Hans-Peter Billmann legt ein Felchen auf die Waage. „34, 285“, diktiert er. „Ein Männchen.“ Marie-Sophie Schneider trägt die Daten in ein Blatt ein: Der Fisch, den sie heute Morgen gefangen hat, ist 34 Zentimeter lang und 285 Gramm schwer. Dann entnimmt Billmann mit einer Schere den Magen-Darm-Trakt.
„Wir überprüfen mit diesen Untersuchungen den Zustand der Felchen“, sagt Hans-Peter Billmann, der als Umwelttechniker bei der Fischereiforschungsstelle Langenargen arbeitet. Er gibt die Verdauungsorgane des Fischs in ein Gefäß, das Marie-Sophie Schneider ihm hinhält.
Nebenerwerbsfischer benötigen Zertifikat
Schneider ist eine von sechs Teilnehmern im Praxiskurs für Nebenerwerbsfischer, den die Fischereiforschungsstelle in Langenargen anbietet. Am frühen Morgen war die Gruppe mit Kursleiter Andreas Revermann bereits auf dem Bodensee unterwegs.
Gemeinsam holten sie die Netze ein, die am Vortag im Bodensee ausgelegt wurden. „Die Fische sollen nicht umsonst sterben“, sagt Umwelttechniker Hans-Peter Billmann. „Deshalb führen wir an den gefangenen Fischen Untersuchungen durch.“ Und die Kursteilnehmer dürfen assistieren.
Um in Baden-Württemberg als Fischer im Nebenerwerb tätig sein zu dürfen, müssen Interessierte an drei einwöchigen Kursen teilnehmen und zusätzlich ein dreiwöchiges Praktikum absolvieren. Der aktuelle Kurs ist zwar ausgebucht, doch das Interesse werde immer weniger, sagt Kursleiter Andreas Revermann.
Sie möchte in der heimischen Forellenzucht helfen
Und trotzdem gibt es junge Menschen, die die Fischerei weiterführen möchten. Teilnehmerin Marie-Sophie Schneider stammt aus Neuried bei Offenburg im Ortenaukreis. Das Interesse an der Fischerei liegt bei ihr in der Familie. „Meine Mutter ist Fischwirtschaftsmeisterin und besitzt eine Forellenzucht“, erzählt Schneider.
Hauptberuflich arbeitet die 26-Jährige beim Veterinäruntersuchungsamt in Freiburg. Nebenher unterstützt Marie-Sophie Schneider ihre Mutter in der Forellenzucht. „Der Betrieb soll weitergeführt werden“, sagt sie. Deshalb hat sie sich dazu entschieden, das Zertifikat zur Nebenerwerbsfischerin zu erwerben.
Neben Lachs gibt es auch andere Fischarten
Mit dem Zertifikat plant sie, auch auf dem Altrhein fischen zu gehen. „Ich finde es einfach spannend. Man weiß ja nie, was man im Netz hat“, sagt Schneider. Sie möchte für den Fisch als regionales Lebensmittel werben. Es sei traurig, dass die Menschen immer nur nach Lachs fragen würden. „Wir haben so tolle heimische Fischarten bei uns im Altrhein“, sagt Marie-Sophie Schneider. „Sie sollten bekannter werden. Das treibt mich an.“
Dass man als Fischerin sehr früh aufstehen muss, stört sie nicht. „Für meinen Hauptberuf muss ich auch früh aufstehen. Da kommt es auf eine Stunde früher nicht an“, sagt Marie-Sophie Schneider und lacht. Außerdem sei man in den Morgenstunden noch allein unterwegs, ganz ohne Touristen.
Zertifikat soll Berufsfischer schützen
In den drei Kursen der Fischereiforschungsstelle in Langenargen lernen Marie-Sophie Schneider und die anderen Teilnehmer alles rund um Netzkunde, Fischverarbeitung und Seenfischerei. Am Ende erhalten sie ein Zertifikat. „Die Behörden möchten so die Berufsfischer schützen. Sie sollen nicht in Konkurrenz zu den Angelfischern stehen“, sagt Kursleiter Andreas Revermann. Eine Prüfung müssen die Fischer aber nicht ablegen.
In dem Kurs, der in dieser Woche in Langenargen stattfindet, geht es um die Seenfischerei. Der Kurs kostet 160 Euro pro Person. „Die Teilnehmer lernen verschiedene Befischungsarten kennen“, sagt Andreas Revermann. Doch das Wetter spiele nicht mit: „Der Wind ist entscheidend. Wir konnten deshalb nicht so viel auf dem See machen wie geplant.“ Das gehöre aber auch zur Fischerei dazu.
Am Oberrhein gibt es nur noch einen Berufsfischer
In der Fischereiforschungsstelle verarbeiten die Teilnehmer nun den Fang. Zander und Barsch haben die angehenden Nebenerwerbsfischer aus dem See gezogen. Auch die Felchen werden verarbeitet. „Das Filetieren ist gar nicht so einfach“, sagt Kursteilnehmer Simon Bürkle, während er das Messer entlang der Gräten bis zur Schwanzflosse führt. „Man braucht ein wenig Übung.“
Tobias Anlicker und Tim Schillinger sind ebenfalls Kursteilnehmer. Sie stammen vom Oberrhein, aus dem Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. In beiden Familien wird schon seit Jahren Fischerei betrieben. „Schon mein Opa und mein Vater sind immer rausgefahren“, erzählt Tim Schillinger. Er sei schon als kleines Kind mit dabei gewesen. Am gesamten Oberrhein gebe es nur noch einen hauptberuflichen Fischer. „Ich möchte die Tradition erhalten und weitergeben“, sagt Tobias Anlicker.
Im Bodensee gibt es mehr Ertrag
Am Oberrhein fische man vor allem Weißfische und Raubfische, wie etwa Zander oder Hecht. Die Fischerei am Oberrhein unterscheide sich teilweise von der am Bodensee, sagen die beiden Männer. „Am Bodensee ist der Ertrag deutlich höher als bei uns“, sagt Schillinger. Außerdem sei der Rhein ein Fließgewässer, weshalb die Strömung eine größere Rolle spiele.
Später bereiten die Kursteilnehmer dann die Netze vor, die sie am Nachmittag im Bodensee auslegen werden. „Jeder von euch sollte heute ein Netz ausgelegt und eingeholt haben“, sagt Kursleiter Andreas Revermann. „Das macht ihr zu zweit. Ihr werdet ja dann später wahrscheinlich auch zu zweit auf das Wasser fahren.“
Gemeinsam entwirren die sechs Teilnehmer nun ein Netz nach dem anderen, bevor sie es in einer Wanne ablegen. Fischerei ist also auch Teamarbeit. „Ich finde es schön, dass es noch Leute gibt, die die Fischerei weiterführen wollen“, sagt Marie-Sophie Schneider. Dass es auch bei ihr in der Gegend noch einige junge Fischer gibt, das habe sie vor dem Kurs gar nicht gewusst.