Das Gelände am Rande der Stadt besteht aus Wiesen und Ackerflächen. Traktoren und Spaziergänger ziehen hier ihre Bahnen. Doch es rollen auch schon die ersten Bagger an, um Versorgungsleitungen in die Erde zu verlegen. Aus dem von Bauern genutzten Areal Dietenbach in Freiburg wird ein neuer Stadtteil für 15.000 bis 20.000 Menschen. Es ist eines der größten Wohnneubauprojekte Deutschlands. Und Freiburgs Antwort auf Wohnungsnot sowie explodierende Mieten und Immobilienpreise.

Fehlender Wohnraum und steigende Preise sind vielerorts ein Problem. In Freiburg, der südlichsten Großstadt Deutschlands und viertgrößten Stadt Baden-Württembergs, ist die Not besonders groß. Die 230.000 Einwohner zählende Stadt mit einem hohen Studentenanteil gehört nach Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu den am schnellsten wachsenden Großstädten Deutschlands.

Im Spitzenfeld mit München

Als Grund für den Einwohner-Boom nennt das Institut die wirtschaftliche Stärke der Stadt sowie die hohe Lebensqualität. Es gebe hier Arbeitsplätze sowie die zum Leben passende Infrastruktur. Auch die idyllische Lage dafür, dass es sich hier gut leben lässt. Das mache die Stadt attraktiv.

Die Folge: Deutschlandweit hat die Stadt am Rande des Schwarzwalds mit die höchsten Mieten sowie Immobilien- und Bodenpreise. Sie steht damit gemeinsam im Spitzenfeld mit München, Frankfurt am Main, Hamburg und Stuttgart. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, sei selbst für die Mittelschicht kaum noch möglich, heißt es. Gering- und Normalverdiener sowie Familien sind nach Angaben der Freiburger Stadtverwaltung die Hauptleidtragenden.

Wohnen wird so zunehmend zur sozialen Frage, sagt Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos). Eine alleinerziehende Krankenschwester, die in Freiburg in einem Krankenhaus arbeite, könne es sich nicht mehr leisten, auch in der Stadt zu wohnen.

Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos).
Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos). | Bild: Philipp von Ditfurth/dpa

Politik müsse daher handeln und bezahlbaren Wohnraum schaffen, weil Wohnen in der Stadt für jeden möglich sein müsse. Der geplante neue Stadtteil Dietenbach habe die entsprechende Größe, um die Wohnungsnot effektiv und auch dauerhaft zu lindern. Mit 15.000 bis 20.000 Bewohnern wird er mehr Menschen beherbergen als die meisten von Freiburgs Nachbargemeinden.

Mindestens die Hälfte der Wohnungen soll nach dem Willen von Stadt und Gemeinderat sozial gefördert sein und bezahlbaren Wohnraum garantieren. Zudem werde die notwendige Infrastruktur geschaffen, damit auch Familien mit Kindern hier alles haben, was sie brauchen.

Gebaut werden 22 Kitas, zwei öffentliche Schulen sowie zwei Stadtparks. Geplant wird, typisch Freiburg, so grün wie möglich. Die Bewohner, sagt der Oberbürgermeister, sollen auf ein Auto möglichst verzichten können. Für ökologischen Verkehr sorgen sollen Fahrradwege, Möglichkeiten des Carsharings sowie eine Straßenbahn, die durch den neuen Stadtteil fährt und diesen mit dem Rest Freiburgs verbindet.

Unter anderem hier soll das neue Stadtviertel entstehen.
Unter anderem hier soll das neue Stadtviertel entstehen. | Bild: Jürgen Ruf

„Die Pläne sind noch am Anfang, aber das Interesse ist schon jetzt sehr groß“, sagt Ingmar Roth, Chef der Freiburger Gesellschaft „Entwicklungsmaßnahme Dietenbach“. Sie soll die Wohnungen und Häuser in dem Gebiet vermarkten und hat Interessenten gebeten, sich zu melden – obwohl es konkrete Bau- oder Immobilienverkaufspläne noch gar nicht gibt.

„In den ersten 13 Wochen haben sich rund 3000 Menschen bei uns registriert und ihr Interesse bekundet. Täglich gehen neue Registrierungen und Anfragen ein“, erklärt Roth. 90 Prozent kommen aus Freiburg und dem Umland. Dies zeige, wie groß der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum in der Stadt sei. Die Mehrheit wolle eine Wohnung oder ein Haus selbst beziehen. Die Zahl derer, die eine Wohnung als Kapitalanlage zur Vermietung suchen, sei vergleichsweise gering.

Bürgerentscheid machte Weg frei

Die große Mehrheit des Gemeinderates mit nahezu allen Fraktionen steht hinter dem Projekt. Verflogen ist der in der Öffentlichkeit ausgetragene Ärger um das Baugebiet. Naturschützer und Landwirte hatten gegen den neuen Stadtteil mobil gemacht, weil sie Freiburgs Wachstum mit zunehmendem Flächenverbrauch und dem Wegfall landwirtschaftlicher Areale kritisch sehen.

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Bei einem Bürgerentscheid im Februar 2019 stimmten 60 Prozent der Wähler für den neuen Stadtteil und machten so endgültig den Weg für ihn frei. Mit den betroffenen Landwirten, auf deren Boden Wohnungen und Häuser entstehen sollen, seien seither Gespräche geführt worden, sagt Chefentwickler Roth. Diese seien positiv verlaufen: Das gesamte Gebiet könne nun problemlos bebaut werden.