Die Lage im Hotel- und Gastronomie-Sektor ist nach zweieinhalb Monaten Lockdown längst an der Grenze des Zumutbaren angelangt. Das zeigt nicht zuletzt ein Stimmungsbild, das der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) bei seinen Mitgliedern erhoben hat. Wie Hoteliers und Gastronomen mit den Herausforderungen und Unwägbarkeiten der aktuellen Krise klarkommen, und welche Erwartungen sie haben, darüber haben wir mit drei Bad Säckinger Experten gesprochen: Dem Sterne-Koch Raimar Pilz, dem Hotelier Christian Herzog und dem Barbetreiber Angelo De Rosa. Was sie schildern, können Sie hier nachlesen.
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER gibt Alexander Hangleiter, Geschäftsführer für den Dehoga-Bezirk Freiburg, dem auch die Landkreise Waldshut und Lörrach angehören, Einblicke, welche Sorgen die Betriebe in der Region derzeit umtreiben und wie es weitergehen könnte.
Wie ist die Stimmung bei Wirten und Hoteliers?
Zwischenzeitlich seien viele Betriebe am Verzweifeln und es herrsche auch vielerorts einfach Frust. Das habe laut Hangleiter aber nicht so sehr mit den Corona-Maßnahmen zu tun, als mit der Tatsache, dass zwar großzügige Hilfsmittel versprochen wurden. Bislang sei aber entweder gar nichts oder nur Abschlagszahlungen geflossen. Das gelte insbesondere für die November- und Dezemberhilfen. „Wenn man bedenkt, dass es kein Weihnachtsgeschäft gegeben hat und auch das Fasnachtsgeschäft voraussichtlich nicht stattfinden wird, ist das absolut verheerend.“
Denn viele Wirte und Hoteliers werden von ihren fortlaufenden Kosten beinahe erdrückt. Längst hätten zahlreiche Gastronomen ihre Altersvorsorge angegriffen, Wohneigentum verkauft oder Kredite aufgenommen, um über die Runden zu kommen: „Es gibt genügend Betriebe, denen das Wasser bis zum Hals steht.“
Abgesehen davon sorge auch der Umstand für Unmut, dass die Anforderungen, die erfüllt werden müssten, um überhaupt noch für Förderprogramme zugelassen zu werden, immer höher geschraubt werden. Auch eine Veränderung der Basis zeichne sich ab, auf der Hilfsmittel gewährt werden: „Wurden bislang die Umsätze der jeweiligen Vorjahresmonate zugrunde gelegt, geht es bei der Überbrückungshilfe III nur noch um die Fixkosten“, so Hangleiter.
Wie stark wurden die Betriebe von den Beschränkungen des vergangenen Jahres betroffen?
Eine aktuelle Umfrage bei Betrieben in Baden-Württemberg zeigte, dass die Umsätze um durchschnittlich 50 Prozent eingebrochen sind. Die Gesamtverluste im Land Baden-Württemberg belaufen sich auf 5,2 Milliarden Euro. Dagegen haben Wirte und Hoteliers Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro angehäuft – nicht zuletzt für bauliche Maßnahmen, die zur Erfüllung der Corona-Auflagen notwendig wurden.
„Allerdings leiden die Unternehmen unterschiedlich stark“, so Hangleiter. Besonders hart treffe es seit Monaten städtische Beherberger, denn nicht nur habe der internationale Tourismus 2020 kaum stattgefunden, auch Bustouristen seien allenfalls in geringer Zahl aufgetaucht und Firmenevents wurden häufig komplett gesttrichen. Dagegen hätten Tourismusbetriebe ein so hervorragendes Sommergeschäft erlebt, wie seit Jahren nicht. „Das hat die Lage für viele Betriebe erheblich verbessert und auch dafür gesorgt, dass sie den Lockdown zum Jahresende bisher einigermaßen wegstecken konnten.“

Aber den meisten Gastronomen gehe es inzwischen auch psychisch an die Nieren, dass sie nicht öffnen dürften. Auch Alternativ-Angebote oder Take-Away-Services seien nur ein geringfügiger Ersatz für das echte Gastro-Geschäft: „Viele machen das nur, um zu zeigen, dass sie noch da sind, oder um ihre Mitarbeiter zu beschäftigen – nicht weil es lukrativ ist“, so Hangleiter
Muss mit einem Gaststättensterben gerechnet werden?
Laut einer bundesweiten Umfrage des Dehoga unter 12.000 Mitgliedsbetrieben, rechnen 27 Prozent mit einer Betriebsschließung in den nächsten Monaten. Insider gehen sogar noch von einem viel krasseren Kahlschlag in der Branche aus. „Das Hauptproblem ist für viele, dass finanzielle Forderungen und Kosten gestundet sind. Deswegen sind sie aber noch nicht weg.“
Auch Hangleiter ist sicher, dass es in der Region etliche Betriebe kosten wird: „Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Entweder gehen Wirte früher in den Ruhestand oder Betriebe machen nach dem Lockdown einfach nicht mehr auf.“ Nur in den wenigsten Fällen rechnet der Verband dagegen mit Insolvenzverfahren – einfach weil viele Lokale so klein seien, dass es kaum nennenswerte Vermögenswerte gebe.
Welche Konsequenzen hätte ein großflächiger Wegfall von Betrieben?
Auch ohne den großen Knall: Die Hotel- und Gaststättenbranche in Baden-Württemberg ist ein wichtiger Wirtschaftszweig mit mehreren zehntausend Beschäftigten. Nicht nur summieren sich selbst bei der Schließung kleiner Restaurants die Zahl der Arbeitslosen.
Schon jetzt verlassen viele Arbeitskräfte die Gastronomie und wechseln in andere Branchen: „Wir gehen davon aus, dass inzwischen 30 Prozent der Mitarbeiter etwas anderes gesucht haben.“ Das wird spätestens dann erhebliche Lücken aufreißen, wenn der Betrieb in der Branche wieder hochgefahren werden soll.
Es wäre auch gerade für den Tourismus im Land eine Katastrophe: „Viele Gemeinden leben nicht zuletzt von Tagestouristen, insbesondere aus der Schweiz. Die kommen natürlich nicht mehr in so großer Zahl, wenn es keine Gaststätten mehr gibt.“ Die komplette Tourismus-Infrastruktur stehe also auf dem Spiel.
Wann ist mit einem Ende des Lockdowns zu rechnen?
An dieser Gretchenfrage scheiden sich die Geister, zumal sie vom Infektionsgeschehen und damit dem Erfolg der bisherigen Maßnahmen abhängen. Absehbar ist für die meisten, dass die Schließungen sich auf jeden Fall in den Februar hineinziehen werden. Pessimistischere Beurteilungen gehen sogar von einem Lockdown bis Ostern aus.
„Wir rechnen nicht vor Mitte oder Ende Februar mit einer Wiedereröffnung der Gastronomie„, konstatiert Alexander Hangleiter die Sicht des Dehoga. Zugleich hoffen die zuständigen Stellen, dass entsprechende Entscheidungen rechtzeitig bekannt gegeben werden, damit die Betriebe rechtzeitig reagieren können: „So einen Hotelbetrieb, der monatelang stillgelegt war, kann man nicht von heute auf morgen wieder hochfahren.“