Gastronomiebetriebe und etliche Dienstleistungsbranchen haben seit mehr als einem Monat geschlossen. Im Gegenzug für die im Rahmen des „Lockdown Light“ angeordneten Betriebsschließungen waren Gaststätten, Hotels und anderen Unternehmungen umfangreiche finanzielle Unterstützungen in Aussicht gestellt. Doch in der praktischen Umsetzung ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, wie der Bad Säckinger Steuerberater Dietmar Klingele im Gespräch mit dem SÜDKURIER darstellt. Die Folgen für die betroffenen Unternehmen sind gravierend: „Bei vielen Gastronomen hat die Lage in gefährliches Niveau erreicht, und sie spitzt sich weiter zu“, warnt Klingele. Die für die Bearbeitung der Anträge zuständige L-Bank mache technische Schwierigkeiten für die Verzögerungen verantwortlich. Die Abgeordneten vom Hochrhein setzen sich derweil für schnelle Auszahlungen ein.

Die Kritik des Experten

75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats als Entschädigung: Damit sollten die Folgen der Schließung der Gastronomie im November aufgrund der Bemühungen zur Pandemiebekämpfung gemildert werden. Doch nach Einschätzung von Steuerberater Klingele ist es bei der „vollmundigen Ankündigung“ geblieben, denn in Sachen Novemberhilfe laufe in der Praxis vieles anders, so Klingele.

Ganz abgesehen davon, dass es erst zum Ende des Monats überhaupt möglich war, Anträge zu stellen, müssten die Gastronomen erhebliche Abzüge von den avisierten Hilfsmitteln in Kauf nehmen. Unter anderem werden Kurzarbeitergeld oder auch andere Unterstützungen wie die sogenannte Überbrückungshilfe II abgezogen. Dabei harze es bei der Überbrückungshilfe, mit der Einnahmeausfälle für die Monate September bis Dezember kompensiert werden soll, noch viel mehr: „Die Anträge dafür haben wir natürlich längst gestellt, doch passiert ist bislang nichts“, kritisiert Steuerberater Klingele.

Die Fixkosten bleiben

Unterdessen haben die Gastronomen aber selbst von der abgespeckten Novemberhilfe allenfalls eine Abschlagszahlung erhalten. Laut Klingele bewege sich diese Zahlung in der Regel bei etwa 20 Prozent des normalen Umsatzes. Zudem seien die Abschlagszahlungen bislang auf 10.000 Euro gedeckelt. Derweil blieben Fixkosten, Pacht- oder Tilgungszahlungen, Energiekosten die gleichen, rechnet Klingele vor. Die Folgen liegen auf der Hand: „Vielen Betrieben geht allmählich die Luft aus.

Besonders schlimm ist, dass die Planungssicherheit fehlt, denn es ist nicht absehbar, wann und in welcher Höhe der Rest folgt.“ Die Grenze des Erträglichen sei bei vielen Betrieben längst erreicht. Es herrsche Verzweiflung. Denn bis zu den Betriebsschließungen hätten die Betriebe durchaus gute Geschäfte gemacht und zudem erheblich in Schutzmaßnahmen investiert. Viele Betroffene versuchten laut Klingele nun, die momentane Durststrecke durch anderweitige Kredite zu bewältigen, was aber immer schwieriger werde.

Vor allem sei selbst für einen Profi nicht ersichtlich, warum es gerade jetzt klemmt, nachdem im Frühjahr die Hilfszahlungen schnell und reibungslos geflossen seien. Zumal: Damals konnte jeder Betrieb selbst seine Anträge einreichen. Inzwischen seien Steuerberater zwischengeschaltet worden, um bereits eine Vorauswahl bei Antragsberechtigten zu treffen. Jedoch würden er und seine Kollegen nicht über den Status von Antragsverfahren informiert. Nachfragen blieben unbeantwortet. All dies sei gerade im Hinblick auf bereits angekündigte weiterführende Hilfsprogramme und die pandemiebedingte Ausweitung von Geschäftsschließungen alles andere als vertrauensfördernd.

Die L-Bank: Technische Probleme sorgen für Verzögerung

Die für die Antragsbewilligung in Baden-Württemberg zuständige L-Bank macht derweil vor allem technische Probleme für die Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung verantwortlich. Eine weitergehende Bearbeitung der Anträge auf Novemberhilfen über die Abschlagszahlungen hinaus, sei momentan nicht möglich, weil das bundesweit einheitliche EDV-System noch nicht einsatzbereit sei, erklärt L-Bank-Sprecher Benjamin Quinten: „Nach derzeitiger Aussage des Bundes können die Länder die Bewilligung und Auszahlung von Anträgen, für die eine Abschlagszahlung erfolgte und die Hauptzahlung noch aussteht, erst im Januar 2021 vornehmen.“ Bis zum jetzigen Zeitpunkt seien lediglich direkte, automatisierte Abschlagszahlungen geleistetworden.

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Immerhin: Die Deckelung der Abschlagszahlungen sei zwischenzeitlich ebenfalls gelockert worden. Inzwischen könnten Unternehmen auf Druck der Länder bis zu 50.000 Euro erhalten, so Quinten.

Die Politik verspricht Unterstützung

Die SPD-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter wie auch ihr CDU-Kollege Felix Schreiner setzen sich für eine schnelle Auszahlung der Unterstützung ein, wie sie auf Nachfrage unserer Zeitung konstatieren. Gleichzeitig werben sie aber auch für Verständnis, dass die Behörden Anträge genau prüfen. Immerhin gehe es um viel Steuergeld, das hier in die Hand genommen werde.

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Hinzu komme laut Schwarzelühr-Sutter aber auch, dass es die L-Bank mit einer wachsenden Komplexität der Anträge zu tun bekomme, weil immer mehr Förderprogramme parallel beantragt werden und dies mit den Beihilferichtlinien abgeglichen werden muss: „Um in Einzelfällen einen Sachstand in Erfahrung zu bringen und damit den Unternehmen in der Region zu helfen, stelle ich gerne einen Kontakt für die Steuerberater her“, so die Staatssekretärin.

Laut Felix Schreiner sei es „auf Druck der Union auch gelungen, dass Antragsteller ab kommender Woche ihre Antragstellung beim Landeswirtschaftsministerium abfragen können.“ Sowohl Auskünfte als auch etwaige Nachjustierungen durch das Land seien dann möglich.

Darüber hinaus soll es eine Erweiterung der Überbrückungshilfe geben. Darauf hat sich der Bund mit den Ländern geeinigt. „Für direkt oder indirekt geschlossene Betriebe sind finanzielle Hilfen bis zu 500.000 Euro vorgesehen“, so Schreiner weiter. Bis jetzt gehe es um insgesamt elf Milliarden Euro aus. Die Bedeutung derartiger Hilfsprogramme sei gerade für den ländlichen Raum enorm, sagt Schreiner: „Es geht nach wie vor um den Erhalt unserer Strukturen. Nur mir Liquidität sichern wir viele Existenzen und damit tausende Arbeitsplätze in unserer Heimat am Hochrhein.“

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