Die Gesundheitsämter kommen derzeit an ihre Grenzen. Die Unterbrechung von Infektionsketten ist ihr oberstes Ziel – Kontakte von Menschen, die positiv auf Coronaviren getestet wurden, sollten schnellstmöglich isoliert werden. Doch die Kontaktverfolgung gestalte sich oft schwierig. Pro Fall kommen durchschnittlich zehn engere Kontakte in Frage. Derzeit gelten über 35.000 Menschen in Baden-Württemberg als infiziert. Sie haben demnach 350.000 potenzielle Kontakte.

Land setzt auf hohen Personalaufwand

Schon im Mai veröffentlicht das Sozialministerium ein Papier zur Vorgehensweise bei diesen Kontaktverfolgungen. Vorgesehen sind die Rekrutierungen von pensionierten Ärzten und Beamten, Studenten sowie die Erhöhung von Teilzeitbeschäftigten sowie externe Dienstleister. Inzwischen wird auch die Bundeswehr eingesetzt, die bei der Nachverfolgung der Kontakte helfen soll.

Das Ministerium setzt also weiter auf mehr Personal. Bei der jüngsten Erhebung des Sozialministeriums Mitte Oktober fehlten in den Gesundheitsämtern mehr als 100 Teams, um das Ziel zu erreichen, mindestens fünf Beamte pro 20.000 Einwohner zur Kontaktverfolgung einsetzen zu können. Bis Ende November sollen 555 solcher Teams vorhanden sein, sagt Sprecher Markus Jox dem SÜDKURIER.

QR-Codes als Alternative

Dabei ginge es auch anders. Mit den schwarz-weißen QR-Codes. Verschiedene Anbieter verkaufen ihre Dienste schon im Frühsommer an Betreiber von Restaurants – die Kosten bleiben am Restaurant hängen. Die Idee: Code scannen und im dann auf dem Handy erscheinenden Formular der App oder Webseite den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer hinterlegen. Apps wie „Herein“ oder „Digital Waiter“ (also digitaler Kellner) arbeiten so.

Der Gaststättenverband Dehoga arbeitet mit der Metro-App „Dish“ (zu Deutsch Gericht) zusammen. Mit der kostenlosen Anwendung können sich Gäste per QR-Code registrieren, sobald sie am Tisch Platz genommen haben. Laut Anbieter werden alle Daten automatisch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist gelöscht. Per Klick lässt sich demnach auch ein digitaler Report der Gästedaten für das Gesundheitsamt erstellen und übermitteln.

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Für Gäste ist das kostenlos, für die Betreiber sind die Apps dagegen häufig nicht billig. „Herein“ verlangt pro Gerät für Geschäftstreibende 25 Euro. Bei „Dish“ kostet die Profiversion knapp 35 Euro pro Monat sowie einmalig 49 Euro. „Digital Waiter“ bietet auch eine umfassende kostenlose Version an.

Wo die Daten gespeichert werden und inwieweit sie verschlüsselt abgelegt werden, ist oft unklar. Die Apps werben aber alle damit, konform mit der Datenschutzgrundverordnung zu operieren. Das Gesundheitsamt muss die Daten allerdings nach wie vor von den Betreibern anfragen, einen automatischen Zugriff bieten die Apps nicht.

Konstanzer Unternehmer wirbt für zentrale QR-Vergabe

Der Konstanzer Unternehmer Florian Kurz will das ändern. „Uns geht es darum, die Arbeit der Gesundheitsämter zu erleichtern“, sagt der 33-Jährige. Sein Konzept: Das Landratsamt soll zentral QR-Codes vergeben, für zeitlich befristete Veranstaltungen wie die Feier eines Vereins oder einer Hochzeitsfeier, bis hin zu zeitlich unbegrenzten QR-Codes für Betreiber von Restaurants und Cafés. Die Gäste könnten über den Code dann in einem digitalen Formular ihre Kontaktdaten hinterlegen.

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Der Vorteil: Das Gesundheitsamt könnte im Fall einer Infektion die Daten abrufen und entschlüsseln. Sollten sie nicht gebraucht werden, würden sie nach einem Zeitraum wieder gelöscht. Infektionsketten könnten so schneller durchbrochen werden, die aufwendige Suche nach möglichen Kontakten wäre deutlich erleichtert.

Seine Idee hat Kurz unter anderem dem Kreis Lörrach und dem Kreis Konstanz vorgelegt. Aus dem Landratsamt Konstanz heißt es, man habe das Konzept Anfang November erhalten. Wegen der derzeitigen Auslastung des Amts bei der Kontaktsuche sei aber noch keine Zeit gewesen, das Konzept zu erörtern, sagt die Sprecherin des Landkreises Konstanz, Marlene Pellhammer. Einige Tage später ergänzt die Sprecherin: „Wir haben das Konzept geprüft und datenschutzrechtliche Bedenken. Die Form der Datenerhebung wird von der aktuellen Corona-Verordnung des Landes nicht gedeckt.“

Sozialministerium ist skeptisch

Im Sozialministerium stößt die digitale Lösung ebenso wenig auf Gegenliebe. „Ein entsprechendes QR-Code-System ist von Seiten des Landes derzeit nicht geplant“, sagt Sprecher Markus Jox dem SÜDKURIER. Er gibt an, dass im Hotel- und Gastgewerbe „eine digitale Kontaktdatenerfassung nicht per se als attraktivere Lösung“ gelte, „da diese oftmals mit einem gewissen Einrichtungsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist“.

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Der Sprecher befürchtet zudem, „dass niemals alle Gäste über Smartphones und QR-Code-Lese-Apps verfügen, diese nicht immer beherrschen oder sich damit unsicher fühlen“. Warteschlangen beim Einlass in ein Lokal würden sich durch digitale Lösungen nicht verkürzen, vermutet Jox.

Zusätzlich zur digitalen Registrierung müsste demnach auch eine analoge Erfassung angeboten werden. Viele Unternehmer fühlten sich nicht in der Lage, die Gäste technisch zu unterstützen und fürchten, die Kunden damit zu verärgern.

Dehoga für Wahlfreiheit

Daniel Ohl, Sprecher des Gaststättenverbands Dehoga Baden-Württemberg sagt dem SÜDKURIER, der Verband lehne technische Lösungen nicht ab, wolle sie aber auch nicht „propagieren“. Wichtig sei, dass die Betriebe frei entscheiden können, was für ein System sie nutzen wollen.