Seit dem 19. April gibt es Erleichterungen für Geimpfte bei der Einreise nach Baden-Württemberg. Laut Landesverordnung müssen sie – für Genesene gilt das gleiche – nach dem Grenzübertritt nicht mehr in Quarantäne. Wir sind der Frage nachgegangen, ob das nun wieder mehr Schweizer über die Grenze zieht.
Tatsächlich hat es seit Beginn der vergangenen Woche bei den Serviceschaltern des Zolls vom Hochrhein bis Konstanz einen leichten Anstieg bei der Erteilung von Ausfuhrscheinen gegeben. Das bestätigt auf Anfrage Mark Eferl, Pressesprecher des Hauptzollamtes in Singen. Konkrete Zahlen könne er allerdings nicht nennen.
Ein kurzer Besuch der Konstanzer Zollabfertigungsstelle beim Bodenseeforum am Donnerstagmittag bestätigt das Bild. Vereinzelt fahren Schweizer vor, um ihren Ausfuhrschein abstempeln zu lassen. Schlangen entstehen dabei allerdings keine.

Lange Diskussion zum Grenzübertritt
Einer von ihnen ist Urs Schmid aus Frauenfeld. Er habe lange mit seiner Frau diskutiert, ob er, nachdem er nun vollständig geimpft ist, nach Konstanz zum Einkaufen fahren soll. Letztendlich habe er sich dazu entschlossen. „Uns sind ein paar Sachen ausgegangen, die es nur hier in Deutschland gibt. Meine Frau liebt so das Gerolsteiner Wasser“, sagt er.
Davor sei er mehr als ein Jahr nicht mehr aus privaten Gründen jenseits der Grenze gewesen. Und auch jetzt meint er: „Ich werde wahrscheinlich die nächsten drei Monate nicht wieder über die Grenze fahren, weil wir jetzt alles haben, was wir brauchen.“ Einen anderen Anreiz, um nach Konstanz zu kommen, gebe es ja momentan nicht.
Wissen viele nicht, dass Geimpfte über die Grenze dürfen?

Ähnlich geht das Ursula Leuberger. Die Rentnerin aus dem Kanton Thurgau war gerade einkaufen. Jetzt will sie bei der Zollabfertigungsstelle ihren Ausfuhrschein holen. Sie ist eine von wenigen, die an diesem Donnerstagmittag das kleine Zollhäuschen in der Nähe des Bodenseeforums aufsuchen.
Ihr Eindruck ist, dass sich noch sehr wenige Schweizer über die Grenze trauen, manche von der Lockerung für Geimpfte noch gar nichts wissen. Sie selbst habe erst durch eine Freundin, die in Konstanz lebt, erfahren, dass sie als Geimpfte wieder über die Grenze darf.
Lieferadresse kämpft noch immer mit wirtschaftlichen Folgen – trotz Lockerungen
Mandy Klein betreibt eine Lieferadresse in Konstanz, wo Schweizer ihre Pakete hin liefern lassen können. Sie sagt: „Die die geimpft sind, sind auch wieder da und holen ihre Pakete ab.“ So viele, dass sie ihre derzeit reduzierten Öffnungszeiten wieder hochfahren könne, seien das allerdings noch nicht.

Das bringe sie in die Bredouille, sie möchte zwar ihren Kunden gerne die vollen Öffnungszeiten anbieten, doch lohne sich das aber aus wirtschaftlicher Sicht noch nicht. Von einer Rückkehr zum Normalbetrieb sei sie deswegen derzeit noch weit entfernt.
Hinzu komme, dass viele Schweizer ihre Waren bestellen und bei Klein einlagern lassen, die Ware also lange bei ihr liegen bleibt. Sie sagt: „Langsam wird der Platz eng.“ Deshalb hofft sie, dass sich bald wieder mehr Schweizer über die Grenze trauen.
Einzelhandel: Kein Besucheransturm von Schweizern
Auch beim Einzelhandel kann von einem Ansturm bei Schweizer Kunden noch keine Rede sein. Dass seit der Lockerungen wieder mehr Schweizer in den Lebensmittelläden der Grenzregion einkaufen gehen, sieht nämlich Dennis Fritze nicht. Er ist Leiter der Unternehmenskommunikation bei Edeka Baur. Wie viele Schweizer derzeit konkret in den Edeka-Märkten einkaufen gehen, könne er allerdings nicht sagen, Daten dazu würden nicht erfasst.
Für manche fehlt der Anreiz, um über die Grenze zu fahren
Roland Günthör kommt aus Amriswil, etwa 15 Kilometer von Konstanz entfernt. Früher, erzählt der 63-Jährige, sei er oft und gerne nach Konstanz gefahren. Um die Kultur und das dortige Angebot zu genießen. Er sagt: „Für mich lag Konstanz eigentlich nie jenseits der Grenze.“ Doch obwohl Günthör vollständig geimpft ist und nun wieder aus touristischen Gründen über die Grenze darf, bleibt er Konstanz erst einmal fern.
Denn, nur um einkaufen zu gehen, fahre er nicht über die Grenze. „Wenn ich nach Konstanz komme, dann wegen dem Flair. Dann gehe ich ins Kino oder ins Restaurant“, so Günthör. Und danach gehe er vielleicht auch noch einkaufen. Für den Einkauf alleine komme er aber nicht.
Er sagt aber auch: „Ich habe das Geld, um in der Schweiz einkaufen zu gehen. Familien mit einem geringen Einkommen geht das wahrscheinlich anders.“ Dennoch hat auch er den Eindruck, dass viele Schweizer gar nicht wüssten, dass Geimpfte wieder ohne Probleme nach Deutschland kommen dürfen und deswegen wegbleiben.