Der 13. Januar 2021 fällt nicht auf einen Freitag, es war ein Mittwoch. Ein Unglückstag ist er für Schweizer Wirte trotzdem. Ihre Regierung hat beschlossen: Restaurants und Bars bleiben landesweit bis Ende Februar geschlossen. Sie dürfen wie in Deutschland, wo der Lockdown vorerst bis Mitte Februar gilt, lediglich liefern. Zum Glück im Unglück wurde der Tag für die Schweizer Gastronomen, weil ihre Regierung parallel den Zugang zu finanziellen Hilfen lockerte.

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„Ein Unglückstag? Was sollen wir da sagen?“, mögen Gastronomen aus Deutschland entgegnen. Schließlich mussten sie ihre Restaurants bereits ab 2. November 2020 schließen. In der Schweiz blieben sie sieben weitere Wochen bis vor Weihnachten offen, noch bis 9. Januar durften die Kantone sogar Ausnahmeregelungen treffen.

Ende November in Bern: Während in Deutschland die Gastronomie bereits wieder geschlossen hatte, saßen in der Schweizer Hauptstadt noch ...
Ende November in Bern: Während in Deutschland die Gastronomie bereits wieder geschlossen hatte, saßen in der Schweizer Hauptstadt noch zahlreiche Menschen auf den Terrassen der Restaurants. | Bild: Peter Klaunzer

Finanziellen Hilfen in der Schweiz

Warum also hadert Casimir Platzer, Präsident des größten Gastronomieverbandes Gastro-Suisse, trotzdem so beharrlich mit seiner Regierung? Der SÜDKURIER hat beim obersten Schweizer Gastronom nachgefragt.

Casimir Platzer ist Präsident des Schweizer Gastronomie-Verbandes Gastro-Suisse und geht gegenüber dem SÜDKURIER hart mit der Schweizer ...
Casimir Platzer ist Präsident des Schweizer Gastronomie-Verbandes Gastro-Suisse und geht gegenüber dem SÜDKURIER hart mit der Schweizer Bundesregierung ins Gericht. | Bild: Rebecca Bowring

Herr Platzer, was bedeutet es für Ihre Branche, dass Ihre Regierung die landesweite Schließung der Gastronomie bis Ende Februar angeordnet hat – ohne Ausnahme für einzelne Kantone mit niedrigen Infektionszahlen?

Casimir Platz: Für das Gastgewerbe ist der erneute Lockdown eine große Herausforderung. Nach wie vor ist die Situation im Gastgewerbe alarmierend. Für unsere Branche bedeutet das weitere sechs Wochen Berufsverbot. Und dies in einer Zeit, die für viele Betriebe Hochsaison ist. Entscheidend ist nun, wie schnell die Härtefallgelder ausbezahlt werden. Die Auszahlung ist immer noch Sache der Kantone. Es wurde aber erkannt, dass 2,5 Milliarden Franken (2,32 Milliarden Euro) nicht ausreichen. Es ist noch nicht absehbar, wie viele Betriebe vor dem Untergang gerettet werden und ob eine dritte Kündigungswelle verhindert werden kann.

„Das ist ein Tod auf Raten“

Wie bewerten Sie die Corona-Politik Ihrer Regierung? War es nicht ein Vorteil, dass – anders als in Deutschland – Restaurants in der Schweiz zunächst noch tagsüber offen blieben durften?

Casimir Platzer: Die Politik des Bundesrats ist nur schwer nachvollziehbar. Das hat uns das Genick gebrochen, das ist ein Tod auf Raten. Ein Lockdown wäre uns in dieser Situation damals lieber gewesen, aber offensichtlich wollte der Bundesrat die finanziellen Kosten eines Lockdowns nicht übernehmen. Die Gäste blieben aufgrund der Home-Office-Empfehlung aus. Mit der Sperrstunde um 19 Uhr fehlten am Abend die Gäste. Das heißt, mit dieser Maßnahme blieben noch mehr Menschen den Restaurants fern.

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Warum hat die Regierung auf Bundesebene keine wirtschaftliche Unterstützung für Restaurants, Cafés oder Bars bereitgestellt?

Casimir Platzer: Das hätten wir auch gerne gewusst. Denn für uns ist klar, dass der Bundesrat für den Schaden aufkommen muss, den er angerichtet hat.

Etliche Gastronomen und Angestellte der Branche hatten ihrem Ärger über ausbleibende Entschädigungen Luft gemacht. In mehreren Schweizer Städten gingen sie schon vor Weihnachten für Demonstrationen auf die Straße, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Kurz vor Weihnachten 2020: In Luzern demonstrieren Gastronomen gegen die Schließung der Restaurants und für eine gerechtfertigte ...
Kurz vor Weihnachten 2020: In Luzern demonstrieren Gastronomen gegen die Schließung der Restaurants und für eine gerechtfertigte finanzielle Entschädigung für Ausfälle während der Coronapandemie. | Bild: Urs Flueeler

Nach dem Jahreswechsel spitzte sich die Situation weiter zu. Eine der Folgen: Über das Internet organisierte sich eine anonyme Gruppe, die unter dem Schlagwort #WirMachenAuf zu zivilem Ungehorsam aufrief. Auch in Deutschland kursierte die Aktion, mit der Betreiber geschlossener Geschäfte oder Restaurants dazu bewegt werden sollen, ihre Türen entgegen der gesetzlichen Vorgaben zu öffnen.

Der 13. Januar 2021 in Pully in der Nähe von Lausanne: Gastronomen stellten als symbolischen Protest Kreuze vor einem Restaurant auf, um ...
Der 13. Januar 2021 in Pully in der Nähe von Lausanne: Gastronomen stellten als symbolischen Protest Kreuze vor einem Restaurant auf, um auf die fehlenden Hilfen seitens der Schweizer Regierung aufmerksam zu machen. Zuvor vermeldeten Arbeitnehmerverbände der Branche, dass fast die Hälfte der Schweizer Restaurants und Hotels das finanzielle Aus drohe. | Bild: FABRICE COFFRINI

Der Schweizer Gastronomieverband um Casimir Platzer distanziert sich von der Aktion und seinen Urhebern. „Gastro-Suisse hat mit dieser Aktion nichts zu tun und weiß auch nicht, wer dahinter steckt“, heißt es in einer Mitteilung. Bei aller Kritik an der Corona-Politik der Regierung „ist für den Branchenverband klar, dass man sich an die von Bund und Kantonen verordneten Maßnahmen halten soll“.

Gastro-Präsident Platzer: Hilfen wie in Deutschland wünschenswert

Herr Platzer, hier in Deutschland gibt es im Lockdown bereits länger Wirtschaftshilfen für das Gastgewerbe, etwa die November- und Dezemberhilfe. Jammern deutsche Gastronomen auf hohem Niveau?

Casimir Platzer: Das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn unsere Regierung dieselbe Hilfe versprochen hätte wie jene in Deutschland, dann würde unsere Branche nicht so sehr unter den getroffenen Maßnahmen leiden.

Zeitweise haben Schweizer Restaurants entlang der Grenze davon profitiert, dass ihre Kollegen in Deutschland schon schließen mussten. Etliche Deutsche gingen über die Grenze zum Essen, was sonst eher andersherum der Fall ist. War das eine Wirtschaftshilfe durch Gäste aus Deutschland?

Casimir Platzer: Das lässt sich nicht beziffern. Ich bezweifle aber, dass wir davon profitiert haben – wenn dann nur einzelne Betriebe und dies auch nur für eine kurze Zeit. Denn die Krise wird auch in der Schweiz auf dem Rücken des Gastgewerbes ausgetragen.

Eine Abschlussfrage, ganz frei vom Thema Corona: Warum zahlt man in der Schweiz fürs Zürcher Geschnetzelte oder ein Bier eigentlich so viel mehr als in Deutschland?

Casimir Platzer: Wir haben eine ganz andere Kostenstruktur als unsere Kollegen in Deutschland. Löhne, Infrastruktur-, Investitions- und auch die übrigen Betriebskosten, aber auch die Warenkosten sind in der Schweiz um ein Vielfaches höher als bei ihnen. Ein weiterer Grund sind auch ungerechtfertigte Schweiz-Zuschläge, die von uns zum Teil von ausländischen Unternehmern verlangt werden. Das gefährdet die Konkurrenzfähigkeit hiesiger Gewerbebetriebe – eben auch jener des Gastgewerbes, was sich auf die Preise auswirkt. Mit der Fair-Preis-Initiative kämpfen wir gegen diese überhöhten Importpreise.

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