Was die neun studierten und angehenden Theologinnen im Alter zwischen 22 und 30 Jahren getan haben, ist in der katholischen Kirche eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit: Sie haben sich als Priesterinnen beworben, obwohl der Beruf ihnen verwehrt bleibt. Nur Männer dürfen Priester werden und die Sakramente spenden: Nur sie dürfen die Eucharistie feiern, taufen, junge Menschen firmen, Paare kirchlich trauen, Gläubigen die Beichte abnehmen und Kranke salben.
Die Resonanz ist riesig: Mehr als 300.000 Menschen haben allein bis Anfang der Woche den Instagram-Account von „Mein Gott diskriminiert nicht“ aufgerufen, seit Stephanie Gans, 27, und Vera Fath, 23, morgens die Tür zum Priesterseminar hinter dem Freiburger Münster aufstießen, um ihre eigene und die Bewerbung ihrer sieben Mitstreiterinnen fürs Priesteramt abzugeben.

In einem braunen Umschlag steckt ihr Anschreiben und die neun einzelnen Motivationsschreiben, in denen jede von ihnen aufgeschrieben hat, warum sie Priesterin werden möchte. „Wir hätten niemals mit einer solchen Welle gerechnet“, sagt Stephanie Gans, die kurz vor dem Abschluss ihres Theologiestudiums steht. „Das ist so schön.“
Die überwiegende Zahl der Reaktionen und Kommentare im Internet ist sehr positiv, doch es gibt auch andere, die ihnen Häresie, Ketzerei, vorwerfen. „Jemand hat geschrieben, wir sollten doch unsere Kräfte schonen zum Kindergebären“, sagt die 27-Jährige Stephanie Gans.
Klare Ansage aus Rom 1994
Doch warum bewerben sich neun Frauen fürs Priesteramt, wenn schon vorher klar ist, dass sie nie Priesterin werden können und dass sich das wohl so schnell auch nicht ändern wird? Denn 1994 hatte der damalige Papst Johannes Paul II. eine klare Aussage getroffen: „Ich erkläre kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Damit sollten alle Diskussionen um dieses Thema ein für alle Mal enden. Das Gegenteil trat ein.
Das Thema ist bis heute nicht aus der Welt. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen haben sich schon 2013, also vor über zehn Jahren, 83 Prozent der Befragten gewünscht, dass auch Frauen Priesterinnen werden.
Seit einem guten Jahr leiten Stephanie Gans und Vera Fath mit zwei anderen Frauen die Initiative „Mein Gott diskriminiert nicht“, die 2020 von drei Theologiestudentinnen gegründet wurde. Mit ihrer jetzigen Aktion wollen sie zeigen, wie Nicht-Männer in der Kirche diskriminiert werden. Denn auch queeren Menschen bleibt der Zugang zum Priesteramt versagt. Wie die katholische Kirche mit queeren Menschen umgeht, dass sie deren Liebe als Sünde sieht, ist das zweite große Thema, für das sie sich engagieren.
„Wir wollten nicht nur auf kirchenpolitischer Ebene Menschen finden, die sich für das Thema stark machen“, erzählt Stephanie Gans, die kurz vor dem Abschluss ihres Theologiestudiums steht. „Da hätten wir an der Uni noch viel mehr Leute gefunden.“ Sie wollten Frauen suchen, die wirklich Priesterinnen werden wollen. Das dauerte zwei Monate, weil sie sehr diskret vorgegangen sind. Damit ihre Bewerbungen nicht direkt im Mülleimer landen und ihre Aktion öffentlich wird, haben sie die „Badische Zeitung“ mit ins Boot geholt, die an dem Morgen dabei war, als sie den brauen Umschlag an der Pforte des Priesterseminars abgegeben haben.
Mit konkreten, ganz persönlichen Geschichten, hinter denen die Frauen mit ihren Namen stehen, wollten sie zeigen, wie tief die Diskriminierung in ihr Leben dringt. Fünf von ihnen bewerben sich anonym, weil sie in der katholischen Kirche Nachteile befürchten.
Warum wollen sie Priesterinnen werden?
Stephanie Gans schreibt zu ihrer Motivation, dass sie sich schon als Schülerin gefragt habe: „Wo komme ich in meine Kraft? Wo liegen meine Kompetenzen? Was hat Gott in mich hineingelegt?“ Als Jugendliche war sie jahrelang Messdienerin, Obermessdienerin und Firmkatechetin, erzählt sie am Telefon. Sie ist als drittes von vier Kindern in einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz aufgewachsen. Damals sei sie noch nicht an Grenzen gestoßen, doch im Studium habe sie schnell gespürt, dass es in der Kirche nur so wimmele von Diskriminierungen.
Plötzlich war sie auch selbst davon betroffen. „Ich kenne ganz viele Frauen, die eine krasse Leidensgeschichte durchgemacht haben, die krank werden, weil die Kirche sie so klein hält und nicht akzeptiert, dass sie sich von Gott berufen fühlen.“ Anfangs hatte sie die Frage, ob sie Priesterin werden wolle, noch ausgeklammert, doch irgendwann wurde ihr klar, dass sie den Plan ohne ihre eigene Sehnsucht gemacht habe. Sie würde gerne Priesterin werden. Sie und die anderen Frauen machen sich stark für die Öffnung des Zölibats.
Sie stellte früh kritische Fragen
Die 23-jährige Vera Fath, die Theologie und Psychologie studiert, stammt aus einem katholischen Haushalt in München. „Mein Glaube war seit jeher wichtig für mich“, sagt sie am Telefon. Doch in der Stadt war es ganz und gar nicht selbstverständlich, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und zu ministrieren.
Ihr Pfarrer, ein älterer, aber sehr fortschrittlicher Mann, dem sie früh kritische Fragen stellte, sagte zu ihr: Du wirst mal Priesterin. Er habe durch seine aufgeschlossene Art einen unglaublichen Aufschwung in der Gemeinde bewirkt, erinnert sie sich. Auch eine junge Lehrerin, die sie in Religion vor dem Abitur unterrichtete, hat sie geprägt. „Als Oberministrantin wurde die Frage für mich immer drängender, warum meine Kirche ihre Mitglieder nicht gleichberechtigt wahrnahm, sondern nach Geschlecht diskriminierte“, heißt es in ihrer Bewerbung.
Als sie kürzlich mit Kommilitonen bei einer Studienfahrt in Rom am Tisch saß, kam die Frage auf, warum denn nur Männer in der katholischen Kirche Priester werden dürfen. „Das war sehr hart“, sagt Vera Fath. „Zum ersten Mal habe ich mich ohnmächtig gefühlt.“ Sie spürte die Übermacht dieser beiden Männer, die argumentierten, es sei kein Privileg, Priester zu werden. In dem Sinne könnte man es auch nicht aufbrechen, es sei keine Diskriminierung, nur eine andere Rollenverteilung.
Eine ihrer anonymen Mitbewerberinnen schreibt an das Priesterseminar: „Ich stehe hier in einer Zeit rückläufiger Zahlen an Gläubigen als junge überzeugte Christin vor Ihnen (…) und doch wird mir verweigert, meiner Berufung nachzugehen und mein Leben als Priesterin ganz im Zeichen Jesu Christis auszurichten. Und all das aufgrund der Tatsache, dass ich als Frau geboren wurde.“

Der Leiter des Priesterseminars in Freiburg, Weihbischof Christian Würtz, freut sich, dass die Frauen das Gespräch suchen und sich nicht von der Kirche abwenden, wie er auf Anfrage schreibt. Er hat mit ihnen schon einen Termin vereinbart. Dabei werde es darum gehen, die Positionen besser zu verstehen.“
Hält er es für möglich, dass Papst Leo XIV. einen Schritt in die Richtung gehen wird, den die Frauen anstreben? „Nachdem Papst Johannes Paul II. definitiv erklärt hat, dass die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen zu Priesterinnen zu weihen, sehe ich hier auch unter dem neuen Papst wenig Spielraum“, sagt er.
Allerdings dürfe die Frage der Frau in der katholischen Kirche nicht allein auf die Priesterweihe zugespitzt werden. Insgesamt gebe es hier noch viel Spielraum. „Papst Franziskus hat bei der Weltsynode, der bisher stimmberechtigt nur Bischöfe und damit Männer angehörten, auch Frauen mit Stimmrecht zu Mitgliedern ernannt“, gibt er zu bedenken. „Auch bei uns hat sich viel in den letzten Jahren im Hinblick auf die Rolle der Frau geändert“, sagt er. „So gibt es mittlerweile Professorinnen an der Theologischen Fakultät, was bei meinem Studium vor rund 20 Jahren noch nicht der Fall war. Oder es gibt Frauen, die Hauptabteilungen im Erzbischöflichen Ordinariat leiten.“
Derzeit bereiten sich 19 Männer auf den Empfang der Priesterweihe vor. Dieses Jahr sind zwei Priester für die Erzdiözese Freiburg geweiht worden.
In Vera Faths Bewerbung heißt es am Ende: „Ich möchte Miterbauerin einer Kirche ohne Angst sein, in der sich Menschen wohl und zuhause fühlen. Dafür sehe ich weiterhin den Beruf der Priesterin als Schlüssel, um in diese Richtung wirksam zu werden.“
Stephanie Gans ist es wichtig, weiterhin an den richtigen Stellen Fragen zu stellen und das System zu irritieren, wie sie sagt. Sie will zunächst den Weg als Pastoralreferentin einschlagen, weil sie erlebt, wie positiv die Menschen auf sie reagieren. Oft sagten sie: Von dir würde ich mein Kind taufen lassen, auch das Sakrament der Ehe könnte ich mir mit dir vorstellen, aber mit der männerdominierten katholischen Kirche kann ich nichts mehr anfangen. „Vielleicht habe ich irgendwann eine Tochter oder Enkelin, die diesen Weg einschlagen will“, sagt sie. „Für sie lohnt es sich zu kämpfen.“