War es einvernehmlicher Sex? Oder war Gewalt im Spiel? Das muss derzeit die Jugendkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen klären, vor der ein 23-Jähriger steht, der sich neben weiteren Delikten auch wegen Vergewaltigung verantworten muss.

Laut Aussage des Angeklagten war es einvernehmlicher Sex, den er mit der vor Gericht als Geschädigter auftretenden Frau am Waldshuter Rheinufer im Frühjahr/Sommer 2022 vollzogen haben soll. Laut seiner Darstellung sei der dort ausgeübte Oralverkehr von der seinerzeit noch Minderjährigen ausgegangen, nicht von ihm. Auch soll der dabei keinen sexuellen Höhepunkt erlebt haben, sondern ebenfalls von sich aus den Akt abgebrochen haben.

Naturgemäß dürfte die Darstellung des Geschehens durch die Geschädigte selbst anders gelautet haben, hat diese den Beschuldigten doch wegen Vergewaltigung polizeilich angezeigt, wenn auch erst Monate danach, im Januar 2023. Was sie vor Richter Martin Hauser aussagte, konnte diese Zeitung aber nicht wiedergeben, denn ihre Vernehmung fand aus Schutz ihrer Intimsphäre unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Anzeigenerstattung um 1 Uhr morgens

Nun aber, im Laufe eines weiteren Verhandlungstages, sagte ein Polizist als Zeuge aus, der die Anzeige der Geschädigten aufgenommen hatte. So kam jetzt doch eine andere Sicht auf das Tatgeschehen ans Licht. Hintergrund dafür, dass die mutmaßliche Tat noch angezeigt wurde, war wohl ein vom Geschehen am Rheinufer heimlich erstelltes Video. Anscheinend wussten auch die Eltern der Jugendlichen bis unmittelbar vor der Stunde der Anzeigenerstattung nichts von dem Vorfall. Aber an dem Tag muss die Geschädigte ihren Eltern davon erzählt haben. Kurios: Vater und Tochter suchten das Waldshuter Polizeirevier gegen 1 Uhr morgens auf, um die Anzeige zu erstatten.

Ihrer Aussage nach wurde die seinerzeit 16- oder 17-Jährige vom Beschuldigten unter Ausübung von Gewalt, sie sei von ihm zu Boden gedrückt worden, zum Oralverkehr gezwungen. Sie habe sich, so die Angabe gegenüber der Polizei, dagegen gewehrt, sei aber gegen die Stärke des Mannes machtlos gewesen. Der Beschuldigte habe sie küssen und entkleiden wollen, gar Geschlechtsverkehr von ihr gefordert, was sie aber abgelehnt hätte.

In der Verhandlung war auch von an den Handgelenken erlittenen Verletzungen die Rede. Woher diese stammten, blieb aber unklar. Unbestritten ist: Alkohol war bei dem Geschehen keiner im Spiel, wohl aber Softdrinks. Das mutmaßliche Opfer sagte gegenüber der Polizei zudem aus, einen von Angeklagten angebotenen Joint abgelehnt zu haben. Sie habe sich dennoch „komisch“ gefühlt. Womöglich sei sie Opfer von K-o.-Tropfen geworden.

Die Identität des Mannes, gab sie an, sei ihr zur Tatzeit unbekannt gewesen, lediglich ein Spitzname aus Social-Media-Profilen habe sie gekannt. So habe sie dessen Namen auch gegenüber der Polizei nicht angeben können. Erst nach Anzeigenerstattung wurde das möglich, nachdem der Beschuldigte eher zufällig am Waldshuter Busbahnhof angetroffen und der Identifizierung durch die Polizei hat zugeführt werden können.

Zu Beginn der Verhandlung hatte der Angeklagte ausgesagt, von der Geschädigten nach Hause eingeladen worden zu sein, wo er aber nicht durch die angeblich mit einer Kamera überwachte Haustür hätten hineingelangen sollte, sondern übers Fenster. Dieser Darstellung widersprach der Vater der Geschädigten jetzt. Das Haus verfüge über gar keine Kamera und das Eindringen via Fenster sei schon baulich nicht möglich, behauptete er.

Eine weitere Zeugin, eine Freundin der Geschädigten, sagte ebenso aus. Die Geschädigte hat sich ihren Worten nach „öfter mit verschiedenen Jungs getroffen“. Aber: „Sie hat auch mir gegenüber nie viel erzählt von ihren Beziehungen.“ Unklar blieb, ob die Geschädigte vor dem Geschehen am Waldshuter Rheinufer schon sexuelle Erfahrungen hatte oder nicht. Sie sei dort „gegen ihren Willen zu Sachen gezwungen“ worden, so habe sie es der Freundin gegenüber formuliert.

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Das Waldshuter Rheinufer, wo sich das Geschehen 2022 zugetragen haben soll, nahm das Gericht denn auch bei einem Ortstermin in Augenschein. Offen blieb, zu welchen Erkenntnissen es dort gelangte.