Seit einigen Wochen gilt sie bereits: Die Maskenpflicht während des Unterrichts an Grundschulen. Der Aufschrei vieler Eltern war groß, man könne das den Kindern nicht zumuten. Das Immunsystem werde geschädigt, die Kinder würden verlernen, Emotionen richtig zu deuten. Was ist dran an diesen Befürchtungen? Der SÜDKURIER hat mit Experten gesprochen

Eine Mutter aus Baden-Württemberg hat aus diesem Grund eine Petition gestartet, die fordert, die Maskenpflicht für Grundschüler zu beenden. Sie fand bereits fast 22.000 Unterstützer. Der SÜDKURIER hat bei Kinderärzten und einer Kinderpsychologin nachgefragt, ob die Maske für die Kinder wirklich gefährlich sein kann.

Arzt sagt: Keine Gefahr für Kinder

Michael Bitter-Klink ist langjähriger Kinderarzt und behandelt täglich Grundschulkinder in seiner Praxis in Waldshut-Tiengen. Er weiß, was sie derzeit bewegt und ihnen Sorgen bereitet. Er ist überzeugt: „Die Maskenpflicht kann einem Kind nicht gefährlich werden.“ Er sieht zwar auch, was daran stört, hält sie dennoch für ein gutes Werkzeug zur Eindämmung der Infektionen – auch für Grundschulkinder.

Kinderarzt Michael Bitter-Klink (llinks) und sein Kollege Michael Zerfaß halten die Maskenpflicht bei Grundschulkindern für unproblematisch.
Kinderarzt Michael Bitter-Klink (llinks) und sein Kollege Michael Zerfaß halten die Maskenpflicht bei Grundschulkindern für unproblematisch. | Bild: Jennifer Moog

Natürlich falle es einem Kind schwerer, unter der Maske Luft zu holen als ohne, da die Luft vor dem Einatmen gefiltert wird und so der Widerstand größer sei. Doch schaden könne ihm das nicht. Er erklärt das so: „Wenn wir langsam eine gerade Strecke entlanglaufen, brauchen wir auch weniger Luft. Müssen wir aber eine Treppe besteigen, braucht der Körper mehr Luft und saugt automatisch mehr davon ein.“ So sei das auch bei der Maske. „Der Körper reguliert das von selbst“, führt er weiter aus.

Fernunterricht viel schlimmer als Maskenpflicht

Es sei für den Körper anstrengender als sonst und könne auch bisweilen zu Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten führen und auch schneller müde machen. Das sei die Schattenseite der Maskenpflicht. Allerdings sagt er auch: „Wir wünschen uns alle, dass wir die Masken wieder loswerden können. Das Maskentragen ist aber eben die Bedingung dafür, dass die Schulen wieder Präsenzunterricht anbieten können.“

Viel schlimmer findet er die Alternative: Eine dauerhafte Rückkehr zum Fernunterricht. Und da seien die Nebenwirkungen für viele Kinder deutlich schlimmer – weniger soziale Kontakte, kaum Bewegung und im Zweifel wird auch weniger gelernt.

Andere Dinge machen Kindern derzeit mehr zu schaffen

Im Gespräch mit seinen Patienten habe er auch wenige Kinder erlebt, die die Maske per se ablehnten. Im Gegenteil: Nach seiner Erfahrung sei die Akzeptanz der Maske bei den meisten Kindern recht hoch. Viele wüssten, dass sie sie als Schutz tragen.

Diesen Eindruck hat auch Gesa Hansen. Die Kinder- und Jungendpsychologin aus Konstanz sagt: „Von den Kindern, mit denen ich arbeite, habe ich keine negative Rückmeldung zur Maskenpflicht erhalten.“ Was vielen derzeit viel mehr zu schaffen mache, sei, dass die Stabilität fehle, mal Wechselunterricht möglich sei und nur wenige Wochen später die Schulen wieder schließen müssten.

Gesa Hansen (Mitte) sieht eher in der Ausgrenzung von Kindern, die nicht mit Maske in die Schule dürfen, ein Problem als in der ...
Gesa Hansen (Mitte) sieht eher in der Ausgrenzung von Kindern, die nicht mit Maske in die Schule dürfen, ein Problem als in der Maskenpflicht. Hier gemeinsam mit ihren Kindern Ida (links), Luisa, Henrik und Besuchskind Aarya. | Bild: Jennifer Moog

Generell sei die Einstellung zur Schule momentan sehr positiv. „Während sich früher die Kinder auf die Ferien gefreut haben, freuen sie sich jetzt, wenn sie wieder in die Schule dürfen.“ Die Maskenpflicht spiele da für die Kinder eher eine untergeordnete Rolle. Denn sie würden sich schnell an neue Situationen gewöhnen. Die Maske sei längst zu einer alltäglichen Sache geworden.

Zu einer Bedrohung würde das Stück Stoff vor dem Mund aus Sicht eines Kindes erst, wenn das auch die Eltern so sehen. Denn gerade in jungen Jahren seien die Eltern für Kinder ein großes Vorbild. Deswegen findet Hansen es beispielsweise bedenklich, wenn Eltern die Maske zu einer Bedrohung machen würden. Als Beispiel nennt sie Eltern, die glaubten, auf den Masken würden sich Würmer befinden, die dem Kind schaden, und es dann wegen der Maskenpflicht von Präsenzveranstaltungen ausschließen. „Das Kind wird dann aus dem Gesellschaftssystem herausgezogen, das halte ich für eine gefährliche Dynamik“, sagt sie.

Eltern spielen große Rolle bei Akzeptanz der Maskenpflicht

Dass die Eltern bei der Haltung eines Kindes zur Maske eine entscheidende Rolle zukommt, bestätigen Michael Bitter-Klink und sein Kollege Michael Zerfaß. Bitter-Klink: „Wo wir merken, dass sich die Eltern schwer tun, die Maskenpflicht als etwas Sinnvolles zu verstehen, da leiden auch die Kinder mehr unter der Maskenpflicht.“

Gerade zu Beginn der Maskenpflicht hätten einige Eltern ihr Kind davon befreien lassen wollen. Genehmigt hätten das die beiden Kinderärzte allerdings in den wenigsten Fällen. Vielmehr seien sie in den Dialog mit den Eltern getreten, hätten erklärt, dass die Maske nicht schadet, auch bei Asthma nicht – vorausgesetzt das Kind wird richtig behandelt. Aus medizinischer Sicht gebe es deshalb nur wenige Gründe, die gegen seine Maskenpflicht sprächen. Einzig bei autistischen oder schwer behinderten Kindern mache eine Befreiung Sinn. Denn diese verstünden oft nicht, wieso sie nun ein Stück Stoff vor dem Mund haben, das ihnen das Atmen erschwert und kämen damit nicht klar.

Symbolbild: Maske liegt während des Unterrichts auf einem Ordner.
Symbolbild: Maske liegt während des Unterrichts auf einem Ordner. | Bild: Matthias Balk/dpa

Aber bilden Kinder durch die Maßnahmen weniger Antikörper?

Bitter-Klink und sein Kollege verzeichnen seit Beginn der Corona-Maßnahmen tatsächlich weniger Infekte bei Kindern. Dadurch sei das Abwehrsystem in der Tat nicht so trainiert, als wenn es sich ständig mit seiner Umwelt auseinandersetzen muss.

Doch auch hier sagen die beiden Kinderärzte: „Das ist wie beim Fahrradfahren. Wenn das ein Kind gelernt hat und eine Saison nicht fährt, verlernt es das auch nicht.“ Genauso sei das mit dem Immunsystem. Es sei nun nicht so trainiert. Das könne nach Beendigung der Maßnahmen dazu führen, dass ein Kind dann wieder öfter krank werde, schaden würde das allerdings nicht.

Was ist mit Kindern mit Migrationshintergrund?

Abgesehen davon, dass die Maske lästig ist, gibt es eine Gruppe von Menschen, die durch die Maskenpflicht wirklich mit Problemen zu kämpfen hat: Kinder mit Migrationshintergrund, die gerade eine neue Sprache lernen. „Ich will nicht in Abrede stellen, dass es bei diesen Kindern Probleme geben könnte, aber es steht und fällt nicht alles mit dem Unterricht“, sagt Hansen.

Was sie meint: Auch wenn es solchen Kindern mit Maske schwerer fällt, eine neue Sprache zu lernen, gebe es noch genug Situationen, in denen die Maskenpflicht entfällt, beim Spielen mit Klassenkameraden oder beim Fernsehen etwa.

Emotionen verstehen Kinder auch mit Maske

Dass Grundschulkinder verlernen, Emotionen richtig zu deuten, hält die Kinderpsychologin ebenfalls für weit hergeholt. Es gebe zwar das sogenannte „Still face“-Experiment (Experiment mit ausdruckslosem Gesicht), bei dem deutlich wurde, dass Kinder, denen lange keine Emotionen gezeigt werden, irgendwann mit emotionalem Rückzug reagieren. Das lasse sich aber nicht eins zu eins auf die Maskenpflicht übertragen.

Denn Hansen weiß, dass es Möglichkeiten gibt, die fehlende Mimik auszugleichen, indem man etwa affektierter oder übertriebener spreche. Auch die beiden Kinderärzte Bitter-Klink und Zerfaß sehen in der Maskenpflicht keine Gefahr für das emotionale Lernen. Denn ihrer Erfahrung nach könne selbst ein wenige Monate altes Baby Emotionen trotz der Maske erkennen.

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Sowohl die beiden Kinderärzte als auch die Psychologin sind sich deshalb sicher: „Die Kinder werden keinen Schaden davon tragen, wenn sie ein paar Stunden am Tag eine Maske tragen müssen.“ Und Michael Zerfaß erinnert an eine entscheidende Tatsache: „Die Maskenpflicht ist zeitlich begrenzt. Es wird der Tag kommen, an dem Kinder und alle anderen die Masken wieder absetzen dürfen.“ Damit dieser Tag schnell komme, müsse man jetzt gemeinsam die Zähne noch ein bisschen zusammenbeißen.