Der dritte Lockdown-Monat in der Gastronomie läuft – doch ein Ende ist noch nicht in Sicht. Hilfsprogramme wurden aufgelegt – doch das Geld ist bisher bestenfalls in Teilen bei den Betroffenen angekommen. Unterdessen laufen Fixkosten, Pacht- und andere Ausgaben unvermindert weiter auf. Der Dachverband Dehoga rechnet infolge des Corona-Lockdowns mit einem weitflächigen Betriebssterben. Wie Hoteliers und Gastronomen mit den Herausforderungen und Unwägbarkeiten der aktuellen Krise klarkommen, und welche Erwartungen sie haben, darüber haben wir mit drei Bad Säckinger Experten gesprochen: Dem Sterne-Koch Raimar Pilz, dem Hotelier Christian Herzog und dem Barbetreiber Angelo De Rosa.
Der Hotelier: „Stehen mit dem Rücken zur Wand!“
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand! Es ist kurz vor zwölf. Ein weiterer verlängerter Lockdown ist wirtschaftlich nicht mehr vertretbar.“ Wenn es um die Einschätzung der aktuellen Lage in der Hotel- und Gastronomiebranche geht, findet Christian Herzog, Geschäftsführer des „Goldenen Knopf“ in Bad Säckingen, deutliche Worte. Aber sie spiegeln nur das wieder, was auch viele seiner Kollegen in der Stadt und in der ganzen Region beklagen: Die Gasthäuser, Restaurants, Kneipen und anderen Lokale in der Region wurden von den Corona-Beschränkungen schwer getroffen. Wenn die Lage auch längst nicht bei allen gleichermaßen dramatisch ist, so befinden sich doch sehr viele in existenzieller Not. Etwa ein Drittel der Betriebe wird nach Erhebungen der Dehoga in den kommenden Monaten von der Bildfläche verschwinden – mit allen gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Folgen, die mit Betriebsschließungen einhergehen.
Ihm selbst habe das vergangene Jahr Umsatzeinbrüche von 50 Prozent beschert, was einem siebenstelligen Betrag entspreche, erklärt Herzog unumwunden. Hätten nicht wenigstens zwischen Juni und Oktober die Geschäfte floriert, wäre die Lage wohl noch verheerender. „Ich bin froh, dass wir in den vergangenen Jahren so gut gewirtschaftet haben und zugleich über eine so gute Bonität verfügen. Auch muss ich keine Pacht zahlen, weil mir das Haus gehört. Ansonsten sähe es wahrscheinlich düster aus“, sagt Herzog.
Zugespitzt werden die Probleme vor allem durch das Ausbleiben der versprochenen Unterstützungsmittel. Eben diese Verzögerungen sorgten nicht nur weithin für Frust und Verärgerung, sondern werden nach Herzogs Einschätzung in den kommenden Monaten erhebliche Konsequenzen haben: „Gerade kleine Betriebe werden verschwinden, besonders wenn sie gepachtet sind.“ Aber selbst vielen großen Betrieben ständen vor gewaltigen Herausforderungen, denn es drohe eine latente Zahlungsunfähigkeit, nachdem die Bereitschaft von Banken, Überbrückungskredite zu gewähren, rapide nachgelassen habe.
Ganz abgesehen von der finanziellen Dimension der Krise gebe es aber auch eine menschliche: „Die lang andauernde Kurzarbeit ist für die Mitarbeiter eine große psychische Belastung. Noch hinzu kommt erneutes Home-Schooling.“ Zwischenzeitlich habe gar eine schleichende Abwanderung von Mitarbeitern aus der Gastronomie in ganz andere Berufsfelder begonnen. Davon sei auch der „Goldene Knopf“ betroffen, dessen Belegschaft in den vergangenen Monaten von 35 auf 20 geschrumpft ist. Neue Mitarbeiter zu finden sei derzeit ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Branche liege brach, schildert Herzog: „All das wird zwangsläufig dazu führen, dass auch wir mit reduzierter Leistung an den Start gehen können, wenn der Lockdown beendet ist.“
Zahlen, Daten, Fakten zum Lockdown
Und auch wenn Herzog damit rechnet, dass die Tourismus-Saison frühestens im Juni und auch dann nur unter strikten Beschränkungen starten kann, sind von Beginn des Lockdowns an alle Anstrengungen darauf ausgerichtet. Im November habe das „Knopf“-Team bereits die Gästezimmer renoviert. „Wir haben auch ein komplettes Jahresprogramm geplant, bislang eben nur ohne konkretes Datum.“ Die Werbemaßnahmen seien so weit vorbereitet, dass am Tag X, wenn das Ende des Lockdowns bekannt gegeben werde, nur noch der Druckauftrag erteilt werden müsse, so Herzog: „Ich bin sicher, dass Schnelligkeit gefragt ist, wenn wir die Freigabe erhalten.“
Der Sternekoch: „Ohne Geschäftsplan ist man jetzt verloren“
„Wir sind und bleiben hoffnungsvolle Optimisten“, bilanziert Sternekoch Raimar Pilz, Betreiber der Bad Säckinger „Genuss-Apotheke“ die Lage. Gleichwohl musste auch die Genuss-Apotheke infolge der Beschränkungen des vergangenen Jahres ein Drittel an Umsatzeinbußen wegstecken.

Zwar bringe das im Fall seines hoch dekorierten Restaurants nicht gerade Existenznöte mit sich, sagt Pilz. Groß sei aber auch bei ihm die Enttäuschung gegenüber Politik und Verwaltung, weil die „vollmundigen Versprechungen“ im Hinblick auf Unterstützung allenfalls in Teilen eingehalten worden seien. Das sei gerade vor dem Hintergrund, dass viele Betriebe ihre Kosten zwar reduzieren konnten, sich diese aber dennoch weiter aufsummierten, eine Katastrophe: „Ich denke, dass um die 40 Prozent der Betriebe das nicht überleben werden“, prognostiziert Pilz. Und das Gasthaussterben werde sich wiederum gewaltig auf das gesellschaftliche und Vereinsleben auswirken, denn insbesondere Gasthäuser in den Dörfern hätten seit Langem zu kämpfen.
Die „Genuss-Apotheke“ komme unterdessen bisher ganz gut über die Runden: „Uns kommt unsere geringe Betriebsgröße und unser Konzept sehr entgegen.“ Der Großteil der Kosten werde in der Regel durch die Waren verursacht. Dieser Posten falle momentan natürlich weg. „Außerdem konnten wir in den vergangenen Jahren einige Reserven bilden“, so Pilz. Ohnehin zeige sich in der jetzigen Situation, dass ohne einen professionellen Business-Plan schnell massive Probleme hereinbrechen könnten. Das könnten nur die wenigsten Betriebe kompensieren.
Nicht gespart wird bei der Genuss-Apotheke in Sachen Personal. Insgesamt beschäftigt das Haus vier Vollzeitmitarbeiter. Diese befänden sich wie die meisten Kräfte in der Branche in Kurzarbeit. Die Differenz stocke das Unternehmen aber auf. Auch gebe es eine Beschäftigungsgarantie: „Das ist für das Unternehmen zwar eine Belastung, aber unsere Mitarbeiter sind Spezialisten, die wir unbedingt halten wollen.“ Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Start nach dem Lockdown reibungslos und mit gewohnter Qualität über die Bühne gehen kann. Und mehr noch: Raimar Pilz selbst hat die Lockdown-Zeit für „autodidaktische Fortbildungen“ genutzt hat, wie er sagt. Dadurch wolle er seinen Gästen, die dem Haus auf vielfache Weise und auf allen Kanälen die Treue halten, auch besondere Schmankerl bieten können, wenn das wieder möglich ist.
Und dennoch rechnet auch Raimar Pilz selbst nicht mit einer Wiedereröffnung vor Ende Februar, schlimmstenfalls müssten sich die Gastronomen auch bis Ostern gedulden. Allerdings: „Das funktioniert dann nur, wenn die versprochenen Mittel zügig fließen. Ansonsten wird es problematisch.“
Der Kneipier: „Schuldenberg wächst unerbittlich“
Der Frust ist groß, die Perspektiven düster: Zwei Monate Lockdown haben bei Angelo de Rosa, Betreiber des „Rhybrugg“, massiv Spuren hinterlassen. Und am Schlimmsten sei die Ungewissheit wann und wie es weitergehen soll, schildert er im Gespräch mit unserer Zeitung: „Aktuell schlittern ich und viele Kollegen in einen gewaltigen Schuldenberg hinein, der beständig anwächst, und von dem man nicht weiß, wie man ihn wieder in den Griff bekommen soll.“

Dass die in Aussicht gestellten Hilfsprogramme bislang nicht in der versprochenen Form funktionierten, dass es nach harten Wochen mit gar keinen Einnahmen allenfalls Abschlagszahlungen gebe, dass auch gar nicht absehbar sei, wann die Gastronomie überhaupt wieder regulär öffnen könne – all das mache die Lage nur noch schlimmer. Und zugleich wachse auch der Unmut: „Es drängt sich einfach der Eindruck auf, dass Großkonzerne absahnen, während wir kleinen wirklich auf jeden Cent warten und alles rechtfertigen müssen“, so De Rosa.
Auch die Möglichkeit von Angeboten zum Mitnehmen habe sich in der Praxis nicht bewährt: „Jetzt, da auch noch sämtliche Geschäfte zu sind, gibt es keinen Grund, überhaupt in die Stadt zu gehen“, sagt de Rosa. Er selbst habe zwischenzeitlich so reagiert, dass er an Bürgermeister Alexander Guhl und seine Bad Säckinger Stadtratskollegen einen Brief geschrieben hat, in dem er auf die verheerende Lage in der Gastronomie hinweist und sie aufruft, sich an entscheidender Stelle für die Belange der Wirte und Hoteliers einzusetzen. Zugleich appelliert er an seine Berufsgenossen, es ihm gleich zu tun: „Nur jammern bringt nichts. Und je mehr sich beteiligen, desto größer wird auch der Druck.“
Im Hinblick auf seinen eigenen Betrieb beurteilt Angelo de Rosa die weiteren Aussichten sehr skeptisch: „Ich rechne nicht damit, dass wir vor Ostern wieder aufmachen dürfen. Dann ist bei mir aber Sense.“ Denn eine so lange Durststrecke könne er allenfalls überstehen, wenn die zugesagten Hilfsmittel schnell und in voller Höhe bezahlt würden.