Die große Bühne bietet der Inselsaal in Lindau nicht gerade. Das große Veranstaltungsgebäude wirkt eher wie ein geschlossenes Theater, viele sind nicht gekommen. Die Erwartungen an die Konferenz der Gesundheitsminister, die diesmal unter der Schirmherrschaft von Klaus Holetschek, Bayerns Gesundheitsminister, stattfand, waren ohnehin gedämpft.
Der findet zwar markige Worte für die Situation in der Republik: „Die Lage ist dramatisch, besorgniserregend und alles andere als entwarnend.“ Mit großer Einigkeit seien deshalb gemeinsame Beschlüsse gefasst worden. Doch die Ergebnisse des Treffens sind überschaubar.
„Vor uns liegen schwere Wochen“, betont Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Knapp 40.000 Neuinfektionen, bis zu 400 davon werden in den nächsten Wochen in den Intensivstationen behandelt werden müssen, rechnet er vor. Die vierte Welle komme jetzt „mit voller Wucht“.
Verstärkte Kontrollen
Helfen sollen nun verstärkte Kontrollen der Einhaltung der 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Das aber liegt in der Hand der Städte und Kommunen, die Länder können die Ämter nur dazu aufrufen. Zudem soll bundesweit für Hotspots die Einführung von 2G-Regeln (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene) möglich sein – ein Beschluss, der noch im September keine Zustimmung fand. In Baden-Württemberg gilt ohnehin das Ampelsystem, das sich nach der Belegung der Intensivstationen mit Covid-Patienten sowie der Quote an Krankenhauseinlieferungen richtet. Bei der sogenannten Alarmstufe gilt für viele Aktivitäten die 2G-Regel.
In Pflegeeinrichtungen sollen die Besucher und Pflegekräfte getestet werden – ungeachtet ihres Impfstatus. Auch das ist in Baden-Württemberg bereits die Regel. Bund und Länder erhoffen sich mit der nunmehr einheitlichen Regelung, dass die Einrichtungen auch bei weiter steigenden Inzidenzen offen gehalten werden können. „Wir müssen die Orte schützen, wo die besonders Verwundbaren leben“, so Spahn. Feste Regeln wie etwa tägliche Testungen gibt es aber nicht – entscheiden sollen das die Länder.
Keine Impfpflicht
Die von Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha geforderte Impfpflicht lehnt Spahn dennoch ab: „Meine Sorge ist, wenn Sie mich fragen warum, dass eine Pflicht zu noch mehr Spaltung führt und man diese Menschen dann gar nicht mehr erreichen kann“, antwortete der Bundesgesundheitsminister auf die Frage des SÜDKURIER. In manchen Regionen sei die Impfquote beim Pflegepersonal nicht so hoch, wie er das erwarte, aber: „Wer sich nicht impfen lassen will, kommt dann vielleicht gar nicht mehr zur Arbeit.“ Der ohnehin schon bestehende Pflegekräftemangel könnte damit noch verschärft werden. Das will niemand riskieren.

Boosterimpfungen für alle
Stattdessen wollen Bund und Länder auf die Boosterimpfungen der Impfwilligen setzen. Möglich sein sollen diese für alle, die das wollen – frühestens aber sechs Monate nach der letzten Impfung. Bei Johnson&Johnson ist die Auffrischung schon nach vier Wochen möglich.
Einen Widerspruch zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sieht Spahn nicht. „Diejenigen, deren Impfung sechs Monate zurückliegt, sind doch die älteren Menschen, mit Vorerkrankungen und die Pflegenden“, gibt er zu bedenken. Die Stiko empfiehlt bisher nur die Auffrischungsimpfung für über 70-Jährige, weil hier die Immunantwort nicht so stark sei und der Impfschutz mit der Zeit nachlasse.
Reaktivierung der Impfzentren
Tatsächlich sollen die bisher im sogenannten „Stand-by“-Modus gehaltenen Impfzentren reaktiviert werden. Spahn verteidigt diesen Ansatz auf Nachfrage: „Das war eine bewusste Entscheidung der Schließung“, erklärt er. Aber man habe sich bewusst dafür entschieden, nicht alle Zentren komplett zu schließen. Inzwischen hätten Studien belegt, wie wirksam die Auffrischungsimpfungen seien.
„Wir haben sie heruntergefahren, weil ihr Betrieb sonst unnötig Steuergelder kostet“, verteidigt Holetschek den Beschluss. „Aber hätten wir sie vollkommen abgeschafft, hätte man uns vorgeworfen, nicht vorauszudenken.“
Doch nicht alle Länder wollen das umsetzen. Die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann betonte, sie werde die Impfzentren vorerst nicht wiedereröffnen: „Das braucht etwa 14 Tage Vorlauf, bis die wieder hochgefahren sind. Das werde ich nicht tun.“ Sie setze auf die Hausärzte.
Baden-Württemberg setzt auf mobile Impfteams
Auch Lucha, der bei der Konferenz von Staatsekretärin Ute Leidig vertreten wurde, setzt lieber auf mobile Impfteams. Große Einigkeit? Spahn relativiert: „Es müssen nicht zentrale Impfzentren sein“, vielmehr gehe es darum, die Ärzte zu unterstützen durch zusätzliche öffentliche Impfangebote.
Hauptsache Tempo, lautet Spahns Credo. „Das Boostern nach sechs Monaten sollte die Regel sein, nicht die Ausnahme.“ Damit das gelingen kann, müssten aber besser Rahmenbedingungen geschaffen werden, forderte Lucha noch am Freitag in einem Schreiben an Spahn: Impfstoffe für die Praxen müssten in kürzerer Vorlaufzeit verfügbar sein als bislang mit zwei Wochen immer dienstags. Ärzte sollten demnach angemessen für ihren Aufwand entschädigt werden statt wie bisher mit 20 Euro pro Impfung. Auch die Papierarbeit soll sich verringern – bislang sind umfangreiche Angaben zu machen.
Notwendig seien die Impfangebote allemal, betont auch Intensivarzt Uwe Janssens von der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der an der Konferenz gemeinsam mit einem Intensivpfleger teilnahm und die Lage in den Krankenhäusern schilderte.
Die Pfleger seien schon vor der Pandemie überlastet gewesen, inzwischen verließen zunehmend Pfleger den Beruf. „Wir sind an eine kritische Grenze gestoßen“. warnte er. Die einzige Waffe, betonte auch er, seien die Impfungen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Dann wird es still auf der Bühne im Inselsaal. Die Show ist vorbei.