Für Grüne und CDU, für die Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann und Susanne Eisenmann, werden die letzten Meter bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März noch quälend lang. Denn worauf fast ein Jahr lang Verlass war, das beginnt nun zu schwinden: Die Zustimmung der Bürger zum Corona-Management der Landesregierung bricht ein.

Die politischen Strategen der Parteien dürften den nun vorliegenden fünften Teil des BaWü-Checks der baden-württembergischen Tageszeitungen, der das politische Meinungsklima im Land im Februar erhoben hat, mit bangen Blicken auf den Kalender bewerten. Das Allensbacher Institut für Demoskopie (IfD) hat bei seiner Umfrage im Auftrag der Tageszeitungen auf der Zielgeraden vor der Landtagswahl bei den Bürgern um eine Bilanz der Arbeit der Landesregierung zum Ende der Legislaturperiode gebeten.

Zufriedenheit mit Krisenmanagement: Während quer durch alle Altersgruppen die Anerkennung für das Krisenmanagement der Landesregierung ...
Zufriedenheit mit Krisenmanagement: Während quer durch alle Altersgruppen die Anerkennung für das Krisenmanagement der Landesregierung überwiegt, fällt das Urteil der sozialen Schichten teilweise auseinander. Höhere Bildungsschichten ziehen häufig eine positive Bilanz ziehen, die einfachen Bildungsschichten, die oft auch von den Kollateralschäden der Pandemie betroffen sind, üben überdurchschnittlich Kritik. Auch Eltern schulpflichtiger Kinder sind weniger zufrieden. | Bild: ifd allensbach

Die Erhebung fand allerdings vor der jüngsten Verwirrungsrunde am Mittwoch zwischen den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin über Öffnungs- und Impfstrategien statt. Wie wird sich der wachsende Unmut in den Wahlergebnissen von Grünen und CDU niederschlagen? Kommt es zur Protestwahl der Corona-Unzufriedenen? Der Trend jedenfalls ist deutlich.

Anerkennung sinkt

In den letzten Wochen ist die Anerkennung für das Krisenmanagement der Politik auf Bundes- wie auf Länderebene gesunken. Auf Bundesebene überwiegt mittlerweile die Kritik, in Baden-Württemberg fällt die Bilanz zurzeit noch etwas positiver aus. Noch 54 Prozent der Bürger attestierten der Landesregierung im Februar noch gute oder sogar sehr gute Arbeit. Ein Drittel der Bürger (37 Prozent) äußern sich bereits kritisch.

Ohnmächtig in der Corona-Krise: Während der Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Staats wächst, hat die Mehrheit der Bevölkerung den ...
Ohnmächtig in der Corona-Krise: Während der Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Staats wächst, hat die Mehrheit der Bevölkerung den Eindruck, dass es keine Anlaufstelle für Kritik und Anregungen zur Corona-Politik gibt. Lediglich 19 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass es Anlaufstellen für Kritik und Anregungen gibt. 50 Prozent ziehen dagegen die ernüchternde Bilanz, dass man als Bürger in dieser Situation ohnmächtig ist. Überdurchschnittlich häufig haben Eltern diesen Eindruck und vor allem diejenigen, die Anlass zur Kritik sehen. So sehen 73 Prozent derjenigen, die mit dem Krisenmanagement der Landesregierung zurzeit unzufrieden sind, keine Möglichkeit, sich als Bürger mit Kritik und Anregungen einzubringen. | Bild: ifd allensbach

Vor allem ein Aspekt könnte bei der Landtagswahl ins Gewicht fallen: Die Bürger fühlen sich von der Politik allein gelassen. Wenn jeder zweite Bürger (50 Prozent) sich ohnmächtig fühlt und angibt, dass man sich mit Kritik und Anregungen zur Corona-Politik an keine staatliche Stelle wenden könne, ist es nicht weit her mit der „Politik des Gehörtwerdens“, die Regierungschef Winfried Kretschmann einst zu Beginn seiner Amtszeit versprach.

 

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Eltern fühlen sich noch ohnmächtiger

Und dass die Ohnmachtsgefühle unter Eltern noch größer sind, kann die Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann auch nicht gerade als Zustimmung werten. Nur knapp ein Drittel der Baden-Württemberger (32 Prozent) bewerten die Arbeit der grün-schwarzen Landesregierung nach fünf Jahren als „erfolgreich“. Kaum weniger Bürger stellen ihr ein schlechtes Arbeitszeugnis aus – 26 Prozent hält sie für „nicht erfolgreich“.

Die wirklich dramatische Zahl aber ist eine andere. Was bedeutet es, wenn 42 Prozent der Bürger kein Urteil über die Landesregierung abgeben wollen oder können? Landespolitik, die doch in vielen Bereichen – Polizei und Sicherheit, Bildung, Finanzen und vor allem in der Verwaltung – unmittelbar den Alltag der Bürger betrifft, interessiert offenbar viele Menschen nicht oder findet unter dem Aufmerksamkeitsradar statt.

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Bilanz von Grün-Schwarz: Nur 32 Prozent der Bürger bewerten die Politik der grün-schwarzen Landesregierung in dieser Legislaturperiode als erfolgreich, 26 Prozent als nicht erfolgreich; ein hoher Anteil der Bürger traut sich kein Urteil zu. Diejenigen, die mit dem Krisenmanagement der Landesregierung zufrieden sind, ziehen mehrheitlich auch eine positive Gesamtbilanz. | Bild: ifd allensbach

Die politische Blase in Stuttgart mit all ihren Wichtigkeiten und Aufgeregtheiten, mit ihren Grabenkämpfen und Scharmützeln um Deutungshoheiten und Nuancen – sie scheint völlig losgelöst vom Wahrnehmungshorizont vieler Bürger. Zwangsläufig überträgt sich dieses Desinteresse auch auf die handelnden Personen. Selbst landespolitische Spitzenkräfte sind weiten Teilen der Bevölkerung kaum bekannt.

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Unbekannte Landespolitiker: Auch der Bekanntheitsgrad führender Landespolitiker zeigt die Schwierigkeit, sich in der Landespolitik einen Namen zu machen. Neben dem Ministerpräsidenten gibt es in Baden-Württemberg wie auch in anderen Bundesländern in der Regel nur noch wenige Landespolitiker, die einen hohen Bekanntheitsgrad erreichen. Winfried Kretschmann führt einsam mit einem Bekanntheitsgrad von 92 Prozent. Auf dem zweiten Rang liegt seine Herausforderin Susanne Eisenmann mit 63 Prozent, gefolgt von Thomas Strobl mit 59 Prozent. Winfried Hermann, Andreas Stoch, Hans-Ulrich Rülke und Bernd Gögel sind dagegen nur einer Minderheit der Baden-Württemberger ein Begriff. | Bild: ifd allensbach

Keine Sorgen machen muss sich in dieser Hinsicht lediglich der Ministerpräsident. Dass Winfried Kretschmann nach zehn Jahren an der Spitze der Regierung fast jedem Bürger im Land bekannt ist (92 Prozent), verwundert nicht. Die CDU-Herausforderin Susanne Eisenmann ist immerhin mittlerweile fast zwei Dritteln der Menschen im Land bekannt (63 Prozent). Aber die Spitzenleute von SPD, FDP und AfD kennt selbst wenige Wochen vor der Landtagswahl namentlich nur ein Bruchteil der Menschen.

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Der Staat hat Probleme: Die große Mehrheit der Bevölkerung hat den Eindruck, dass die Effizienz des staatlichen Bereichs zu wünschen übrig lässt und dass sich dies gerade in der Pandemie bemerkbar macht. So haben mehr als zwei Drittel der Bürger den Eindruck, dass es sowohl beim Digitalunterricht an den Schulen Probleme gibt wie auch bei der Auszahlung der Wirtschaftshilfen. | Bild: ifd allensbach

Bekannt heißt aber nicht populär. Ausnahme ist wieder Regierungschef Winfried Kretschmann, von dem 72 Prozent eine gute Meinung haben. Eine bittere Pille hat hier die CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann zu schlucken. Sie erfährt fast ebenso viel Ablehnung wie der Ministerpräsident Zustimmung. Über zwei Drittel (68 Prozent) der Bürger, die ihren Namen kennen, haben keine gute Meinung von ihr. Schlechter schneidet unter den Spitzenkräften der Parteien nur der AfD-Spitzenkandidat Bernd Gögel (73 Prozent) ab.

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Wahrnehmung der Opposition: Die Opposition in Landtagen hat ein besonderes Wahrnehmungsproblem. Wenn die Bürger gefragt werden, welche der drei Oppositionsparteien am aktivsten war, trauen sich 30 Prozent kein Urteil zu. Diejenigen, die eine klare Vorstellung haben, empfinden mit Abstand die SPD als am aktivsten, gefolgt von der AfD. | Bild: ifd allensbach

Für die 55-Jährige, die als dynamischer, weiblicher Gegenentwurf zum 72-jährigen Kretschmann in den Wahlkampf gezogen ist, die erste Ministerpräsidentin werden und in der CDU und im Land Aufbruchsstimmung vermitteln will, ist dieser Wert so kurz vor der Wahl ein Tiefschlag.

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Die politische Agenda der Bürger ist zurzeit in hohem Maße von der Pandemie und ihren Kollateralschäden geprägt. 67 Prozent der Bürger rechnen es zu den wichtigsten Aufgaben, die Ausbreitung der Pandemie zu bekämpfen, 64 Prozent auch die finanzielle Unterstützung von Unternehmen und Selbständigen, die von der Krise betroffen sind, und 58 Prozent die Verbesserung der Digitalausstattung der Schulen. | Bild: ifd allensbach

Und dass der CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl, den Eisenmann im Kampf um die Spitzenkandidatur unsanft aus dem Weg geräumt hat, kaum weniger bekannt, aber deutlich populärer ist als sie – 46 Prozent der Bürger haben eine gute Meinung von Strobl -, dürfte die Stimmung bei Susanne Eisenmann kaum heben. Es werden lange letzte Meter bis zur Wahl.