Am 30. Juli ist der erste Ferientag. Doch zwei Schülerinnen der Unter- und Mittelstufe am Konstanzer Humboldt-Gymnasium erzählen von Mitschülern, die bereits am Wochenende in Urlaub fahren. Das Zeugnis müsste nächste Woche abgeholt werden, aber dafür könne man sich ja per Mail entschuldigen mit einem einfachen Verweis auf Erkältungssymptome, sagen sie. Die Lehrer hätten nicht angekündigt, die Entschuldigungen besonders zu kontrollieren oder sogar ein Attest zu verlangen.
Jürgen Kaz, der Schulleiter des Humboldt-Gymnasiums, gibt zu bedenken, dass seit Pfingsten ohnehin immer nur jeweils ein Drittel der 1000 Schüler in der Schule anwesend sei, der Rest lerne zu Hause. Beim Online-Unterricht lasse sich auch nur schwer überprüfen, wo die Schüler seien. „Das wollen wir auch gar nicht“, sagt Kaz, der auch davon ausgeht, dass manche Schüler schon früher in die Ferien fahren.

Solange der Kontakt da sei und die Schüler ihre Leistungen erbringen, sei es auch nicht so wichtig, wo sie das machen. Die meisten Eltern gehen nach seinen Erfahrungen auch sehr verantwortungsbewusst mit der Schulpflicht um. Anfragen, um aus Kostengründen den Urlaub früher zu beginnen, hat er gar keine bekommen.
Fünf Anfragen bekam er von Eltern, die wegen Reisen ins Ausland anfragten. „Das sind Familien aus Albanien oder Mazedonien, wo Familienmitglieder mehrerer Bundesländer bei großen Familienfesten zusammenkommen oder Familien mit Angehörigen in Übersee“, sagt er. „Solche Familienfeste unterstützen wir selbstverständlich.“
Auch Karin Broszat, Leiterin der Realschule Überlingen, kennt das Problem, dass Schüler mehrere Tage vor den Sommerferien vom Unterricht befreit werden wollen. Zehn Anfragen der 700 Schüler hat sie diesmal bekommen, nicht mehr als in anderen Jahren vor der Corona-Krise auch. Werden Hochzeiten, andere Familienfeiern oder Beerdigungen als Grund angegeben, lässt sie sich eine Bestätigung vorlegen.

In manchen Fällen kommt es dann auch zur Konfrontation mit den Eltern. Einem Schüler hat sie das Fernbleiben untersagt, denn seine Eltern haben bereits zum dritten Mal angefragt wegen eines früheren Fluges in den Urlaub.
„Einmal im Schulleben darf ein Schüler bei uns die Ferien verlängern“, sagt sie auf Anfrage am Telefon. Und wenn etwas Wichtiges ansteht, wie bei der Mutter, die in Rumänien ihren Pass verlängern lassen muss, was sie vorher wegen der Corona-Krise nicht konnte, ermöglicht die Schulleiterin das auch.

Ihre Rektoren-Kollegin aus Bad Säckingen hat dagegen keine Anfrage aus dem Kreis der 700 Schüler der kaufmännischen Rudolf-Eberle-Berufschule erreicht. „Wir stellen bei den Eltern klar, dass eine solche Befreiung nur aus wichtigem Grund möglich ist, und dass es auch Kontrollen an den Flughäfen gibt“, sagt Erika Breiling.
Erlaubtes Fehlen ohne Attest ist ein Problem
Doch die 59-Jährige kämpft mit einem anderen Problem. Seit der Corona-Krise können Schüler, wenn sie Angst haben sich mit dem Coronavirus anzustecken, zu Hause bleiben. „Dazu braucht es kein Attest vom Arzt“, sagt sie. Auch bei der kleinsten Erkältung mit Husten, Schnupfen, Kopfweh sollen sie zu Hause bleiben. „Ob diese Symptome tatsächlich vorliegen, ist für uns als Schule nur schwer überprüfbar“, sagt sie. Fehlen werde also nicht sanktioniert.
Zuvor mussten die Eltern eine Entschuldigung schreiben und die Schule forderte bei häufigem Fehlen eine ärztliche Bescheinigung. Auffällig oft fehlende Schüler hat die Rektorin vor der Corona-Krise auch mal zum Amtsarzt geschickt.
„Fernunterricht nicht zum Verreisen gedacht“
Das Kultusministerium macht auf Anfrage klar, dass das Thema „eigenmächtige Ferienverlängerung“ zum Glück kein Massenphänomen sei. „Doch die Phasen des Fernunterrichts sind nicht dazu gedacht, dass Schüler verreisen. Im Gegenteil: Schüler sollen diese Phasen dafür nutzen, an den Fernlernangeboten der Schule teilzunehmen und in heimischer Arbeit Aufgaben zu bearbeiten, Lerninhalte zu wiederholen und zu üben.“

Die Rechtslage dazu sei eindeutig, so das Ministerium: Eine Beurlaubung sei lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich. Eine geplante Urlaubsreise früher anzutreten, zähle nicht dazu.
Beurlaubungsgründe sind beispielsweise Kuren und Gesundheitsaufenthalte, eine Teilnahme am internationalen Schüleraustausch oder an wissenschaftlichen oder künstlerischen Wettbewerben sowie persönliche Gründe wie etwa Eheschließung der Geschwister, Todesfall in der Familie oder ein Wohnungswechsel.
Der verlängerte Urlaub kann schnell teuer werden
Das Schulgesetz legt fest, dass Eltern dafür sorgen müssen, dass ihre Kinder auch am Fernlernunterricht teilnehmen. „Es darf für niemanden überraschend sein“, sagt Pressesprecherin Christine Sattler, „wenn er bei einer eigenmächtigen Verlängerung der Schulferien Ärger mit den Bußgeldbehörden bekommt.“
In Baden-Württemberg sind droht pro Fehltag ein Bußgeld zwischen 50 und 300 Euro. Unter Umständen ein teurer Urlaub also, nicht zu reden von dem schlechten Vorbild, dass Eltern ihren Kindern damit auf den Weg geben.