Maren Hyneck strahlt an diesem Frühlingstag mit der Sonne um die Wette. Ihr Oberkörper schunkelt hin und her. Rechts, links, rechts, links. Im Arm wiegt ihr ganzer Stolz, ein neues Mitglied der Familie, die kleine, zerbrechliche Amila.

Sie erblickte erst vergangene Woche, am 18. April, das Licht der Welt. Mitten in Zeiten der Corona-Krise. Die Erleichterung, dass alle gesund und munter sind, ist in der Konstanzer Altbauwohnung mit hohen Decken und Dielenboden spürbar. Und noch etwas trägt zur heilen Welt der Hynecks bei: ob die Geburt nur mit kleinen Einschränkungen über die Bühne gehen wird, war für Maren, Amila, Vater Johannes und Schwesterchen Nelia lange unklar.

Das Virus war nicht die größte Angst der Hynecks

„Wir haben uns schon Wochen vor der Geburt große Sorgen gemacht, ob alles klappt“, gibt die frisch gebackene Mutter offen zu. Nachvollziehbar. Denn in Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen zu geraten droht, Nachrichten im Minutentakt eintrudeln und Hamsterkäufe an der Tagesordnung stehen, scheinen Szenarien wahr zu werden, die man – wenn überhaupt – nur aus Science Fiction Filmen kannte.

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Doch die größte Angst der Hynecks war gar nicht unbedingt der Virus an sich. „Klar will man sich mit Corona nicht anstecken und mit Fieber gebähren. Deshalb haben wir sehr auf Hygiene geachtet und sind nur zum Spazierengehen raus gegangen. Aber das Schlimmste wäre gewesen, wenn mein Mann bei der Geburt nicht dabei hätte sein können“, sagt Maren Hyneck, während sie erleichtert zu Johannes hinüberblickt, der gerade auf der blauen Couch mit Tochter Nelia rangelt.

Alles halb so wild

Diese Furcht vor der Ungewissheit teilen die allermeisten Paare, die in den kommenden Wochen ein Kind erwarten. Das weiß Nicole Nawrath genau. Die Hebamme begleitet viele werdende Eltern – auch Familie Hyneck – mit ihrer freundlichen, optimistischen Art, durch die schweren Zeiten. „Die Sorge ist überall groß. Und das ist total verständlich. Aber ich bleibe positiv. Und wenn man den Müttern erklärt, welche Einschränkungen es gibt und auf was sie sich einstellen müssen – dann ist alles halb so wild“, sagt sie.

Tipps von Maren Hyneck für werdende Eltern

Väter dürfen bei der Geburt im Kreißsaal sein

In Konstanz und Singen etwa halten sich die Krankenhäuser, wie die allermeisten Kliniken in ganz Baden-Württemberg, bei den Beschränkungen an die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Bedeutet: Entwarnung. Väter, oder eine andere Begleitperson, sind während der Geburt im Kreißsaal zugelassen. Vorausgesetzt sie sind fieberfrei. Und auch sonst hat sich bei der Geburt nur wenig geändert: Für die Mutter herrscht bis zum Einsetzen der Wehen Maskenpflicht. Der Vater, oder die Begleitperson muss auch danach noch weiter Maske tragen. Zusätzlich wird vor der Entbindung ein Corona-Test durchgeführt.

Regeln können sich jederzeit ändern

Danach, im Wochenbett, dürfen sich Mutter und Vater in Konstanz derzeit nur noch einmal am Tag für eine Stunde sehen. Laut Andreas Zorr, Chefarzt des Bereichs Frauenheilkunde und Geburtshilfe, könnte sich das jederzeit ändern. Ein Krisenstab kommt täglich zusammen und passt – wenn nötig – die Beschränkung an die neuen Gegebenheiten an.

Aber sogar hierin sieht Hebamme, Nicole Nawrath, etwas Positives: „In dieser Zeit ist es das Allerwichtigste, dass die Mutter Nähe, Vertrautheit, zu ihrem Kind aufbaut und sich nur darauf konzentriert. Wenn ständig Freunde und Familie zu Besuch kommen, kann das stressen. Auch wenn ich natürlich den Schmerz von Oma und Opa, das Kind nicht sehen zu dürfen, auch sehr gut verstehe“, sagt Nawrath und blickt von ihrem Schreibtisch in der Hebammenpraxis im Lohnerhof durchs Fenster hinaus in den Garten.

Die Hebamme Nicole Nawrath kann in dieser außerordentlichen Zeit werdende Eltern beruhigen. Denn, wenn man den Eltern erkläre, welche ...
Die Hebamme Nicole Nawrath kann in dieser außerordentlichen Zeit werdende Eltern beruhigen. Denn, wenn man den Eltern erkläre, welche Einschränkungen es gebe, sei alles halb so wild. | Bild: Küster, Sebastian

Ihr Berufsstand hat es durch den grassierenden Virus sowieso besonders schwer. Um sich selbst und die Eltern zu schützen, verzichten viele Hebammen auf den persönlichen Besuch bei der Mutter. „Ich halte davon gar nichts“, sagt Nawrath.

Sie geht auf Abstand, desinfiziert häufig die Hände, trägt im Beisein der Mutter Mundschutz und Handschuhe. „Ich muss bei den Untersuchungen schon vor Ort sein. Sonst ist es nur schwer möglich alles richtig zu machen“, sagt sie.

Hebammen-Beratung via Videotelefonie

Unmöglich ist es aber nicht. Denn Nawrath hat Erfahrung mit Covid-19. Vor kurzem begleitete sie eine Mutter mit nachgewiesenem Coronavirus bis zur Geburt – und darüber hinaus. Die Vorbereitungen und Untersuchungen mussten zwar über Videotelefonie abgehalten werden, „aber auch so hat es super geklappt“, sagt Nawrath.

Auch wenn die Hebamme dringend persönlich zu Besuch hätte kommen müssen, hätte sie auf genügend Schutzkleidung zurückgreifen können. „Der Vorrat wird zentral in Radolfzell gelagert. Das ist wirklich nicht weit. Deshalb habe ich die Kittel nicht in der Praxis“, sagt sie.

Nicht für alle Hebammen gibt es genügend Schutzkleidung

Doch so gut vorbereitet wie sie, sind nicht alle Hebammen in Baden-Württemberg. Der Hebammen-Landesverband etwa kann keine Schutzkleidung zur Verfügung stellen. Das sei finanziell nicht machbar, antwortet Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Berufsverbands, dem SÜDKURIER schriftlich. Man versuche die Versorgung über die Landkreise aufrecht zu erhalten. Das sei zum Teil sehr holprig. Aber wo nichts ist, könne auch nichts verteilt werden. Das sei ein sehr großes Problem.

Nicole Nawrath verzichtet zum Schutz vor Covid-19 auf Geburts-Vorbereitungskurse. Damit sich ihre Mütter trotzdem auf die Geburt vorbereiten können, hat Nawrath mit einer jungen Kollegin in ihrer Praxis Videos gedreht. „Das war ein großer Aufwand. Wir haben viel Zeit investiert. Bestimmt 16 Stunden“, sagt sie. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Die Onlinemodule bieten praktische Übungen zum Mitmachen und am Ende ein individuelles Paar-Gespräch mit der betreuenden Hebamme – wer möchte per Videotelefonie.