Almut Hanselmann mag es gar nicht, wenn man ihn „Killer-Shrimp“ nennt. Das ist für die Biologin ein Reizwort. „Es sagt auch keiner mehr Killerwal – es sind Orcas. Und der Höckerflohkrebs ist ein Problem – das macht ihn aber nicht zum Killer.“

In den frühen 2000er Jahren wurde der Große Höckerflohkrebs, wie der Killer-Shrimp wirklich heißt, erstmalig im Bodensee entdeckt. Damals schwankte die Stimmung der Forschenden zwischen Fatalismus, Neugierde und Resignation, sagt Hanselmann. „Wenn neue Arten ins Ökosystem eingeschleppt werden, ist das eine totale Blackbox. Da gibt es keine Regelmäßigkeit, wie sich etwas auswirkt.“

Almut Hanselmann ist Wissenschaftlerin am Limnologischen Institut Konstanz. Für sie ist der Große Höckerflohkrebs einer der Gründe, ...
Almut Hanselmann ist Wissenschaftlerin am Limnologischen Institut Konstanz. Für sie ist der Große Höckerflohkrebs einer der Gründe, wieso einheimische Flohkrebse im Bodensee zurückgehen. | Bild: Hanselmann/privat

2016 hieß es bei einer Tagung am Institut für Seenforschung, dass der Krebs seit seiner Ankunft im Bodensee das gesamte Seeufer des Überlinger Sees erobert hat. Die große Sorge: Der invasive Höckerflohkrebs könnte sich genauso schnell verbreiten wie die Quaggamuschel – und den Bodensee nachhaltig verändern.

Dass das durch invasive Arten passieren kann, hat man am Beispiel der Quaggamuschel gesehen, doch um den Großen Höckerflohkrebs ist es zuletzt still geworden. War die Sorge der Forscher also berechtigt?

Der Krebs fühlt sich wohl

Zumindest eine These trifft dabei zu: „Der Große Höckerflohkrebs ist im See überall“, sagt Hanselmann. Die 42-Jährige arbeitet am Limnologischen Institut der Universität Konstanz. Für das Projekt Seewandel Klima untersucht sie die Folgen vom Klimawandel für Flachwasserbiozönosen, also Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen im Flachwasserbereich des Bodensees.

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Auch habe sich die damaligen Befürchtungen der Forscher bestätigt: „Die heimischen Flohkrebse haben im Bodensee stark abgenommen, der Große Höckerflohkrebs könnte einer der Gründe sein“, so Hanselmann.

Denn neben wirbellosen Tiere wie Schnecken, Algen und Fischlaich frisst der räuberische Krebs auch andere Krebsarten, verdrängt diese durch seine schnelle Vermehrung. Vermutlich habe er daher auch seinen Spitznamen, so Hanselmann. Gerade in der, vor allem durch die Quaggamuschel, veränderten Umgebung im See fühle er sich wohl, sei an diese besser angepasst als andere Krebsarten.

Wie im McDonald‘s-Restaurant?

Und hier liegt das Problem: Jedes Gewässer sei in sich grundverschieden, erklärt Hanselmann. Durch invasive Arten, die in ein Ökosystem eindringen, sich vermehren und dadurch einheimische Arten verdrängen, sieht es schnell überall gleich aus.

Hanselmann spricht hier von einer „McDonaldisierung“ – ein Begriff, der vom US-amerikanischen Soziologen George Ritzer geprägt wurde. Ähnlich wie in allen Restaurants der Fast-Food-Kette McDonalds alles gleich schmeckt, gleich aussieht und gleich funktioniert, gleiche sich auch das Ökosystem an, wenn invasiven Arten in dieses eindringen, sich vermehren und dadurch heimische Arten verdrängen.

„Wir verlieren Diversität. Je mehr Arten wir überall haben, desto mehr geht die Diversität verloren. Irgendwann wird es egal sein, ob wir in die Donau gucken, in einen Teich bei Karlsruhe oder in den Bodensee. Wenn es dumm läuft, haben wir überall die gleichen Arten.“ Eine fehlende Diversität mache ein Ökosystem anfällig für Störungen. „Durch Vielfalt der Arten und Struktur schafft man Stabilität.“

Die größten Exemplare vom „Killer-Shrimp“ haben übrigens die Größe eines Daumennagels. Menschen wird er damit nicht gefährlich. Trotz des berüchtigten Spitznamens.

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