
Die Pressekonferenz im Polizeipräsidium beginnt am Montag mit einem Warnhinweis: Die folgenden Zahlen sind kein reales Abbild der Kriminalität. Mit der Statistik mache die Polizei ihre Arbeit transparent, erklärte Interims-Präsident Uwe Stürmer, bevor er die Zahlen für 2024 vorstellt.
Die objektive Sicherheitslage sei besser als die gefühlte. Denn auf den ersten Blick hat sich nicht viel getan: Die Zahl der registrierten Straftaten ist minimal gesunken, auf 35.119. Das sind noch immer vier Straftaten pro Stunde, die Polizei kläre aber die meisten Straftaten (68,1 Prozent) auf.
Sieht man sich die 62 Seiten genauer an, offenbaren sich dennoch bedenkliche Entwicklungen: Zwar gab es mit 194 Messerangriffen sogar 28 Attacken dieser Art weniger als im Vorjahr, aber die Rohheitsdelikte (alle Köperverletzungen und die Straftaten gegen die persönliche Freiheit) nehmen erneut zu. Die Hemmschwellen sinken. Und das schon früh.
Die Polizei muss auch am Bodensee und im Schwarzwald immer öfter wegen Kindern und Jugendlichen ausrücken; seit 2020 gehen die Zahlen von tatverdächtigen Kindern nach oben: 731 Personben bis 14 Jahren waren es 2024, das sind 44 mehr als im Vorjahr.
Sie begehen vorwiegend Diebstähle, aber auch immer mehr Körperverletzungen und Diebstähle sind darunter. Sowie ein versuchtes Tötungsdelikt, als ein Kind ein anderes vor ein Auto in Spaichingen schubste. Das ging aber noch glimpflich aus.
Woher diese Entwicklung, die es landesweit gibt, kommt, kann auch Polizeipräsident Stürmer nur vermuten. Er sieht einen Zusammenhang mit den Spätfolgen der Corona-Pandemie, Preissteigerungen und knappere finanzielle Mittel der Eltern sind.
Stürmer: „Auch wenn es nicht sicher belegbar ist, so scheint es doch naheliegend zu sein, dass diese negative Entwicklung mit auch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, zumal die Zahl der Tatverdächtigen Kinder in dem Fünfjahreszeitraum zuvor relativ konstant war.“
Umso wichtiger sei es, neben der Strafverfolgung vor allem auf Prävention zu setzen – bevor aus Kindern spätere „Dauerkundschaft“ wird. Er nehme allerdings auch wahr, dass die Erziehungskraft nachgelassen habe, Eltern seien immer öfter nicht in der Lage, Grenzen zu setzen.
Auch im digitalen Raum seien sie auf sich gestellt. „Jugendschutz findet in den Medien nicht im Ansatz statt.“ Sexuelle Ausbeutung sei nie so einfach wie heute gewesen.
Das zeigt sich deutlich in der Statistik. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben ein Fünf-Jahreshoch erreicht und sich fast verdoppelt. 2024 zählte man 1057 Fälle, ein Plus von 29,7 Prozent. Vor allem stieg die Zahl der Ermittlungen wegen Kinderpornografie.
Der Anstieg erklärt sich durch verstärkte Hinweise des US-amerikanischen National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) an das Bundeskriminalamt (BKA). NCMEC erhält Meldungen zu Missbrauchsdarstellungen von US-Technologieunternehmen wie Meta und Google, analysiert diese und leitet relevante Fälle mit Deutschland-Bezug gesammelt an das BKA weiter, das daraufhin Strafanzeigen einleitet.
Die Aufklärungsquote sei hoch, der Ermittlungsaufwand aber groß. Stürmer: „Wenn es die Nachfrage nicht gebe, würden Kinder nicht fortlaufend zu Opfern werden.“
Obwohl „Straftaten gegen das Leben“ nur einen winzigen Anteil aller Delikte ausmachen, entfalten sie die größte Signalwirkung. Im Jahr 2024 registriert das Präsidium Konstanz 21 Fälle – darunter vier Morde, 15 Totschlagsdelikte und zwei Fälle von fahrlässiger Tötung. 2023 waren es zwei Fälle weniger.
Simon Bihl, kommissarischer Leiter der Kriminalpolizeidirektion, verweist aber darauf, dass man damit noch immer leicht unter dem Fünf-Jahresmittelwert liege. Zwar kennen sich Opfer und Täter meist gut, es habe aber keine Häufung von Femiziden (Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist) gegeben.

Dennoch gab es im vergangenen Jahr mehr Opfer häuslicher Gewalt – zumindest in den nackten Zahlen. 1046 Personen wurden Opfer ihres Partners, vier mehr als 2023. Dreiviertel davon sind Frauen. „Ich finde diese Steigerung gut“, sagt der Polizeipräsident. Er meint damit, dass der Anstieg – ebenso wie der bei sexuellen Belästigungen – auf eine vermehrte Anzeigebereitschaft zurückführen sei.
All die Aufklärungskampagnen sorgten nun für eine Aufhellung des Dunkelfelds hinter den Haustüren. Stürmer spricht sich zudem für die Einführung der Fußfessel für gewalttätige Partner aus, so wie es in Spanien bereits der Fall sei. Dies sei bereits in Vorbereitung. Denn diese Schutzlücke gelte es zu schließen. Die Technologie warnt Betroffene, wenn sich der Täter nähert.
Diese Straftat anzuzeigen und Gewalt öffentlich zu machen, sei schambehaftet. Stürmer betont, dass die Trendumkehr hier fortgesetzt werden müssen – auch im Hinblick auf die Kinder: Wenn Kinder früh daheim Gewalt erleben und, tragen sie es Jahre später auf die Straße.