Nikolaus zählt zu den beliebtesten und nahrhaftesten Heiligen. Man kann ihn verehren und gleichzeitig essen. Schon viele Tage vor dem 6. Dezember stehen die netten alten Männer mit dem weißen Rauschebart aus Schokolade im Regal. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Es sind keine echten Nikoläuse, sondern dessen lebenslustige Nachfahren. Der angeheiterte Weihnachtsmann mit roter Mütze hat den Heiligen im bischöflichen Ornat verdrängt. Eine Gang durch die Geschäfte zeigt: Nikolaus hat im Segment der stanniolverpackten Schokomänner einen schweren Stand. Man findet ihn kaum mehr.
Kakaomänner stehen dicht wie die Tonkrieger aus China
Ein Besuch bei Aldi. Die Regale sind prall gefüllt, ganz vorne stehen die Kakaomänner dicht wie die Armee der chinesischen Tonkrieger. Aldi Süd stellt ausschließlich Weihnachtsmänner ins Schaufenster, keinen Nikolaus. Das Modell von Moser Roth überzeugt durch einen gemusterten Bart bis zum Gürtel. Dass er Geschenke dabei hat, ist nur angedeutet. Der umgehängte Sack geht fast unter.

Anfrage bei Aldi Süd in Mülheim: Warum führen Sie keine Nikoläuse im Sortiment?“ Eine Mitarbeiterin aus dem Bereich „Specialist External Communication – Corporate Content“ schreibt frohgemut zurück. Sie benennt Preise, Gewicht, Farbe. Auf die Nikolausfrage gibt es keine Antwort. Verwiesen wird auf das Modell „Wintertraum“ mit weiß-rotem Mantel. Das ist aber kein Nikolaus. Ohne Mitra und Bischofsstab macht es der große Heilige nicht.
Schokolade neben dem „Sexy Adventskalender“
Also weiter zu Neukauf. Die Auswahl dort ist riesig, das Auge schwelgt. Gleich neben dem „Sexy Adventskalender“ mit spärlich bekleideten Damen unter weißroter Zipfelkappe wartet schon das Kinderprogramm. Das passt als Kaufanreiz. Milka spielt vorne mit. Ganz im Sinne des Corporate Design ist der Weihnachtsmann dieser Marke in helles Violett gehüllt. Einen Bischof kann und will Milka nicht aufstellen. Dafür zwinkert dieser beleibte Weihnachtsmann. Er gibt sich als Freund der Kinder und der Erwachsenen, die sich an ihrem Hüftgold nicht stören.
Noch ein Star aller Kindergeburtstage wartet hier auf zahlende Eltern: Das saisonal frisierte Überraschungsei, das ein dick geratener Kakao-Weihnachtsonkel in den Armen hält. Das begeistert Kinder, kein Zweifel. Vom Nikolaus ist die fassartige Figur aber weiter entfernt als alle anderen, und die Inszenierung erweist sich als Griff in die Beliebigkeit. Das Überraschungsei wirkt wie Ostern und Weihnachten auf einen Schlag.

Auf der Insel trägt der Mann grün
Aus einer anderen Zeit scheint auch der adventliche Beitrag der Marke After Eight zu stammen. Dessen Weihnachtsmann ist in edlem Grün gehalten. Das Schenken hat er längst aufgegeben. Stattdessen schleppt er eine Aktentasche mit sich und einen Regenschirm. Wahrscheinlich herrscht nach dem Brexit noch schlechteres Wetter als bisher. Die firmeneigene Beschreibung zergeht auf der Zunge: „Ein Hohlkörper aus zartbitterer Pfefferminzschokolade, 85 Gramm.“ Da kann man auf den Bischofsstab schon mal verzichten.
Der Heilige Nikolaus

Außer dem Minz-Briten, der offenbar nur an sich denkt, führen alle einen Sack an Geschenken mit sich. Das Freigiebige haben Weihnachtsmann und Nikolaus gemeinsam. Der Jüngere hat es vom Älteren gelernt und übernommen. Beide sind keine Geizhälse. Auf allen Umhüllungen sind bunte Pakete aufgedruckt. Wobei ein Trend immer stärker wird: Es prangen alle möglichen Gütesiegel auf der glitzernden Hülle. „Fair Trade“ ist gut und in großen Buchstaben erkennbar. Dazu „Vegan“, „Bio-Schokolade“ und anderes mehr. Möglicherweise stellen diese Hinweise für manchen Käufer die zentrale Botschaft dar. Ist dieses Produkt auch unter anständigen Bedingungen entstanden?

Der Nikolaus, eine geduldete Minderheit im Regal
Und der Nikolaus, wo steckt er nur? Ein einziger Artikel in diesem ausgedehnten süßen Sortiment verdient den Namen des großen Heiligen. Die baden-württembergische Firma Klett in Nehren (Kreis Reutlingen) stellt ihn her. Deutlich hebt sich das Kreuz auf der Mitra aus weißer Schokolade vom dunklen Körper ab.

Das Angebot an echten Nikoläusen ist also dünn. Er bildet eine Minderheit. Pfarreien, die ihren Mitarbeitern das Original und keinen beschwipsten Weihnachtsmann schenken wollen, bestellen es in speziellen Firmen. Eine davon ist der Benno-Verlag mit Sitz in Leipzig. Auf der Verpackung der Figur wird die Legende der drei Goldäpfel angedeutet – und damit die wichtigste Begebenheit, die man mit dem Bischof aus Kleinasien verbindet.

Der Heilige aus der Backstube
Wem Schokolade zu süß erscheint und wer Fabrikware ablehnt, wird in jenen Bäckereien fündig, die das alte Handwerk pflegen. Dort werden bis heute Klosenmänner (oder Klausenmänner) gebacken, jeder von Hand geformt. Die Männchen bestehen aus einem leichten Hefeteig mit einer Glasur aus Ei. Wenn sie aus dem Ofen kommen, werden sie noch mit ein paar Körnern Hagelzucker verziert. Fertig ist der Brotnikolaus, auch genannt Dambedei.