Die Diskussion um Luftfilteranlagen in Schulen ist hier bereits beendet: An der Grundschule in Engen brummen bereits seit Mitte April mobile Luftfilteranlagen in allen Klassenzimmern leise vor sich hin. An der Schule ist man zufrieden damit. „Das gibt uns ein gutes Gefühl“, findet Schulleiter Holger Laufer. Verwendet wurde dafür das Geld, welches den Schulen bereits im vergangenen Winter in einem Förderprogramm für raumlufthygienische Maßnahmen zur Gesunderhaltung an Schulen vom Land ausgeschüttet wurde.

Während sich andere Kommunen damals gegen Luftfilteranlagen entschieden, habe die Stadtverwaltung Engen als Schulträger jeder Schule ihren Anteil ausgeschüttet und ihnen selbst überlassen, was sie damit machen.

Holger Laufer, Schulleiter der Grundschule in Engen.
Holger Laufer, Schulleiter der Grundschule in Engen. | Bild: Jennifer Moog
„Das gibt uns ein gutes Gefühl.“
Holger Laufer, Leiter der Grundschule in Engen, über die angeschafften Luftfilter

Engen hat damit bereits hinter sich, was die meisten anderen Schulträger in den nächsten Wochen beschäftigen dürfte: die Entscheidung, ob und wie und in welche Luftreinigungsanlagen in den Schulen investiert wird. Keine leichte Entscheidung, zumal die Landesregierung jüngst – am Montagabend – nur die Hälfte der Kosten tragen will.

Solche Luftfilter stehen in der Grundschule Engen in jedem Klassenzimmer.
Solche Luftfilter stehen in der Grundschule Engen in jedem Klassenzimmer. | Bild: Jennifer Moog

60 Millionen Euro will die Landesregierung in einem Förderprogramm zur Verfügung stellen. „Damit werden wir die Kommunen bei der Anschaffung mobiler Anlagen und CO2-Ampeln hälftig unterstützen“, sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Was im Umkehrschluss bedeutet, die andere Hälfte landet bei den Schulträgern, also in der Regel den Kommunen. Mit zwischen 3000 und 4000 Euro soll eine mobile Anlage laut Landesregierung zu Buche schlagen.

Bis zu einer Milliarde Euro Kosten, schätzt der Städtetag

120 Millionen Euro von Land und Kommunen würden rein rechnerisch aber längst nicht ausreichen, um alle Klassenzimmer auszustatten. Der baden-württembergische Städtetag rechnet mit Gesamtkosten zwischen 670 Millionen und einer Milliarde Euro. Dem Vernehmen nach sollen die Mittel vorrangig aber nur in Räumen, die nicht belüftbar sind, und in den Klassenstufen 1 bis 6 eingesetzt werden, da diese Schüler bislang noch keinerlei Impfangebot haben.

Walter Rügert, Pressereferent der Stadt Konstanz
Walter Rügert, Pressereferent der Stadt Konstanz | Bild: Oliver Hanser

Auch das ist noch einiges: Würde man in Konstanz Klassenräume mit Luftfiltern ausstatten, in denen sich die Klassenstufen 1 bis 6 aufhalten, käme man auf rund 300 Zimmer, sagt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadt. Geht man von Kosten von 3000 bis 4000 Euro pro Anlage aus, wäre das schon rund eine Million Euro, von denen die Kommune mindestens die Hälfte selbst tragen müsste. Und damit steht noch längst nicht in jedem Klassenzimmer eine Filteranlage.

Rechnet man die 60 Millionen Euro, die das Land zur Förderung zur Verfügung stellen will, auf die Schulen im Land um, käme man laut Norbert Brugger, Dezernent am Städtetag Baden-Württemberg, auf rund 15.000 Euro pro Schule. Ein Bruchteil von dem, was die Schulen eigentlich benötigen.

Was können die Luftfilter überhaupt?

Der Grund, weshalb gerade deutschlandweit über Raumluftfilter diskutiert wird, liegt auf der Hand: Gesucht ist sind praktikablen Lösungen, damit es im Herbst nicht wieder zu Fern-, Wechselunterricht oder geschlossenen Schulen kommt, wenn die Delta-Variante sich im Land breit macht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat deshalb vergangene Woche verkündet, dass im September zu Beginn des neuen Schuljahres in jedem Klassenzimmer ein Lüfter stehen soll. Doch was können die Lüfter überhaupt?

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Der Städtetag zeigt sich da skeptisch. Der kommunale Landesverband, der 189 Städte im Land vertritt, beruft sich auf eine Stuttgarter Studie, derzufolge klassisches Lüften am wirksamsten sei, mobile Anlagen also nur dort sinnvoll, wie Stoßlüften nicht möglich sei. „Ansonsten überwiegen die Nachteile wie Lärmbelastung, fehlende Frischluftzufuhr und hoher Energieverbrauch“, so Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg. Von der Stuttgarter Studie weiß man indes noch wenig. Sie soll am 28. Juli erst dem Gemeinderat vorgestellt werden, bevor die Ergebnisse publik gemacht werden. Was nach außen dringt, klingt vorsichtig skeptisch.

99,85 Prozent der Viren weg, sagt Mann & Hummel

Doch es gibt durchaus auch positivere Bewertungen. Den antiviralen Luftreiniger-Modellen, die die Ludwigsburger Filter-Spezialist Mann & Hummel derzeit anbietet, bescheinigten drei Studien Wirksamkeit. Laut einer Studie die KIT in Karlsruhe lässt die Partikelkonzentration in Innenräumen durch die Filter erheblich nach. Laut Mann & Hummel werden innerhalb von 30 Minuten 99,85 Prozent der Viren aus der Luft gefiltert.

Zwei Geräte von Mann & Hummel: OurAir TK 850 und OurAirSQ 2500. Der mittlere bewältigt bis zu 70 Quadratmeter große Räume, der große bis ...
Zwei Geräte von Mann & Hummel: OurAir TK 850 und OurAirSQ 2500. Der mittlere bewältigt bis zu 70 Quadratmeter große Räume, der große bis zu 200 Quadratmeter. | Bild: MANN+HUMMEL

Liefern könnten die Ludwigsburger umgehend einige 1000 Stück, die sie auf Lager haben. Gemeinsam mit anderen Luftreinigungsspezialisten aus Deutschland traut man sich beim Weltmarktführer durchaus auch die Versorgung der deutschen Schullandschaft zu – allerdings mit gewissem Vorlauf. Allein Mann & Hummel sei in der Lage jährlich mehrere 10.000 Stück zu produzieren, sagt Jan-Eric Raschke, Director Air Solution Systems, dem SÜDKURIER.

Das sagt der Experte über Luftfilter: Achim Dittler ist Leiter der Arbeitsgruppe Gas-Partikel-Systeme am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er hat für Mann & Hummel mobile Raumluftfilter getestet und sitzt im Expertenkreis Aerosole der Landesregierung Baden-Württemberg.

Großer Einbauaufwand entsteht bei seinen RLR-Modellen nicht. „Hingestellt, Stecker in die Steckdose, fertig“, beschreibt er den Installationsaufwand. Auch bei den Stromkosten kann er Entwarnung geben. Für einen Klassenraum mit einem Gerät mittlerer Größe (Netto-Listenpreis 2500 Euro) fielen pro Jahr 45 Euro Stromkosten an. Bei einem größeren Gerät (3850 Euro) seien es nur 20 Euro. Ob die Ware nun von Mann & Hummel kommt, oder woanders her: Raschke empfiehlt, auf die Qualität zu achten. Der Iso-Norm 29463 oder EN-Norm 1822 sollten die Geräte entsprechen.

In Engen war man etwas sparsamer

In Engen ist man sich inzwischen nicht mehr ganz sicher, ob die eigenen Geräte den nötigen Standard aufweisen. Schließlich kostete ein Gerät nicht 3000 Euro, sondern 550. Etwas sicherer fühle er sich mit den Filteranlagen aber trotzdem. Denn der Reiniger misst permanent die CO2-Belastung in der Luft. Ist sie zu hoch, fährt der Reiniger seine Leistung hoch. Klar müsse aber auch sein, dass sie das Lüften nicht ersetzen können, sondern nur begleitend eingesetzt werden sollen.

Die Filter zeigen an, ob die Raumluft noch gut ist. Ist die Anzeige grün, bedeutet das, die Luft ist gut. Wird sie orange oder gar rot, ...
Die Filter zeigen an, ob die Raumluft noch gut ist. Ist die Anzeige grün, bedeutet das, die Luft ist gut. Wird sie orange oder gar rot, befindet sich zu viel CO2 in der Luft. | Bild: Jennifer Moog

Zwölf Geräte stehen in den zwölf Klassenräumen. Ersatzfilter hat die Schule bereits mitbestellt. „Das zur Verfügung gestellt Geld hat dafür gerade so ausgereicht“, sagt Laufer. 8.200 Euro seien das gewesen.

Vorgaben vom Land, welche Anlagen sich für die Klassenzimmer eignen, hat es nicht gegeben. Deswegen entschied sich das Kollegium nach Beratungsgesprächen selbst für ein Modell. Es sei klar gewesen, dass die Geräte einfach zu handhaben sein müssen, sagt Rektor Laufer. Weil es in den Klassenzimmern bisweilen sehr warm werden kann, habe man sich für ein Modell entschieden, das auch die Luft kühlt. Und auch bei höchster Stufe macht das Gerät nicht mehr Lärm als ein Ventilator und ist sogar etwas kleiner. Der Wartungsaufwand hält sich in Grenzen. Alle 12 Monate müssen die Filter ausgewechselt werden.

Der Filter kann per Klick auch anzeigen, wie viel CO2 sich pro Quadratmeter im Raum befindet.
Der Filter kann per Klick auch anzeigen, wie viel CO2 sich pro Quadratmeter im Raum befindet. | Bild: Jennifer Moog

Von der Entscheidung für Luftreiniger bis zur tatsächlichen Lieferung musste die Schule rund vier Monate warten. Für Laufer eine relativ kurze Frist. Blickt man allerdings auf das kommende Schuljahr und den herannahenden Herbst, sieht es schon wieder ganz anders aus. Vier Monate Wartezeit hieße, dass selbst wenn Baden-Württembergs Schulen noch in diesem Juli Luftfilteranlagen bestellen, die meisten davon wohl frühestens im Oktober eintreffen. Da hat das Schuljahr längst wieder begonnen.

„Nach der ganzen Zeit, haben jetzt auch die Kinder etwas verdient.“
Johanna Vogt, Vorsitzende des Gesamtelternbeirats in Konstanz

Anders als in Engen wird in Konstanz noch mit dem Thema gerungen. Der Vorstand des Gesamtelternbeirats wünscht sich dringend Luftfilteranlagen für das kommende Schuljahr. Das sagt die Vorsitzende Johanna Vogt dem SÜDKURIER. Bei einer Sitzung des Beirats im Juni habe die Stadtverwaltung allerdings Bedenken geäußert. Nicht nur wegen der hohen Kosten, sondern auch wegen Wirksamkeit und Lautstärke. Solche Vorbehalte kann Johanna Vogt nicht verstehen. Es gebe genug Studien, die die Wirksamkeit von Luftfilteranlagen aufzeigen. Viele Modelle hätten eine geringe Lautstärke.

Auch Allergiker könnten profitieren

Verstehen könne sie nur die finanziellen Bedenken. Und doch: „Nach der ganzen Zeit, haben jetzt auch die Kinder etwas verdient.“ Und das Wichtigste sei, die Schulen für die Kinder offen zu halten. „Wenn die Geräte da zumindest ein bisschen etwas bringen, ist da schon viel gewonnen“, findet Vogt. Für sie seien die Filter nicht nur während der Corona-Pandemie sinnvoll, sondern auch darüber hinaus: für Allergiker etwa oder künftige Grippewellen. Denn sie findet, im Winter alle 20 Minuten zu lüften, sei nur dann eine Lösung, wenn es keine Alternative gibt. Die Temperaturen in den Klassenzimmern seien dann eisig. Und mit den Luftfilteranlagen gibt es ihrer Meinung nach eine Alternative. Dass alle Schulen bis zum kommenden Schuljahr allerdings mit Luftfiltern ausgestattet werden können, hält sie für illusorisch. „Aber deswegen nicht anzufangen, ist keine Lösung“, sagt sie.

Nach der Zusage der Förderung durch das Land Baden-Württemberg kann sich die Stadt Konstanz noch nicht zum Thema positionieren. Das erfordere eine interne Absprache, heißt es auf Presseanfrage. Ob Konstanz also nun doch in Filteranlagen investieren will, bleibt abzuwarten.