von Moos wird er über alle Feuerwehr-Einsätze in seiner Gemeinde informiert und habe sofort begonnen, die Sicherungsmaßnahmen – darunter die Sperre des Radwegs zwischen Moos und Iznang – zu koordinieren, obwohl der Unglücksbaum auf einem privaten Grundstück steht.
15 bis 20 Grundstücksbesitzer betroffen
Noch am selben Nachmittag seien drei Experten vor Ort gewesen und hätten sich von einer Hebebühne aus vom Unglücksbaum, einer Pappel, und weiteren der bis zu 40 Meter hohen Bäumen ein Bild gemacht. „Der (abgebrochene, Anm.) Ast war nicht morsch, sondern vollkommen gesund. Laut Baumgutachter kommt es bei Pappeln immer wieder zu einem Grünastabbruch“, sagt Krauss.
Doch von zirka zehn weiteren Pappeln entlang eines 300 Meter langen Abschnitts des Radwegs, wo das Unglück passiert war, gehe weiter Lebensgefahr aus, weshalb diese zurückgeschnitten werden müssen und der Radweg gesperrt bleibe. Aufgrund des strengen Naturschutzes sei auch das Regierungspräsidium Freiburg und das Landratsamt Konstanz involviert, Gespräche sollen diese Woche stattfinden. Betroffen seien etwa 15 bis 20 Grundstückseigentümer, von denen ein Teil bereits verständigt sei.
Feuchte Böden mitverantwortlich?
Auffällig sei laut dem Mooser Bürgermeister, dass der Unglücksast sehr nass unter der Rinde war. „Die Böden dort sind sehr feucht, der Baum hatte sehr viel Wasser gezogen. Es könnte sein, dass er zu schwer wurde“, sagt Krauss. Doch wer trägt die Verantwortung für den tödlichen Unfall?

Grundsätzlich haben Eigentümer von Grundstücken eine Verkehrssicherungspflicht. „Eigentum verpflichtet – wenn ein Baum die Verkehrssicherheit gefährdet, müssen die Besitzer regelmäßig überprüfen, ob eine Gefahr besteht und diese beseitigen“, sagt der Mooser Bürgermeister. Oft sei es aber schwierig, diese Gefährdung zu erkennen. Ein Nachweis sei laut Gemeinde nicht erforderlich.
Eigentümer „betroffen und geschockt“
Aufgrund eines Hinweises des Mooser Bauhofleiters habe die Kommune im Januar alle Grundstückseigentümer schriftlich aufgefordert, sich um abgestorbene Äste und Totholz in ihren Bäumen zu kümmern. Die Besitzer des Unglücksbaumes hätten laut Patrick Krauss daraufhin Maßnahmen getroffen und Bäume auf ihrem Grundstück fällen lassen.
„Man kann der Familie, die sehr betroffen und geschockt ist, keinen Vorwurf machen. Der gesunde Ast stand in vollem Saft, kann durch einen Sturm einen Knacks bekommen haben und durch die Wassereinlagerungen zu schwer geworden sein. Das kann man laut Baumgutachter nicht vorhersehen“, so der Ortschef.
Staatsanwaltschaft beauftragt Gutachter
Die Polizei schloss bereits am Tag nach dem Unglück ein Fremdverschulden aus. Auf Anfrage teilte das Polizeipräsidium Konstanz mit, dass die Ermittlungen eingestellt seien. Doch laut Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwaltschaft Konstanz, hat seine Behörde ein Gutachten beauftragt.
„Wir wollen von einem Sachverständigen wissen, ob dem Baum angesehen werden konnte, dass er beschädigt war und ob der Eigentümer der Pflicht zur Verkehrssicherung genügt hat“, sagt Roth dem SÜDKURIER. Aus diesem Grund sei der abgebrochene Ast auch als Beweismittel gesichert worden.
In einem ähnlichen Fall fällte das Bundesgerichtshofs im Jahr 2014 bereits ein Urteil. Demnach haftet ein Eigentümer nicht, wenn es bei einem gesunden Baum zu einem Astbruch kommt. Dessen Folgen seien „allgemeines Lebensrisiko“ und höhere Gewalt.