„Ich weiß, wie das ist, wenn man nicht genügend Geld zur Verfügung hat“, sagt Gerd Springe. Er ist 89 Jahre alt und studierter Physiker. Seine Studienzeit ist schon lange her, aber er kann sich noch gut erinnern: „Meine Studienzeit war eine karge Zeit. Ich konnte mir die Mensa nicht leisten.“

Springe finanzierte sich sein Studium selbst. Weil er weiß, dass das nicht einfach ist, bringt sich Springe nun für andere Studierende ein: Springe ist Förderer des Deutschlandstipendiums an der Universität Konstanz. Das Programm wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeführt.

Stipendiaten erhalten 3600 Euro pro Jahr – zur Hälfte vom Bund, zur anderen Hälfte von Unternehmen, Organisationen und privaten Förderern.

„Viele würden durchs Raster fallen“

Seit dem Wintersemester 2011 gibt es das Stipendium an der Universität Konstanz. Im Schnitt werden jedes Jahr etwas mehr als 60 Studierende gefördert, sagt Silvia Burkhardt, die an der Uni für das Programm zuständig ist.

„Das Programm unterstützt leistungsstarke Studierende, die sich außerdem ehrenamtlich engagieren“, sagt Burkhardt. „Viele von ihnen würden durchs Raster fallen.“ Denn anders als etwa beim Bafög wird beim Deutschlandstipendium auch ein Zweitstudium unterstützt.

Silvia Burkhardt, Verantwortliche der Universität Konstanz für das Deutschlandstipendium.
Silvia Burkhardt, Verantwortliche der Universität Konstanz für das Deutschlandstipendium. | Bild: Nathalie Metzel

Das Stipendium helfe Personen, die persönliche Hürden überwinden müssten: „Dazu gehören etwa Krankheiten, die Pflege von Angehörigen, die Betreuung von Kindern oder auch die Tatsache, aus einem bildungsfernen Haushalt zu stammen“, sagt Silvia Burkhardt.

Ehrenamtliches Engagement spielt große Rolle

Das ehrenamtliche Engagement der Studierenden spielt eine wichtige Rolle – und es ist vielfältig: Laut Silvia Burkhardt engagieren sich die Studierenden etwa im Gemeinderat, bei Umweltorganisationen oder bei Initiativen wie Knastkontakte. Dort gehen Studierende mit Haftinsassen in den Austausch.

Gerd Springe ist einer von zwölf privaten Förderern. 150 Euro im Monat gibt er dafür aus. Schon von Anfang an, also seit 2011, ist Gerd Springe dabei.

Potenzial muss ausgeschöpft werden

Für sein Engagement nennt Springe einige Gründe: Neben der Erinnerung an seine eigene Studienzeit ist ihm das soziale Engagement wichtig. „Beim Ehrenamt kann man zusammen mit Gleichgesinnten etwas Nützliches tun“, sagt Gerd Springe. „Über das Engagement der Studierenden kann ich selbst dazu beitragen, an unterschiedlichen Stellen zu helfen.“

Gerd Springe im Gespräch mit einer Stipendiatin, die er im Vorjahr gefördert hat.
Gerd Springe im Gespräch mit einer Stipendiatin, die er im Vorjahr gefördert hat. | Bild: Milena Schilling/Universität Konstanz

Außerdem hat sich Gerd Springe für eine Zweckbindung entschieden: Es sollen vor allem Frauen gefördert werden, die ein naturwissenschaftliches Fach studieren. In Springes Physik-Studium habe es einen Frauenanteil von nicht einmal zehn Prozent gegeben.

„Später im Berufsleben habe ich erlebt, wie erfolgreich Frauen sein können. Wir können es uns nicht leisten, dieses Potenzial nicht auszuschöpfen“, sagt Gerd Springe. Er möchte dazu beitragen, mehr Frauen in Bereiche wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu bringen.

Sie möchte Meteorologin werden

Ab dem nun startenden Sommersemester gehört eine weitere junge Frau zu Springes Stipendiatinnen: Charlotte Heinzelmann ist 21 Jahre alt und studiert im vierten Semester Mathematik an der Uni Konstanz.

Charlotte Heinzelmann
Charlotte Heinzelmann | Bild: Nathalie Metzel

Sie kann sich vorstellen, später einmal als Meteorologin zu arbeiten: Bei Wetterdiensten messen Meteorologen verschiedene Daten und berechnen daraus die Wettervorhersage. Das sei nicht der klassische Beruf für Mathematiker. „Aber ich habe das Gefühl, etwas Kleines verändern zu können. Es ist eine sinnvolle Aufgabe“, sagt Charlotte Heinzelmann.

Klimakrise ist für sie die größte Herausforderung

Ehrenamtlich engagiert sie sich bei Fridays for Future – früher in ihrer Heimatstadt Winnenden in einer Ortsgruppe, heute in der Hochschulgruppe Students for Future. „Die Klimakrise ist in meinen Augen unsere größte Herausforderung, denn sie löst andere Krisen aus: Zum Beispiel die Verbreitung tropischer Krankheiten oder Migrationsströme“, sagt Charlotte Heinzelmann.

Über die Unterstützung durch das Deutschlandstipendium ist Charlotte Heinzelmann dankbar: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich das Stipendium bekommen darf.“ Die teuren Lebenshaltungskosten in Konstanz machen sich allerdings bemerkbar: „Die 300 Euro decken die Hälfte meiner Miete ab“, sagt Heinzelmann.

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Persönliches Treffen bringt Perspektivwechsel

Gerd Springe und Charlotte Heinzelmann haben sich auch schon persönlich kennengelernt – im vergangenen Herbst, als die neuen Stipendiaten ihre Urkunde erhielten. „Das ist jedes Mal ein schönes Erlebnis“, sagt Gerd Springe. Er selbst nimmt von den Treffen auch etwas mit: „Die Studentinnen sind sehr unkompliziert, direkt und fröhlich.“ Springe bietet den Stipendiatinnen stets an, sich bei Fragen an ihn zu wenden.

Charlotte Heinzelmann hat sich über das Treffen ebenfalls gefreut: „Vorher kannte ich ja nur den Namen und wusste nicht, wer dahinter steckt.“ Das Stipendium sei dadurch nun viel persönlicher. Zudem sei der Perspektivwechsel spannend: „Ich bin ja umgeben von Studierenden, die alle in der gleichen Situation sind. Sein Berufsleben liegt schon hinter ihm.“

Von Springes Motivation, Frauen in den Naturwissenschaften zu fördern, erfuhr Charlotte Heinzelmann erst beim persönlichen Treffen. „Das war richtig schön zu hören. Ich habe manchmal das Gefühl, es wird noch nicht genug getan“, sagt sie. Im Mathestudium gebe es sehr wenige weibliche Professorinnen – und somit weniger Vorbilder.