Als Richter Arno Hornstein den Angeklagten zu seinem Werdegang befragt, richtet sich sein Blick auf einen schlanken, 38-jährigen Mann. Dieser trägt einen roten Pullover und eine dazu passende Jogginghose, auf deren Brust „VA Konstanz“ (Vollzugsanstalt) prangt.

Die beiden kennen sich bereits. Hornstein hat den gebürtigen Singener schon einmal verurteilt. Das liegt mehr als zehn Jahre zurück, damals verurteilte ihn Hornstein zu mehreren Jahren Haft. Nun stehen sich Richter und Angeklagter erneut gegenüber, doch dieses Mal geht es um eine Anklage wegen Mordes und besonders schweren Raubes.

Noch am Vormittag legt der 38-Jährige ein Geständnis ab. Das, was in der Anklage stehe, sei zutreffend, lässt er seinen Pflichtverteidiger erklären. Er bereue die Tat zutiefst. Auch sonst räumt er ein: Draußen, außerhalb der Gefängnismauern, komme er nicht zurecht.

Fast die Hälfte seines Lebens hat der Mann hinter Gittern verbracht. Und nun, nachdem er einen 42-jährigen Mann tödlich verletzt haben soll, um 300 Euro zu stehlen, bittet er Hornstein darum, ihn in den Maßregelvollzug, also in die Psychiatrie, zu schicken. Dieser Wunsch ist auch für den Vorsitzenden Richter eine seltene Bitte.

Das Opfer lag Stunden in seinem Blut

Die Staatsanwaltschaft Konstanz wirft dem 38-jährigen Deutschen vor, in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai, zwischen 1 Uhr und 5 Uhr morgens, einen 42-jährigen Mann in dessen Wohnung in Uhldingen-Mühlhofen heimtückisch und aus Habgier getötet zu haben.

Der 38-Jährige soll seinem Opfer die Beine weggezogen haben. Als der 42-Jährige fiel, soll der Angeklagte ihn dann mit einer Lampe aus Salzstein tödlich verletzt haben, indem er den 17 Kilo schweren Gegenstand auf dessen Kopf habe fallen lassen. Zuvor sollen die Männer gemeinsam Bier getrunken, Joints geraucht und sich noch einen Film angesehen haben.

Erst Tage später starb Opfer in Klinik

Das Opfer erlitt mehrere Frakturen im Gesicht. Danach nahm ihm der 38-Jährige das Bargeld und die EC-Karte ab. Später kaufte der Angeklagte damit fünf Packungen Zigaretten an einem Automaten. Als er die Wohnung verließ, lebte der 42-Jährige noch.

Der 42-Jährige lag stundenlang in seinem eigenen Blut auf einem Fliesenboden, ehe ihn seine Mutter und ein Freund entdeckten – und die Rettungskräfte anriefen. Sieben Tage später erlag der Mann im Klinikum Ravensburg seinen schweren Verletzungen.

Der Angeklagte kam in Anstaltskleidung in den Gerichtssaal. Er saß fast die Hälfte seines Lebens hinter Gittern.
Der Angeklagte kam in Anstaltskleidung in den Gerichtssaal. Er saß fast die Hälfte seines Lebens hinter Gittern. | Bild: Hanser, Oliver

Zeugenaussage per Videoschalte

Die Mutter bleibt in ihrer Zeugenaussage sachlich und ruhig – auch als sie erzählt, wie sie ihren Sohn fand und er stöhnte, als sie ihn ansprach. Die Frau wurde dafür per Videokonferenz zugeschaltet. So blieb ihr eine Aussage unter den Augen des geständigen Angeklagten erspart.

Den 38-Jährigen kenne sie nicht, ihr Sohn habe ihn auch nicht erwähnt, sagt die Frau aus. Sie habe sich Sorgen gemacht, weil sie den 42-Jährigen an jenem 4. Mai nicht erreichen konnte. Sie alarmierte seinen besten Freund und gelangte erst am Abend in die Wohnung, schildert sie dem Gericht.

Finanzspritze weckte Neid

Die zwei Männer kannten sich, immer wieder hatte der Angeklagte von ihm Geld gefordert – und es auch bekommen. Beide haben Bürgergeld bezogen, der 42-Jährige hatte aber wohl schon die Privatinsolvenz beantragt.

Er erhielt aber nur wenige Tage vor der Tat eine Finanzspritze von einem früheren Arbeitskollegen. Dieser übergab ihm 1000 Euro in bar, damit die Summe bei einer Überweisung nicht gepfändet wird.

Aufgewachsen im Brennpunkt

Der Angeklagte wuchs mit seinen vier Geschwistern in einem damaligen sozialen Brennpunkt im Singener Industriegebiet auf. Seinen Angaben nach wurde er als Kind mehrfach missbraucht und so geschlagen, deswegen habe er seither ein Blutgerinnsel im Gehirn.

Als er 14 oder 15 war, brach er die Schule ab, fing an zu trinken und Cannabis zu konsumieren. Mit 17 kam er das erste Mal ins Gefängnis. Er lebte in verschiedenen Heimen, später in Notunterkünften oder war obdachlos. Um alle seine Vorstrafen zu verlesen, reiche eine halbe Stunde nicht, stellte Hornstein fest.

Die Tat verfolgt ihn

Nach seiner jüngsten Haftstrafe trieb er sich für ein paar Monate auf den Straßen von Konstanz herum, ehe er eine Wohnung in Uhldingen-Mühlhofen bekam. Seine Angelegenheiten mit Behörden regelte ein rechtlicher Betreuer. Inzwischen sei er sauber, er nehme nur Tabletten, damit er überhaupt schlafen könne. Die Bilder der Tat sehe er sonst vor sich. Als er vom Tod des 42-Jährigen erfuhr, habe es ihn innerlich zerrissen.

Ein Gutachter geht allerdings von mehr als einem Schlag auf das Opfer aus. Die Verletzungen und Blutspuren am Tatort sprechen dafür, erklärt Hornstein später. Die Verhandlung wird am 12. November fortgesetzt. Ein Urteil soll am 6. Dezember fallen.