Vor einem Monat stürzte ein in der Schweiz lebender Deutscher mit seinem Kleinflugzeug in den Bodensee nahe des Flughafen St. Gallen-Altenrhein. Der Pilot überlebte. Ein Fischer zog ihn aus dem Wasser. Das Flugzeug jedoch befindet sich immer noch in 90 Metern Tiefe.

Ende Februar startete die Polizei gemeinsam mit der schweizerischen Fluguntersuchungsbehörde (Sust) einen Versuch das Wrack, eine Piper PA-34 200T Seneca, zu bergen. Die Mission scheiterte, weil sich das Seil des Krahns auf der Fähre mit einer Boje verhedderte und die Gefahr für die Polizeitaucher zu groß wurde.

Heute ist klar: Um herauszufinden, was sich am 11. Februar abgespielt hat, brauchen die Behörden das Flugzeug gar nicht mehr. „Wir hatten damals noch nicht alle Daten zusammen. Das ist jetzt anders“, sagt der Leiter der Untersuchungen, Martin Pohl, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Pilot wurde verhört

Sein Team wertete die Radardaten aus, führte Gespräche mit Fluglotsen und nahm die meteorologischen Wetterbedingungen genau unter die Lupe. „Außerdem wurde der Pilot verhört“, sagt er. Das sei selten. In den meisten Fällen sterben sie bei einem Absturz. „Das alles gibt uns einen sehr guten Überblick“, sagt Pohl.

Das aus dem Bodensee gehievte Flugzeug gäbe den Experten keine neuen Infos, die die Ermittlungen zusätzlich beschleunigen. „Wir hätten die elektronischen Geräte natürlich gerne gesehen“, sagt der Ermittlungsleiter. Aber die seien spätestens nach fünf Minuten im See bereits unbrauchbar. Weitere relevante Anhaltspunkte könne den Ermittlern das Wrack nicht geben.

Der Versuch das Flugzeug mithilfe eines Krahns auf einer Fähre zu bergen, scheiterte vor zwei Wochen.
Der Versuch das Flugzeug mithilfe eines Krahns auf einer Fähre zu bergen, scheiterte vor zwei Wochen. | Bild: St. Galler Tagblatt

Eine konkrete Annahme, warum das Flugzeug in den See stürzte, will sich Martin Pohl nicht entlocken lassen. „Es gibt wirklich noch keine Theorie“, sagt er. Die Puzzleteile müssten jetzt Stück für Stück ineinander gesteckt werden.

Nur weil die Ermittler das Flugzeug nicht unbedingt brauchen, heißt das aber nicht, dass das Wrack auf dem Grund des Bodensees bleibt. „Es wird trotzdem geborgen. Das ist dann eher eine Entscheidung aus Sicht der Vorbildfunktion“, sagt Pohl.

Kaum Gefahr für die Umwelt

Die Gefahren für Mensch und Tier seien in diesem Fall verschwinden gering. Denn die Menge an Treibstoff könne keinen großen Schaden für das Ökosystem anrichten. „Die Flüssigkeit ist leichter als Wasser und würde an die Oberfläche kommen und dann verdunsten“, so der Experte. Außerdem lieferte der Unterwasseroboter Bilder vom verhältnismäßig guten Zustand des Wracks.

Polizeitaucher versuchten mithilfe eines Netzes das Flugzeug beim ersten Versuch zu bergen.
Polizeitaucher versuchten mithilfe eines Netzes das Flugzeug beim ersten Versuch zu bergen. | Bild: Raphael Rohner

Sorge bereitet dem Fachmann eher der Einfluss von außen. Er befürchtet, dass Sporttaucher das Flugzeug als spannendes Ausflugsziel ins Visier nehmen könnten und dann am fragilen Wrack „rumhantieren oder die Türen öffnen.“ Damit die Störenfriede das Flugzeug gar nicht erst finden, wurden die Markierungsbojen in der Nähe der Unfallstelle entfernt.

Nächster Bergungsversuch: Anfang April

Anfang April soll der nächste Bergungsversuch starten. Zuvor bereiten Polizeitaucher Mission zwei akribisch vor. „Das Fixieren des Wracks unter Wasser zum Beispiel kann man schon vorher machen. Die Bergung selbst kann man dann zügig durchführen“, sagt Martin Pohl von der Sust.

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Eine Expertengruppe überlegt derzeit, welche Variante am sinnvollsten ist. Anfangs gab es laut Pohl die Überlegung das Wrack mithilfe einer Leine an einem Helikopter zu bewegen. „Da wäre das Risiko aber viel zu groß“, sagt er. Eine weitere Variante wäre es, das Flugzeug unter Wasser bis zum Ufer zu transportieren, damit die Last gering bleibt und das Flugzeug nicht zerbricht. Vielleicht wird es aber doch, wie beim letzten Versuch, aus dem Wasser gehoben und erst dann an Land gebracht. Fakt ist: „Es wird eine schwimmende Plattform sein, die das Flugzeug aus dem Wasser holt. Ob mit einem Kran, oder einer Winde – das werden wir sehen“, sagt Martin Pohl.

Kosten im hohen fünfstelligen Bereich – wer soll das bezahlen?

Insgesamt werden für die Bergung Kosten „im hohen fünfstelligen Bereich“ fällig. Wer das bezahlt, sei bisher alles andere als klar. „Das Thema ist sehr komplex“, sagt Pohl. Wenn das Flugzeug über Schweizer Hoheitsgebiet abstürzt, sei die Angelegenheit eindeutig. Dann müsse der Halter für den Einsatz aufkommen. Da alles unter 25 Metern im Bodensee zu den sogenannten internationalen Gewässern gehört, sei die Angelegenheit komplizierter. Wahrscheinlich wird die Kantonspolizei St. Gallen in Vorleistung gehen. Ob der Steuerzahler auf den Kosten sitzen bleibt, oder der deutsche Pilot zahlen muss, werden vielleicht sogar Gerichte klären müssen.