Die Deutsche Bahn hätte sich für Arbeiten an der Bahnstrecke wirklich keinen besseren Zeitpunkt einfallen lassen können. Pünktlich zur ESC-Woche kommt man vom Bodensee nämlich sehr schlecht in die Stadt am Dreiländereck, besonders wenn man mit dem Deutschlandticket reisen möchte.

Statt rund anderthalb-stündiger Direktverbindung von Radolfzell oder Singen ist Schienenersatzverkehr angesagt: Erst nach Erzingen, dann mit dem Bus nach Waldshut, von dort aus geht es zum ESC nach Basel. Die schnellste Alternative fährt über Zürich, für rund 70 Euro pro Fahrt, oder über Offenburg und Freiburg. Dauer: Knapp vier Stunden. Mit dem Auto anreisen geht natürlich auch, in den Parkhäusern der Stadt sollte es ausreichend Parkmöglichkeiten geben. Die Kosten für eine Tagespauschale liegen je nach Parkhaus und Standort bei 20 bis 35 Franken, also etwa 21 bis 37 Euro.

Einen Vorteil hat das Warten auf den Ersatzbus: Man hat genug Zeit, um die Basler ESC-App genauer unter die Lupe zu nehmen, in der Stadtkarten, Informationen zu Veranstaltungskarten und Event-Programme zu finden sind.

Sind dem Schienenersatz-Leid bei der Anreise ausgesetzt: Jan, Franzi, Natan, Tom und Sarah wollen sich die Halbfinal-Show live in Basel ...
Sind dem Schienenersatz-Leid bei der Anreise ausgesetzt: Jan, Franzi, Natan, Tom und Sarah wollen sich die Halbfinal-Show live in Basel anschauen. | Bild: Marina Schölzel

Das ESC-Gefühl weht durch die Stadt

An Werbung für das internationale Großevent hat die Stadt nicht gespart: Basel will die Lust am ESC wecken und hat sich dafür nahezu in einen Eurovision-Themenpark verwandelt. Der besonderen Stimmung in der Stadt kann man kaum aus dem Weg gehen – an jeder Ecke schreit es nach ESC.

Dass der diesjährige ESC in Basel stattfindet, ist in der Stadt nicht zu übersehen. Überall hängen große und kleine Plakate, wie hier an ...
Dass der diesjährige ESC in Basel stattfindet, ist in der Stadt nicht zu übersehen. Überall hängen große und kleine Plakate, wie hier an der Messe. | Bild: Marina Schölzel

An jedem Schaufenster, in Restaurants, an Litfaßsäulen, auf den Flaggen an der Rheinbrücke, auf Straßenbahnen, an Bannern in der Fußgängerzone, überall heißt es: „United by Music“ (zu deutsch: Vereint durch Musik), das diesjährige Motto des Musik-Contests.

Selbst Mitarbeiter der Stadtreinigung sind passend zur Veranstaltung mit ESC-Outfits gekleidet, und spätestens, wenn der Karaoke-Tram mit lautstarkem Gesang seiner Insassen um die Ecke biegt, wird klar, welches internationale Großevent in der Stadt zelebriert wird.

Wo der ESC ist, muss natürlich auch gesungen werden: Im Karaoke-Tram, der durch die Stadt fährt, geht das am besten.
Wo der ESC ist, muss natürlich auch gesungen werden: Im Karaoke-Tram, der durch die Stadt fährt, geht das am besten. | Bild: Marina Schölzel

Die Stadt Basel hat für ESC-Fans drei zentrale Anlaufstellen auf die Beine gestellt: Das Eurovision-Village in der Messe, der Eurovision-Square (eigentlich Barfüsserplatz in der Altstadt) und die Eurovision-Street (Steinenvorstadt). Der Eurovision-Boulevard verbindet die Orte miteinander und startet direkt am Badischen Bahnhof.

Über diesen Boulevard lassen sich alle drei Orte gut zu Fuß erreichen. Vom Bahnhof aus sind es circa 40 Minuten über die Messe, die Clara-Straße, Rheinbrücke bis zum Eurovision-Square und der Eurovision-Street. Wer nicht laufen möchte, kann spontan in eine Straßenbahn steigen.

Eine Karte, in der die wichtigsten Orte mit Route eingezeichnet sind, gibt es unter anderem an der Tourist-Information direkt am Bahnhof. Hier bekommen Besucher auch gratis Ansichtskarten, Poster und Broschüren – natürlich im ESC-Look. Dazu gibt es in der Innenstadt verteilt immer wieder Hinweisschilder, Wegweiser und Programmübersichten. Übersehen werden kann also nichts.

Direkt am Bahnhof gibt es eine Touri-Info für ESC-Touristen. Hier werden ESC-Fans mit Ansichtskarten, Postern aber auch Stadt-Karten und ...
Direkt am Bahnhof gibt es eine Touri-Info für ESC-Touristen. Hier werden ESC-Fans mit Ansichtskarten, Postern aber auch Stadt-Karten und Programmen versorgt. | Bild: Marina Schölzel

An den drei Punkten in der Stadt finden über die ganze ESC-Woche verschiedene Veranstaltungen und Livekonzerte statt, die meisten davon kostenlos. Im Eurovision-Village tritt etwa der ehemalige Deutschland-Kandidat Michael Schulte auf, auch gibt es dort Public Viewings der ESC-Finalshows.

Wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann auch in den Genuss von spontanen Konzerten kommen. Überall in der Innen- und Altstadt sind kleine Bühnen verteilt. Auf diesen können auch Straßenkünstler ihr Talent zum Besten geben.

Im Eurovision-Village herrscht eher Volksfest-Stimmung

Das Eurovision-Village in den Basler Messehallen will der zentrale Treffpunkt für ESC-Fans aus aller Welt sein – zumindest in den Nachmittagsstunden ist davon in den Hallen aber nichts zu spüren, der große Andrang bleibt aus.

Im Eurovision Village locken Werbestände von ESC-Großsponsoren mit interaktiven Werbeaktionen. Dahinter herrscht durch verschiedene Essensstände und Bierbänke eher Volksfest-, anstatt glamouröser ESC-Stimmung. Noch weiter hinten findet sich der Eventbereich mit großer Bühne. Findet gerade keine Show statt, ist es auch hier absolut leergefegt.

Wer hungrig wird, muss viel zahlen

Im Eurovision-Villiage sind Taschen übrigens streng verboten: Wer rein möchte, muss seine Tasche in einem anderen Messegebäude abgeben. Gebühr: zwei Franken oder zwei Euro.

Der Geldbeutel sollte beim Village-Besuch aber mitgenommen werden. Denn in den Geldbeutel muss tief gegriffen werden, wenn der kleine Hunger kommt: Burger gibt‘s für 13 Franken (knapp 14 Euro), eine Scheibe Raclette-Käse mit Brot 12 Franken (knapp 13 Euro), eine kleine Portion Kaiserschmarrn mit Vanilleeis ganze 17 Franken (18 Euro), 0,4 Liter Bier gibt‘s für sieben Franken (7,45 Euro), eine Cola für fünf (5,31 Euro).

Das Eurovision-Village in der Basler Messe ist gratis: Taschen sind aber streng verboten und müssen abgegeben werden.
Das Eurovision-Village in der Basler Messe ist gratis: Taschen sind aber streng verboten und müssen abgegeben werden. | Bild: Marina Schölzel

Dass sich Essen und Getränke zum ESC-Besuch in Basel etwas kosten lassen, wird später auch beim Besuch der Eurovision-Street klar – stolze 12,50 Franken (13,31 Euro) zahlt man hier für einen Hotdog. Hinter der Eurovision-Street verbirgt sich eigentlich die Basler Feiermeile mit Bars und Restaurants – das ist eigentlich auch schon alles.

Diese Kneipenmeile hat, genauso wie der Rest der Stadt, natürlich einen ESC-Anstrich bekommen. Ein großes, gelbes Tor mit Eurovision-Inschrift begründet den Eingang der Eurovision-Street, Straßensperrungen sollen für Sicherheit sorgen. Aus den Lautsprechern und Restaurants erklingen alte ESC-Lieder, Flaggen und festliche Dekoration soll für die passende Stimmung sorgen. Am Nachmittag ist es hier jedoch mindestens genauso leer, wie auf dem nahegelegenen Eurovision Square. Dort sollen zu unterschiedlichen Zeiten Auftritte des Basler Sinfonieorchesters oder Beizenchors und anderen Darbietungen wie Karaoke- oder Tanzshows stattfinden.

Die Eurovision-Street im Basler Stadtteil Steinenvorstadt gilt als Essens- und Partymeile. Straßenpoller sorgen für Sicherheit.
Die Eurovision-Street im Basler Stadtteil Steinenvorstadt gilt als Essens- und Partymeile. Straßenpoller sorgen für Sicherheit. | Bild: Marina Schölzel

Dass Basel vor internationaler Energie zur ESC-Woche aber förmlich sprüht, merkt man an den Fans auf den Straßen: Fans aus Island treffen auf Fans aus England, Fans aus Kroatien mischen sich unter Fans aus Frankreich und Belgien. Hier kommt man schnell ins Gespräch und das sorgt für gute Stimmung. Die Feierlaune, die Lust auf das Musikevent ist spürbar.

Bild 7: Ohne Ticket in die ESC-Stadt Basel: So ist der Besuch in der ESC-Woche wirklich
Bild: Marina Schölzel
Bild 8: Ohne Ticket in die ESC-Stadt Basel: So ist der Besuch in der ESC-Woche wirklich
Bild: Marina Schölzel

Aber was sagen eigentlich Schweizer dazu, dass der ESC in „ihrem Land“ stattfindet? Lohnt sich der Besuch in Basel?

Sara Keller und Sandra Bickel kommen aus Zürich, im vergangenen Jahr waren sie bereits in Malmö dabei. Gerade erst haben sie den Sänger Gjon‘s Tears (bürgerlich Gjon Muharremaj) miterlebt, der 2021 für die Schweiz den dritten Platz geholt hat. Vor einem kleinen Publikum hat er spontan am Stand des Schweizer Radiosenders vor der Messehalle zwei Lieder präsentiert, Sara Keller und Sandra Bickel sind noch ganz begeistert.

Bombastische Stimmung, sagen Fans

„Die Stimmung hier ist bombastisch“, sagen sie, „es ist einfach absolut toll, den ESC im eigenen Land zu haben.“

In Basel gebe es überall etwas zu sehen: „Man kann einfach kommen und in der Stadt gibt es gratis Konzerte“, schwärmen sie. Sara Keller und Sandra Bickel sind sich einig: Basel zum ESC? Lohnt sich.

Für ESC-Fans hat die Stadt Basel einiges auf die Beine gestellt. Durch Wegweiser verläuft man sich nicht.
Für ESC-Fans hat die Stadt Basel einiges auf die Beine gestellt. Durch Wegweiser verläuft man sich nicht. | Bild: Marina Schölzel

Das sagt auch Julia Meola. Die 46-Jährige kommt aus Rheinfelden, ist eingefleischter ESC-Fan. „Ich bin keine Partymaus“, sagt sie, „aber wenn der ESC kommt, bin ich im Ausnahmezustand.“

Dass der ESC nun in Basel stattfindet, sei für sie unglaublich, sagt sie und ist vom Konzept überzeugt: „Basel macht das als Austragungsort super, das Village wirkt sehr durchdacht. Es ist einfach eine wunderbare Atmosphäre.“

Wer sich von dieser Atmosphäre selbst überzeugen will, kann das noch bis Samstagnacht tun. Dann sollte man sich auf das Gebotene aber auch hundertprozentig einlassen und zumindest eine der Liveshows besuchen. Vor allem in den Abendstunden füllt sich Basel und auf den Bühnen der Stadt ist mehr geboten.

Für denjenigen, dem das nicht zusagt und der sich nicht in Basel vom ESC-Fieber anstecken lassen möchte, lohnt sich auch ein Städtetrip nach Basel zu jeder anderen Zeit. Wer sich von teurem Essen und schlechter Bahnverbindung nicht abschrecken lässt, erlebt derzeit aber immerhin eine Stadt im Ausnahmezustand.