So ist das nun mal heutzutage: Wer nicht als Angeber dastehen möchte, wird schnell der falschen Zurückhaltung bezichtigt. So geht es auch Gastgeberin Anne Hensel bei der zweiten Folge von „Das Perfekte Dinner“ am Bodensee.
Die Gäste Sabine, Johannes, Kevin und Johannes sind gleich zu Beginn der Sendung überzeugt: Anne, die am Abend zuvor ankündigte, sich „leicht ins Hemd zu machen“, kann viel mehr, als sie vorgibt. Sie habe so getan, als habe sie nichts drauf, vermutet Johannes. Eine Tiefstaplerin also? „Nein, ich habe das Essen nicht Probe gekocht. Ich bin mutig“, erwidert die sympathische 42-Jährige lächelnd. Der Abend wird Klarheit bringen.
Die ersten Aufnahmen offenbaren jedenfalls einen gewissen Hang zum ungewollten Umverteilen der Zutaten. Da landen Sahnespritzer auf dem angesteckten Mikrofon oder Puderzucker auf der Bluse. Sieht so etwa eine Tiefstaplerin aus? „Verdammte Hacke“, flucht Anne ganz dezent, „nur die Harten kommen in den Garten.“
Tarzan ist genervt von den Gästen
Der Rest von Annes vierköpfiger Familie ist ausgeflogen – die Gastgeberin hat sturmfreie Bude. Fast. Kater Tarzan zeigt dem Kamerateam aber gleich mal den erhobenen Schwanz von hinten und zieht genervt von dannen. „Das ist der Kater, der mag Gäste nicht“, erklärt Anne. Die Gastgeberin führt die Fernsehzuschauer durch das schicke Haus. Unter anderem verrät sie im Keller vor einer finnischen Schwitzbude stehend: „Jeden Sonntag ist bei uns Sauna-Tag, da geht es heiß her.“
Die Mitstreiter freuen sich derweil angesichts des Menüs auf den Abend. Vor allem Sabine steckt mit ihrem herzlichen Naturell ihre Umwelt an – sie kann irgendwie nicht anders als immer wieder zu lachen. „Aaahhhhhh, lauter feine Sachen“, jubelt sie. Aber auch Johannes bleibt nicht still und hat die Beschreibung des Menüs parat: „Es ist experimentell-bodenständig.“
Der Blick auf die Speisen des Abends lässt die Mitstreiter stutzig werden. „Das einzige Problem bei der Entenbrust: Es ist noch keine Entenzeit“, fabuliert Patrick im Vorgespräch und Kevin nickt zustimmend: „Ja, das ist so.“ Und wieder der Patrick: „Es wird wahrscheinlich eine französische Ente sein.“
Und justament in dem Moment, als der Zuschauer sich denkt „Erbsenzähler! Dipfeleschisser!“, kommt Bodmans Metzger Bernhorst Koch ins Bild, wie er Anne die Entenbrüste auf der Wage zurechtlegt und sagt: „Das sind französische Enten, weil hier in der Region habe ich im Moment kein Entenlieferant.“ Tja.
Also doch: eine Tiefstaplerin!
Nun aber hinein in die Küche. Von Gang zu Gang wird der Verdacht größer: Hat Anne etwa wirklich tiefgestapelt? Wenn man es als selbstverständlich betrachtet, einen Tortenboden selbst zu machen, hat man jedenfalls ein gewisses Niveau erreicht. Insbesondere, wenn es dazu heißt: „Ich backe nicht gerne.“ Aber Anne macht es trotzdem – und kann es augenscheinlich. Zudem backt sie nach eigener Aussage nach Gefühl und selten nach Rezept. Chapeau!
Daran ändert auch eine weitere zurückhaltende Selbsteinschätzung der 42-Jährigen nichts: „Ich koche zu einfach, ganz ok und ganz gut. Aber nicht so, dass ich gewinnen kann.“
Also gut, dann halten wir fest: Anne, die offensichtlich sehr gut kochen kann, ist eine Tiefstaplerin. Das Motto des Tages: Hoch kochen, tief stapeln. Haute Cuisine heißt übersetzt übrigens hohe Kochkunst. Bei aller Sahne- und Puderzucker-Spritzerei auf Bluse und Ansteckmikro – Anne ist eine akribische und gut strukturierte Köchin.
Sie ist begeistert von regionalen Zutaten. Wenig verwunderlich also, dass sie im Risotto mit ihren Kindern selbst gesammelte Pilze verarbeitet. Gelernt hat sie das von ihren Eltern im Erzgebirge während ihrer Kindheit. Holunderblüten, Lindenblüten, Schafgarbe oder Huflattich sammelt und verarbeitet sie übrigens ebenso. Fiel eigentlich der Begriff „Chapeau!“ schon mal in diesem Artikel?
Urlaubsflair am Essenstisch
Hinein ins Menü. Während sich Sabine, Kevin, Johannes und Patrick standesgemäß über eventuelle gemeinsame Segel-Turns in der Karibik, Kreuzfahrten oder Urlaube am Comer See, Lago Maggiore oder auf Elba unterhalten, montiert Anne die Vorspeise aus Linsen-Mango-Avocado-Rote-Bete-Salat mit Lachswürfeln. Dazu gibt es selbst gebackenes Baguette.
Etwas Kritik gibt‘s für den Lachs. Der ist laut Sabine zu wenig glasig, Kevin hätte sich eine rohe Variante gewünscht, auch wenn es „ein feiner Lachs war“. Für Johannes sind es schlichtweg „ein bisschen zu viele Komponenten“. Das Mundgefühl jedoch, so sind sich alle einig, das war toll.
Den kulinarischen Ritterschlag gibt‘s bei Entenbrust und Pilz-Risotto – die Mitstreiter sind selig ob der rosa Farbe der Ente und der Schlonzigkeit des Risotto. Weniger gut kommt das Gemüse weg und wird als „langweilig“ bezeichnet. Auch die Soße muss einstecken: zu dünn. Unterm Strich gibt‘ von Patrick ein „solide“.
Auch die Nachspeise wird nach allen Regeln der Kunst analysiert – die Zitronentörtchen kommen gut an. Anne nimmt es mit Erleichterung wahr. „Es ist im Grunde genommen alles so gelaufen, wie es hätte laufen können. Ich hätte natürlich etwas verbessern können – aber so koche ich halt.“
Die Benotung für Anne:
- Johannes: „Da hatten wir nicht so Unrecht mit dem Understatement von Anne.“ 7 Punkte
- Kevin: „ Man kann noch nachschleifen, aber es war ein schönes Dinner.“ 8 Punkte
- Sabine: „ Es war ein sehr schöner Abend und ein schönes Essen, aber nicht das perfekte Dinner.“ 7 Punkte
- Patrick: „Es war nahe dran am perfekten Dinner“ 8 Punkte
Somit kommt Anne auf 30 Punkte – und belegt nach dem zweiten Tag den zweiten Platz hinter Sabine aus Steißlingen.
„Ich habe mit Liebe meine Gäste empfangen, habe für sie gekocht und ich bin super zufrieden, den Mut gehabt zu haben teilzunehmen“, sagte sie noch am Abend zum SÜDKURIER. Am Mittwoch kocht Kevin aus Friedrichshafen.
Fortsetzung folgt.