Eigentlich sollte es schon längst einfacher für Patientinnen und Patienten sein, ein Rezept in der Apotheke einzulösen. Und eigentlich sollte es auch schon längst ohne Papier gehen. Denn das sogenannte E-Rezept hätte zum Jahresbeginn bundesweit eingeführt werden sollen. Nun wurde der Start auf Mitte 2023 verlegt. Ein genaues Datum steht noch nicht fest.

Dabei seien die Apotheken schon lange gerüstet, sagt Frank Eickmann, stellvertretender Geschäftsführer des Apothekerverbands Baden-Württemberg. Seit 2022 besteht die gesetzliche Pflicht für Apotheken, E-Rezepte einlösen zu können.

Nur kommen die E-Rezepte bisher nicht in den Apotheken an, berichtet auch Michael Dohm von der Scheffel-Apotheke in Radolfzell. Ein bis zwei digitale Rezepte die Woche habe er in seiner Apotheke – ausgedruckt auf Papier. Denn genau an der Stelle hapert es noch, so der Apotheker. „Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für Ärzte. Deswegen nutzen es auch nur wenige bisher.“

E-Rezept: Individuelle Entscheidung der Ärzte

Nach Angaben der Landesärztekammer in Baden-Württemberg kann das E-Rezept in der gesamten Bundesrepublik angewendet werden. Allerdings: „Ob eine Praxis umstellt vom bisherigen Verfahren auf das E-Rezept, ist eine individuelle Entscheidung der einzelnen Arztpraxis.“ Bisher seien bundesweit 1,4 Millionen digitale Rezepte eingelöst worden, die 3600 Praxen ausgestellt haben. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es 102.000 Praxen, die rund 450 Millionen Verordnungen ausstellen.

Auf Nachfrage des SÜDKURIER kann die Landesärztekammer in Baden-Württemberg keinen Arzt nennen, der bereits sein System auf das E-Rezept umgestellt hat. „Eine Integration der digitalen Möglichkeiten in den ärztlichen Alltag muss überlegt und gut vorbereitet sein“, so die Kammer.

Ob mit oder ohne Unterstützung der Praxen, hapert es allerdings noch mit der Technik: Statt die Verordnung per QR-Code abzurufen, muss sie noch ganz unelektronisch vom Arzt auf Papier gedruckt werden – in Din-A5-Format und damit größer als die bisherigen rosa Zettel. Auf Patientenseite ist die Technik noch nicht soweit. „Die Infrastruktur steht bei uns schon seit knapp zwei Jahren zur Verfügung“, sagt hingegen der Radolfzeller Apotheker Dohm. Mittlerweile gebe es sogar schon wieder Überlegungen, sie zu erneuern.

Digitale Rezepte haben noch Kinderkrankheiten

Bei den Rezepten, die in den Apotheken ankommen, gebe es allerdings auch noch „Kinderkrankheiten“, berichtet Eickmann. Beispielsweise komme es vor, dass Datensätze laut der Technik nicht korrekt seien, wodurch das Rezept nicht eingelöst werden könne. „Ruft ein Patient beispielsweise in der Arztpraxis an für ein Folgerezept und das Praxisteam stellt das Rezept am selben Tag aus, der Arzt unterschreibt es aber digital erst einen Tag später, weil der Patient es erst dann abholen kommt, kommt es zu Problemen“, so Eickmann.

Dabei könnte das E-Rezept einiges leichter machen, sind sich die beiden Apotheker einig, und hätte mehr Vorteile, als nur Papier zu sparen. Chronische Patienten kennen das: Für jedes Folgerezept fürs Asthmaspray, den Blutdrucksenker oder die Pille muss man erneut in die Praxis und vor dem Tresen Schlage stehen. Mit dem E-Rezept soll das nicht mehr nötig sein. Stattdessen würde einem das Rezept direkt in die App aufs Handy geschickt.

Vorteil: Medikamentenvorrat in Echtzeit prüfen

Und einen weiterer Vorteil, besonders in der aktuellen Situation, gebe es, so Dohm: „Der Patient kann in seiner Wunschapotheke die Echtzeitdaten abrufen, ob das Medikament vorrätig ist.“ Im Hinblick auf den derzeit bestehenden Medikamentenengpass in vielen Bereichen können Patienten so Zeit und Weg sparen und könnten das Medikament verbindlich bestellen, um es später abzuholen.

Doch nicht jeder kann das E-Rezept nutzen – selbst wenn der Arzt es ausgibt. Denn zum einen können Ärzte bisher nur Medikamente per E-Rezept verordnen, nicht aber Hilfsmittel wie medizinische Massagen, Kompressionsstrümpfe oder Sehhilfen. Und auch starke Schmerzmittel, die unter die Betäubungsmittel fallen, müssen noch klassisch mit einem normalen Rezept verschrieben werden. Zum anderen können bisher nur gesetzlich versicherte Patienten ein E-Rezept erhalten, nicht aber Privatversicherte, so Eickmann.

Daten werden per Token verschlüsselt

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte gegen das Vorhaben, E-Rezepte in Apotheken einlösen zu können, im Herbst zum Teil sein Veto eingelegt. Grund war das Vorhaben, die Gesundheitskarte auszulesen, ohne dass der Computer der Apotheke sich mit den Datenserver der Behörde verbindet. Mittlerweile gebe es aber auch viele andere Alternativen, die „unproblematisch nutzbar“ sind, so ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten.

Auch laut Eickmann sollen die Datenschutz-Bedenken inzwischen ausgeräumt sein. Jeder Patient würde einen eigenen digitalen Schlüssel erhalten, einen sogenannten Token. Die Apotheke wiederum brauche dann einen eigenen Token, um das verschlüsselte Rezept zu öffnen, erklärt Eickmann. „Die Datenhoheit liegt beim Patienten.“

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Die Überlegungen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Langfristig soll es das Ziel sein, dass das E-Rezept, genau wie die digitale Patientenakte auf der Gesundheitskarte der jeweiligen Krankenkasse gespeichert wird. „Das wäre ein ganz großer Vorteil“, sagt Dohm. Dann könnte der Apotheker sehen, welche Medikamente der Patient, außer dem verschriebenen, noch nimmt und einer möglichen Wechselwirkung entgegenwirken. „Damit würden unglaublich viele Krankenhausaufenthalte verhindert werden“, so Dohm.