Drei Redakteure, drei Erfahrungen: So lief das erste Mal wieder Essen gehen zwischen Hochrhein, Schwarzwald und Bodensee.
Besser anders als gar nicht: Im Löwen in Rielasingen
Nach wochenlanger Selbst-Bekochung und Essen vom Lieferdienst ist es seltsam, wieder eine Gaststätte zu betreten. Die plötzliche – zumindest teilweise – Rückkehr zur Normalität fühlt sich alles andere als normal an. Wochenlang habe ich zwangsweise meine Abende vor dem Fernseher auf der Couch verbracht und dem Moment entgegen gefiebert, in dem es draußen wieder mehr zu tun gibt, als zum gefühlt hundertsten Mal durch das Dorf zu spazieren. Und auf einmal kann ich meinen Abend woanders verbringen als in meinen eigenen vier Wänden – während das früher nichts Besonderes war, muss ich mich jetzt erst wieder daran gewöhnen.
Hinzu kommt, dass natürlich längst nicht die Bedingungen herrschen, die wir vor Corona kannten: Es gilt, sich an die vom Land festgelegten Vorschriften zu halten und vorsichtig zu sein, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Bevor ich mich auf den Weg zum Restaurant Löwen mache, ziehe ich darum zur Sicherheit noch Google zu Rat, um herauszufinden, was eigentlich genau zu beachten ist – die Angst, etwas falsch zu machen, ist groß. Muss ich einen Mundschutz tragen? Wenn ja, wo und wie lange – mit dem Stoff vor dem Mund lässt es sich schließlich schlecht essen. Und muss ich reservieren? Oder kann ich einfach spontan auftauchen? Glücklicherweise ist das Internet mittlerweile so voll von Corona-Informationen, dass ich schnell fündig werde.
Und auch im Restaurant Löwen selbst werde ich auf meine Verpflichtungen hingewiesen. Am Eingang zum Biergarten wartet bereits ein Schild, das über all die Regeln informiert, an die ich mich halten muss.

Und die sind einfach: Hände desinfizieren, warten, bis ich zu meinem Tisch geführt werde, Abstand halten. Bevor ich bestelle, muss ich auf einem Zettel außerdem meinen Namen, mein Besuchsdatum plus Uhrzeit und meine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse angeben. Kein großer Aufwand und eingeschränkt werde ich dadurch auch nicht.
Generell fühlt sich der erste Gastronomiebesuch nach Corona-Pause nach einer kurzen Eingewöhnung erstaunlich normal an. Es hilft, dass ich nicht die Einzige bin, die sich dafür entschieden hat, auswärts zu essen: Fast alle Tische im Biergarten sind besetzt, ich erspähe sogar einige bekannte Gesichter. Außerdem bemerke ich, sobald ich an meinem Tisch sitze, kaum noch, dass etwas anders ist als sonst: Solange sich niemand zu nahe kommt, trägt keiner außer den Angestellten Mundschutze, das Essen verläuft so wie vor der Corona-Krise: Bestellen, warten, genießen.
Nur ab und an merke ich, dass die Situation eben nicht ganz normal ist: Eine Gruppe junger Männer, die offensichtlich zusammengehören, aber Abstand halten müssen, muss sich im Biergarten verteilen, weil immer nur Angehörige zweier Haushalte an einem Tisch platziert werden dürfen.
Unterhaltungen mit anderen Gästen finden nur per Zuruf statt. Und als ich nach dem Essen bar bezahle, kann ich dem Kellner das Geld nicht einfach in die Hand drücken, weil der direkte Kontakt zwischen Angestellten und Gästen vermieden werden soll.
Stattdessen lege ich es in ein Körbchen, das die Bedienungen vorsorglich mit sich herumtragen und meine Rechnung bekomme ich ebenfalls auf diesem Weg. Aber damit kann ich leben. Besser auf eine andere Weise essen gehen als gar nicht.
Erstmals hört man den Brunnen: In der Pizzeria Großherzog in Villingen
Es ist kurz nach 20 Uhr. Mit gemischten Gefühlen betrete ich die Pizzeria Großherzog in Villingen. Essen gehen in Corona-Zeiten, mit Mundschutz und Abstand. Kann das überhaupt Spaß machen? Mal sehen.
Direkt im Eingangsbereich werden mein Kumpel Florian und ich durch ein Schild darauf hingewiesen, uns die Hände zu desinfizieren. Drinnen führt uns ein Kellner mit Dreitagebart zu einem der 15 Tische auf der Terrasse. Es ist viel los, fast überall sitzen Gäste. Die Angestellten tragen Mundschutz und Einweghandschuhe. „Normalerweise haben wir hier Platz für 100 Gäste, momentan dürfen 50 draußen sitzen“, sagt Inhaber Daniele Piattello. Alles in allem biete das Restaurant Platz für 190 Personen, doch wegen der Corona-Beschränkungen sei aktuell mehr als die Hälfte der Fläche nicht nutzbar.
Florian und ich sitzen mittlerweile an einem kleinen runden Tisch. Die Temperatur ist angenehm, ein laues Lüftchen weht uns um die Nase. Gerade rätseln wir darüber, welche Früchte wohl in unserem leckeren Aperitif sind, da kommt ein Kellner auf uns zu. „Endlich wieder Bruschetta“, denke ich mir, als ich sehe, was er in den Händen hält. Florian bekommt einen großen Salat, als Hauptgericht haben wir uns beide für Pizza Funghi entschieden. Meine Augen richten sich derweil auf den Innenbereich des Restaurants. Dort sind beide Tische in meinem Blickfeld mit rot-weißem Absperrband versehen.
Unmittelbar neben dem Terrassen-Platz von Florian und mir steht ein idyllisch anmutender Brunnen. Drei Deko-Enten sowie zwei künstliche Seerosen treiben auf dem klaren Wasser. Bereits öfter war ich im Großherzog essen – den Brunnen habe ich nie wirklich wahrgenommen. Nun ist das anders. Das Plätschern des blauen Wassers sorgt für Atmosphäre. Durch die Abstandsregelung stehen nicht so viele Tische dicht aneinander wie gewohnt. Die Corona-Maßnahmen sorgen dafür, dass man die Unterhaltungen von anderen Gästen nicht besonders mitbekommt. Es ist deutlich ruhiger, das gefällt mir.
Als ich inmitten eines Kampfes mit der riesigen Pizza Funghi stecke, leeren sich fast auf einen Schlag sämtliche Tische um uns herum. Plötzlich haben Florian und ich die Terrasse für uns. Dann kommt ein Beschäftigter nach draußen. Fein säuberlich reinigt er jeden Stuhl sowie alle Tische, wo eben noch Gäste saßen. Fläschchen mit Desinfektionsmittel gehören derzeit ebenso zur festen Ausrüstung eines Kellners wie die Speisekarte oder Salz und Pfeffer.

„Wir sind froh, dass wir wieder öffnen dürfen und freuen uns auf den persönlichen Austausch mit Gästen“, erzählt Daniele Piattello. „Trotzdem bieten wir weiterhin Liefer- und Abholdienst an.“ Einen Kundenansturm, wie ihn mancher vermutet hatte, habe es im Großherzog nicht gegeben. Inhaber Piattello vermutet, dass sich die Menschen erst an das Essengehen in Corona-Zeiten gewöhnen müssen. Einige seien vielleicht noch etwas ängstlich oder verunsichert.
Nach etwa eineinhalb Stunden ist mein erster Restaurant-Besuch seit Langem vorbei. Wie ich ihn empfunden habe? Eigentlich war alles wie immer. Als Gast ist man kaum eingeschränkt, lediglich für das Personal gilt Mundschutz-Pflicht.
Meine Pizza habe ich übrigens nicht ganz geschafft – zumindest vorerst. Denn etwas später musste dann auch der Rest noch dran glauben.
Etwas Besonderes für die ganze Familie: Im Restaurant Oscar‘s in Bad Säckingen

Essen zu gehen ist für mich immer mit guter Gesellschaft verbunden. Darum liegt es nahe, zum ersten Restaurantbesuch seit März die beste Familie mitzunehmen, was sich aufgrund des gemeinsamen Haushalts zudem gut mit den geltenden Bestimmungen vereinbaren lässt. Die Wahl des Lokals fällt uns leicht: Im Oscar‘s in Bad Säckingen haben wir immer gerne gegessen, schätzen den Service und die Auswahl. Also los. Auf 13.30 Uhr haben wir reserviert und wir sind tatsächlich einigermaßen pünktlich da: Mama, Papa, der beste Sohn (4) und die beste Tochter (2) entern den uns zugewiesenen frisch desinfizierten Tisch auf der Terrasse.
Sofort fällt uns auf, dass zwischen den Tischen mehr Platz ist. Vor Corona mussten beim Heranziehen und in-Postion-bringen des Kinderstuhls und der Platzierung diverser mitgeführter Requisiten in Form von Jäckchen, Täschchen und Tierchen die Gäste an den Nebentischen doch manchmal etwas Platz machen. Aber heute: Alles kein Problem. Innerlich: Ein ganz subjektives Hoch auf die neuen Abstandsregeln!

„Mama, das ist ein richtiges Abenteuer“, sagt mein Fast-Fünfjähriger als wir sitzen und grinst. Stimmt, das ist es irgendwie. Ungewohnt ist, dass Servicekraft Désirée Weiß einen Mundschutz trägt. Doch an ihren Augen erkennt man, dass sie lächelt. Das tut sie übrigens noch oft in der nächsten Stunde, vor allem dann, wenn die Kinder ihr ein Spielzeugauto oder eine kleine Tierfigur zeigen. Aber auch dann, als sie kurz danach die kleine Tierfigur vom Boden aufhebt und meiner Zweijährigen reicht.

Das Servicepersonal im Oscar‘s trägt außerdem Handschuhe und immer wieder sehen wir Désirée Weiß, wie sie frei werdende Tische sofort penibel desinifiziert. „Mama, ist das Virus denn hier?“, fragt mein Sohn. Das kann wohl keiner beantworten, aber hoffen, dass es nicht herumschwirrt, tun wohl alle. Und wie auf ein Stichwort wird uns ein Blatt Papier gereicht: Die Familie trägt ihre Daten ein, um im Falle einer Corona-Infektion kontaktiert werden zu können. Eigentlich beruhigend zu wissen, dass man im Ernstfall informiert werden würde, finden wir.

Und dann kommt unser Essen: Ein Burger, der nach Italien schmeckt, für Mama, überbackenes Schnitzel für Papa und eine Portion Picata Milanese auf zwei Tellern für den Nachwuchs. Auf den ersten Blick wird klar: Corona hat an der Erfüllung von Sonderwünschen hier absolut nichts verändert.

Und dann passiert etwas, das bei uns doch eher selten vorkommt: In den nächsten Minuten bleibt es ruhig. Unwahrscheinlich? Na gut, also es bleibt fast ganz ruhig. Denn tatsächlich ist jedes Familienmitglied nun erstmal mit seinem Essen beschäftigt. Und hurra: Allen schmeckt es! Beinahe sogar noch etwas besser als vor Corona.
Zwei Espressi für die Eltern, je eine Kugel Eis für die Kinder, die 45 Minuten brav sitzen geblieben sind, runden das „Abenteuer“ ab. Mama und Papa sind sich einig: Es ist schon etwas Besonderes, wieder warme wohlschmeckende Gerichte auf hübsch angerichteten Tellern serviert zu bekommen. Es ist auch etwas Besonderes, dass niemand von uns dafür in der Küche stand und besonders erfreulich: Der Tisch wird fachkundig abgeräumt und mit dem Abwasch haben wir auch nichts mehr zu tun. Klar, an die neuen Regeln muss man sich gewöhnen. Aber für uns fühlt sich dieser Restaurantbesuch an wie purer Luxus.