Im Industriepark Gottmadingen herrscht Stille, die nur gelegentlich von vorbeifahrenden Schwerlastern durchbrochen wird. Graue Wolken hängen tief, während Werbeplakate für günstige Büro- und Gewerbeflächen an den Wänden flattern.

Doch hinter dieser tristen Szenerie um die Halle mit der Nummer 306 verbirgt sich die Geschichte eines spektakulären Diebstahls, dessen Spuren nur noch die Überreste eines blauen, amtlichen Siegels am Tatort verrät.

Düfte für hunderttausende Euro sind weg

Die Diebe rückten irgendwann zwischen Freitagnachmittag und Sonntagmittag an. Sie kamen mit einem Lkw oder einem Transporter. Klar ist: Das war keine spontane Aktion. Die unbekannten Täter wussten genau, wo sie suchen müssen. Bei dem Einbruch wurde Parfüm im Wert von mehreren hunderttausend Euro gestohlen, meldete die Polizei am Dienstag.

Im Industriepark weisen nur Überreste eines amtlichen Siegels auf den Tatort hin.
Im Industriepark weisen nur Überreste eines amtlichen Siegels auf den Tatort hin. | Bild: Durain

Vor der Halle liegen keine Scherben von eingeschlagenem Glas, an der Tür sind keine Spuren von Brecheisen. Nach SÜDKURIER-Informationen gingen die Diebe erst im Inneren der Lagerhalle rabiater vor. Sie durchbrachen eine Wand, um an die Paletten mit Luxus-Parfüms zu gelangen. Alle anderen Sachen ließen sie zurück. Wie viele Paletten und Flakons genau gestohlen worden sind, ist unklar.

Wer wurde bestohlen?

Die Gisada Europe GmbH sitzt in Gottmadingen. Nur ein Schriftzug im Briefkasten weist das aus.
Die Gisada Europe GmbH sitzt in Gottmadingen. Nur ein Schriftzug im Briefkasten weist das aus. | Bild: Durain

Beim Blick auf Halle 306 stellt sich vor allem eine Frage: Wie kamen die Täter auf die Idee, dass es hier viel zu holen gibt? Darauf gibt es noch keine Antwort, die Ermittlungen der Polizei laufen erst an.

Für jedermann öffentlich einsehbar ist zumindest, wer hier sitzt: die Gisada Europe GmbH. Hinter dem Namen verbirgt sich eine weltbekannte Marke, die in großen Drogerieketten vertrieben wird und deren Düfte besonders bei Influencern beliebt sind.

Um die Produkte zu bewerben, sucht Gisada gerne und in großem Stil die Öffentlichkeit. Auf den Einbruch in Gottmadingen angesprochen, zeigt sich Gisada dagegen eher zurückhaltend: „Wir geben keine Informationen zu dem Vorfall heraus“, sagt Geschäftsführer Arben Ademi auf Anfrage.

Die Welt von Gisada

Gisada – das wird mit einem weichen G gesprochen. Es klingt nach Eleganz und Exotik, natürlich auch etwas mysteriös. Die Marke steht für Glamour und Luxus, auch wenn in Gottmadingen Autowracks vor dem Hallentor stehen. Hier hat einst die Maschinenfabrik Fahr ihre Traktoren produziert.

Der Einbruch ist ein schwerer Schlag für Gisada. Denn das Lager in Gottmadingen ist nach SÜDKURIER-Informationen das Wichtigste des gesamten Unternehmens, das nun fürchtet, Liefertermine nicht einhalten zu können.

In diesem Gebäude direkt an der Einfahrt lagerten Parfüms im Wert von mehreren Hunderttausend Euro.
In diesem Gebäude direkt an der Einfahrt lagerten Parfüms im Wert von mehreren Hunderttausend Euro. | Bild: Durain

Noch am Montag stellte das Unternehmen auf Instagram seinen neuen Duft „Titanium“ vor. Wer will, kann den „Duft für den modernen Visionär“ noch immer vorbestellen.

Vom Raub soll die neue Produktlinie auch nicht betroffen sein – dafür aber „Ambassador Men“. Ausgerechnet jene Flakons also, die im Februar bei Marktführer Douglas heiß begehrt waren. Der Drogerie-Konzern bestätigte auf Anfrage: Ambassador war im vergangenen Monat das meistverkaufte Herrenparfüm seiner Klasse.

Der Botschafter: Ein weltberühmter Ex-Häftling

Für das Ambassador-Geschenkset mit dem Antlitz von Jeremy Meeks auf der Verpackung werden 109,90 Euro fällig. Das Gesicht von Meeks ist weltbekannt. Er galt einst „als schönster Häftling der Welt“. 2019 wurde er Markenbotschafter für Gisada, ihm folgen 1,5 Millionen Menschen auf Instagram.

Dieses Polizeifoto machte den Kalifornier Jeremy Meeks weltbekannt.
Dieses Polizeifoto machte den Kalifornier Jeremy Meeks weltbekannt. | Bild: DPA

Meeks ist in guter Gesellschaft bei Gisada. Das Unternehmen setzt auf Influencer-Marketing und bekannte Namen mit großer Reichweite: Neben Meeks ist auch Michele Morrone ein Werbepartner. Der Italiener ist Schauspieler und Musiker, seinen YouTube-Kanal haben mehr als zwei Millionen Menschen abonniert. Morrone wurde durch seine Rolle als Mafia-Boss „Don Massimo Torricelli“ im Erotik-Drama „365 Tage“ auf Netflix bekannt.

Auch der polnische Influencer Sheo (eine Million Abonnenten) postete ein Bild von sich mit dem Parfüm aus der Schweiz. Für den neuen Duft „Titanium“ soll der britische Boxer Anthony Joshua als Gesicht werben.

Schweizer Behörden greifen ein

Die bestohlene Gisada Europe GmbH gehört zur Swiss Fragrance GmbH in Winterthur. Ein Blick in die Datenbank von North Data belegt das. Beide Gesellschaften haben den gleichen Geschäftsführer: Arben Ademi. Und der ist vor allem in der Schweiz kein Unbekannter.

Die Parfüm-Marke ist nicht Ademis erste Geschäftsidee. Schon vor Gisada sorgte er mit Suissephone für Aufsehen. Laut North Data ist er noch immer Geschäftsführer der Telekommunikationsunternehmen Globalcom, OneCom und Suissephone. Die Geschäftspraktiken von Suissephone waren bereits Thema im Schweizer Parlament, außerdem kassierte das Unternehmen 2017 einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Tessin wegen unlauteren Wettbewerbs. Schon 2015 ging das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) gegen Ademis Unternehmen vor.

Suissephone soll vor allem Senioren überteuerte Telefon-Abos aufgedrängt haben. Das habe auch deswegen gut funktioniert, weil Suissephone ähnlich klingt wie Swisscom, das größte Telekommunikationsunternehmen der Schweiz.

Eine Kamera hat den Eingangsbereich im Blick. Ob sie die Täter aufzeichnete, ist unklar.
Eine Kamera hat den Eingangsbereich im Blick. Ob sie die Täter aufzeichnete, ist unklar. | Bild: Durain

Der Aufstieg von Gisada: Von Konstanz nach Gottmadingen

2017 machte sich Ademi mit Gisada auf, die Welt der Düfte zu erobern. Im September des Jahres wurde Gisada Europe angemeldet, der Firmensitz befand sich in Konstanz im Lohnerhof. Fünf Jahre später, im September 2022, wurde der Firmensitz nach Gottmadingen verlegt.

Und aus einer Unternehmergesellschaft (UG) wurde eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Das Unternehmen entwickelte sich also. Inzwischen verkauft man in 58 Ländern Parfüms, Seifen und Duftkerzen.

100 Milliliter Eau de Parfum aus der „Luxury Line“ kosten 349,90 Euro. Besonders hat die Parfüm-Influencer auf YouTube allerdings „Ambassador“ verzückt. Es wurde vom renommierten Parfümeur Andreas Wilhelm aus Zürich entwickelt. Ambassador kann man auch an Bord von Lufthansa- oder Emirates-Flugzeugen kaufen.

Zeugen gesucht

Zum Überfall in Gottmadingen liegen der Polizei wenige Tage nach dem Einbruch noch keine neuen Erkenntnisse vor, wie eine Anfrage ans Präsidium ergab. Ob die Diebe von einer Kamera am Gebäude oder einer in der Zufahrt im Industriepark aufgezeichnet wurden, ist unklar. Die Kriminalpolizei Rottweil führt die Ermittlungen und bittet Zeugen, die im Zeitraum zwischen Freitagnachmittag, 8. März, und Sonntagmittag, 10. März, etwas Verdächtiges beobachtet haben, sich unter der Telefonnummer 07531 995-0 zu melden.