Hinweis: Die Gespräche wurden vor dem Beschluss des ab 11. Januar erlaubten Click-and-Collect-Systems, also dem Vorbestellen und Abholen von Waren in den Geschäften, geführt.

Auch wenn bisher bei Gastronomen und Hoteliers nur ein Bruchteil der angekündigten Hilfen der Bundesregierung eingegangen sind, steht doch zumindest das Versprechen, bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus den Vorjahresmonaten zu erhalten. Anders sieht das bei den Einzelhändlern aus, denen aufgrund des zweiten Lockdowns zwar auch Hilfen versprochen wurde, diese aber deutlich geringer ausfallen sollen als bei Gastronomie und Hotellerie. Auch der Einzelhandel im Kreis Waldshut steht mit vollen Warenlagern massiv unter Druck.

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Gerade Sportfachgeschäfte wie der Betrieb Schertle Schmidt Sport in Waldshut-Tiengen, die ihren Hauptumsatz in den Wintermonaten generieren, stehen nun vor einer wirtschaftlich prekären Situation. Mitinhaber Oliver Rehm: „Uns fällt nicht nur der Hauptumsatz weg, sondern wir bleiben auch auf unserer Ware sitzen, die im Sportbereich nicht auf Kommission gekauft wird.“ Rehm weiter: „In der nächsten Saison ändern sich Farben und Modelle, weshalb wir einen Großteil unserer Ware nicht mehr zum regulären Preis verkaufen können. Unsere Liquidität bricht ein und damit ist unsere Existenz – aber natürlich auch die von Kollegen im Einzelhandel – massiv bedroht. Mit jeder Woche, die wir schließen müssen, geht es jetzt ums Überleben.“

Seit dem zweiten Lockdown ist es ruhig in der Tiengener Innenstadt geworden. Kaum ein Passant war am Freitagmorgen in der Fußgängerzone ...
Seit dem zweiten Lockdown ist es ruhig in der Tiengener Innenstadt geworden. Kaum ein Passant war am Freitagmorgen in der Fußgängerzone zu sehen. | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Auch bei Gitta Wehrle-Maier, Inhaberin des Sporthouse in Waldshut, sieht die Situation ähnlich aus: „Wir Händler haben nicht nur das Problem, dass wir auf der Ware vom Winter sitzen bleiben, sondern zudem auch auf der Ware vom Frühjahr durch den ersten Lockdown. Durch einen Sale verlieren wir die Margen. Das Geld fehlt, um neue Ware einzukaufen. Hinzu kommt, dass wir viele Sportartikel erst ab einer bestimmten Menge beim Lieferanten einkaufen können. Wenn wir aber keinen Platz aufgrund der nicht verkauften Ware haben, macht es das für uns noch schwieriger.“ Gitta Wehrle-Maier weiter: „Hinzu kommt, dass wir ja nicht wissen, wie es jetzt weiter geht. Trotz Impfungen kann man nicht abschätzen, ob es nicht vielleicht doch noch zu einem weiteren Lockdown im Laufe des Jahres kommen kann.“

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Auch im Modehaus Banholzer in Lauchringen sind die Lager voll, die Umsätze fehlen und die Bestellung für die nächste Winterware muss in den kommenden Wochen erfolgen. Inhaber Derk Ischen: „Wir haben hier noch Ware liegen, die bezahlt werden muss, obwohl wir keine Umsätze generieren können. Für uns ist es die zweite Saison, die teilweise ausfällt. Hinzu kommt, dass uns der Cashflow fehlt, um neue Ware zu bezahlen. Schon jetzt ist bei uns absehbar, dass wir 30 bis 35 Prozent weniger Winterware bestellen werden.“

Eingebrochen sind im Modehaus Banholzer vor allem drei Bereiche: „Bei der Anlassbekleidung – weil ja kaum Feste im vergangenen Jahr stattgefunden haben – und dem Business-Bereich liegen die Rückgänge bei 70 bis 75 Prozent, aber auch der Best-Agers-Bereich ist stark zurückgegangen, weil Risikogruppen einfach weniger einkaufen gehen“, sagt Ischen.

Zwar habe sich das Modehaus Banholzer einem Internet-Portal angeschlossen, um seine Mode per Mausklick verkaufen zu können, aber das mache nur zehn bis 15 Prozent des sonst üblichen Umsatzes aus. „Unsere vier Auszubildenden kümmern sich jetzt um den Online-Handel, stellen Pakete zusammen und verschicken sie“, erklärt Ischen. „Natürlich nutzen unsere Stammkunden Video-Call für ihre Auswahl, aber das ist eben nur ein Bruchteil.“

Hoffnung hat sich Derk Ischen, dass der Einzelhandel vielleicht doch im Februar öffnen darf. „Dann könnten wir unsere Winterware noch zum Teil verkaufen, wenn auch nur noch mit hohen Rabatten. Ende Februar ist die Saison dann komplett vorbei. Einen Räumungsverkauf werden wir nicht veranstalten, weil wir in Corona-Zeiten nicht Massen ins Geschäft locken wollen, schließlich haben wir ja auch eine soziale Verantwortung zu tragen.“ Wie auch bei Gastronomen und Hoteliers habe Derk Ischen bisher nur wenige Staatshilfen erhalten. „Das ist bei einem so hohen Umsatzverlust nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Auch Daniel Kistner von der May-Gruppe mit den Standorten in Waldshut, Laufenburg und Bad Säckingen sieht große Probleme für den Einzelhandel. „Die sicher notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie führen zu einer prekären Situation im Mode- und Sporteinzelhandel und trifft alle gleichermaßen. In der Regel werden Waren nicht auf Kommission eingekauft. Nur in einem sehr geringen Umfang ist es dem Handel möglich, bereits eingekaufte Waren an den Lieferanten zurückzuschicken. Dies löst das Problem des Marktes aber keineswegs. Ob Waren in den Lagern der Einzelhändler oder bei den Herstellern liegen, ist zweitrangig. Die Waren wurden aufgrund von Bestellungen des Einzelhandels produziert und können nun nicht verkauft werden.“

Mindestens bis zum 31. Januar müssen die Einzelhändler wie das Modehaus May in der Waldshuter Innenstadt ihre Geschäfte geschlossen lassen.
Mindestens bis zum 31. Januar müssen die Einzelhändler wie das Modehaus May in der Waldshuter Innenstadt ihre Geschäfte geschlossen lassen. | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Daniel Kistner weiter: „Durch flexibles und umsichtiges Verhalten unserer Abteilungsleitungen haben wir bereits im Frühjahr und Sommer alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Wareneinkäufe für die aktuelle Wintersaison sowie bereits für Frühjahr/Sommer 2021 an die derzeitige Situation anzupassen. Wir mussten und haben damit gerechnet, dass es in den Wintermonaten zu weiteren Einschränkungen kommen wird. Von einem, gerade in diesem Jahr, so notwendigen Weihnachtsgeschäft mal ganz abgesehen. Seit fast einem Jahr können wir nichts anderes tun, als auf Entscheidungen, welche meist massive Einschränkungen bedeuten, in kürzester Zeit bestmöglich zu reagieren.“

Online-Handel macht nur einen Bruchteil bei hiesigen Einzelhändler aus

Nikola Kögel
Nikola Kögel | Bild: privat

Nikola Kögel, Geschäftsführerin der Aktionsgemeinschaft Tiengen: „Sicher haben viele Geschäfte ihren Online-Handel ausgebaut, aber der Umsatz, der dadurch generiert wird, ist nur ein Bruchteil von dem üblichen Umsatz.“ Besorgniserregend sei auch die Stimmung unter den Händlern. Nikola Kögel: „Die ist derzeit überhaupt nicht gut. Auch für die Mitarbeiter ist die jetzige Situation sehr schwer, denn die meisten befinden sich in Kurzarbeit. Und irgendwann sind auch die Reserven aufgebraucht.“