Anderthalb Wochen vor dem großen Auftritt steht der Text nicht nur, er sitzt auch schon, denn vorgetragen wird auswendig. Und doch kann sich da immer noch etwas tun. Norbert Heizmann geht mit feinem Gespür fürs Publikum in die sechs Abende des Konstanzer Narrenspiels, aus denen schließlich die Fernsehfasnacht hervorgeht, die der SWR Jahr für Jahr aus dem Konzil sendet.
Er hört genau auf die Reaktionen seiner Zuschauer. Wird da laut gelacht, oder peinlich geschwiegen? Nicht jedes Publikum sei gleich, deshalb gibt Heizmann einer nicht erfolgreichen Pointe auch eine zweite Chance. „Man ist ja schon ein bisschen stolz auf sein Baby.“ Wenn sie dann nicht zieht, wird rausgestrichen oder umgeschrieben.
Seit bald 30 Jahren keine Sendung ohne ihn
Die Konzilsfasnacht ist eine Institution. Und das ist auch Norbert Heizmann. Wenn die Sendung am Dienstag, 30. Januar, um 20.15 Uhr live übertragen wird, kann sich der Zuschauer auf zwei Beiträge von und mit Heizmann freuen. Der ist zu bescheiden, um zu sagen, er sei schon gesetzt, aber „bis jetzt hat es immer geklappt“, sagt der 71-Jährige und schmunzelt. Seit bald 30 Jahren.

Warum das so ist, kann Mario Böhler am besten beantworten. Der Präsident der Narrengesellschaft Niederburg, die gemeinsam mit der Kamelia Paradies die Narrenspiele veranstaltet, kennt den früheren Lehrer schon seit der Theater-AG an der Geschwister-Scholl-Schule. „Er hat mich zur Niederburg gebracht“, erzählt Böhler. „Wer so schimpfen kann, muss auf die Fasnachtsbühne“, habe Heizmann nach seinem Auftritt bei den Bremer Stadtmusikanten zu ihm gesagt. Was Heizmann auszeichnet? Da kommt Böhler ins Schwärmen. „Sein politischer Sachverstand, sein unglaubliches Gefühl für Sprache, der Klamauk.“ Und dann sei da sein großes Herz. „Daraus entsteht eine Genialität.“
Alexander Göbel, beim SWR-Fernsehen zuständig für die Fasnacht, attestiert dem Publikumsliebling „Themen zu erkennen, die alltagsnah sind und deshalb so wertvoll für uns“. Er sei einer, „der die Sendung trägt“. Seiner Ansicht nach reiche er an den großen Fasnachter Alfred Heizmann – verstorben 2017, nicht verwandt und nicht verschwägert mit Norbert Heizmann – heran.
Keiner sagt so schön Minischterpräsident
Heizmann reimt in Alemannisch, das fällt ihm als gebürtigem Immendinger nicht schwer, wobei er sich im Laufe der Jahrzehnte, die er nun schon in der Konzilsstadt lebt, auch das Konstanzerische angenommen hat. Die Zutaten zu seinen Sketchen findet er im Lokalen, in Alltagsbegegnungen, aber auch in der großen Politik.
Im vergangenen Jahr trat er als Bademeister vom Konstanzer Strandbad Hörnle, in weißer kurzer Hose, T-Shirt und einem Enten-Schwimmring vors Bäuchle geschnallt, auf die Bühne. Die ersten lauten Lacher erntete er mit Winfried Kretschmanns Waschlappen-Empfehlung:
Weil nämlich Kind und Frau und Ma
sich wegem Gas itduschaka
Und bloß dr Wäschlappa no kennt
wie drMinischterpräsident
In Paarreimen scherzt sich Heizmann durchs bundespolitische und natürlich lokalpolitische Geschehen, immer wieder unterbrochen durch eine Strophe eines eigens komponierten Liedes, begleitet von ihm selbst mit seiner Ukulele.
Zentral ist für seine Nummer ist die Figur, mit der er spätestens im September schwanger geht. Sie dient als Aufhänger und als roter Faden, an dem sich die Gags aufreihen. Diesmal lag sie auf der Hand: Heizmann spielt einen Heizmann, das Heizgesetz-Debakel von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lieferte die perfekte Vorlage dafür.
Bloß nicht zu viel Lokalpolitik
Im Blaumann schafft er sich an den Wärmepumpen der Nation ab. Der Ausflug in die Kommunalpolitik darf natürlich nicht fehlen. Wobei es hier gelegentlich Einspruch vom SWR gibt. „Ich weiß genau, was die Fernsehleute sagen: Es ist immer zu lang, und ich soll das allzu Lokale rauslassen.“ Klar, den Döbele-Parkplatz kennt man in Stuttgart nicht. Andererseits sind Parknöte überall ein Thema.
Bei seinen Gags hat Heizmann kein Problem mit Grenzüberschreitungen, er attestiert sich einen Hang zum Herzhaften, allerdings halte er sich nicht für plump. Auch als der SWR ein einziges Mal wirklich Einspruch erhob – als er das Wort Arschloch im Zusammenhang mit der AfD verwendete -, sei dies nur in bildhafter Form geschehen. „Ich hab das für harmlos gehalten, aber der SWR wollte es nicht senden.“
Seit Mitte der 90er-Jahre ist Heizmann Teil der Fernsehfasnacht. Nur einmal, gleich im ersten Jahr, schaffte er es nicht in die Sendung, weil seine Gags nicht zündeten. Wahrscheinlich habe er sich überschätzt, erzählt er am kleinen Küchentisch in seiner Wohnung im Konstanzer Paradies. Dort, wo seine Sketche entstehen. Wer hier Papierberge vermutet, wird allerdings enttäuscht. Auf dem Tablet notiert er sie sich.
Diesmal sind sie Barbie und Ken
Neben dem Solo-Auftritt gibt es immer einen mit seiner kongenialen Fastnachts-Partnerin Claudia Zähringer. Gar nicht so einfach, immer wieder ein neues Paar zu finden, das sie darstellen können. „Irgendwann hast du das Gefühl, du hast alles schon gemacht“, sagt Heizmann und fährt sich mit der Hand durchs von Lachfältchen durchfurchte Gesicht. Aber dann kommen doch wieder neue Figuren herbei. Diesmal verkörpern sie – frei nach dem Hollywood-Blockbuster des vergangenen Jahres – Barbie und Ken.
Auch wenn er kein Ur-Konstanzer ist, die Fasnacht war Heizmann schon in die Wiege gelegt. Daheim in Immendingen war sein Vater schon Zunftmeister, den ersten Auftritt hatte der Sohnemann mit dem Männergesangverein schon im zarten Alter von acht Jahren. An Fasnacht war er in Kindheit und Jugend als Hansele dabei, ging auf Umzüge und wirkte an bunten Abenden mit. Mit 20 war dann Schluss damit, als er zur Bundeswehr ging und danach in Weingarten Lehramt studierte. „In der Studentenszene galt das als bürgerliche Kacke“, erzählt er.
Der Schmotzige in Konstanz packte ihn
Als er dann 1978 nach Konstanz gezogen sei, wo er 35 Jahre lang an der Geschwister-Scholl-Schule unterrichten sollte (bis zu seiner Pensionierung vor sechs Jahren) – damals kehrte die Fastnacht in sein Leben zurück. Der erste schmotzige Dunschdig habe ihn überwältigt. „Da war was los! Da ist das heute nur noch ein müder Abklatsch.“

„Da hat‘s mich einfach wieder gehabt“, erzählt er. Entscheidend für seinen Weg zur Bühne sei Kollege und Wolfgang Mettler gewesen, der ihn zum Stefans-Chor brachte und zu gemeinsamen Niederburg-Abenden. Im Lehrerzimmer hatten sie die ersten gemeinsamen Auftritte. 1995 sei Franz Nabholz auf ihn aufmerksam geworden, der habe ihn Heinz Maser vorgestellt, der bis 2021 26 Jahre lang Programmchef der Konzilsfasnacht war. Im Jahr darauf war er das erste Mal beim Narrenspiel dabei.
Der Prominenz wird zu oft geschmeichelt
Ist so ein Fasnachter eigentlich das ganze Jahr über lustig? Heizmann verneint ernsthaft. Aber positiv eingestellt sei er schon, sagt er und schmunzelt schon wieder. Seinen Humor beschreibt er als ironisch, aber nie zynisch, „weil ich so nicht bin“. Aber ein bisschen böse darf es schon sein. „Jedem wohl und keinem weh“, das Motto der Konstanzer Narrenzünfte im Jahr 2022 entspricht nicht seiner Vorstellung von Fasnacht, bei der doch der Obrigkeit auf die Finger geklopft werden müsse. Dass der Politprominenz oft geschmeichelt werde, sei eigentlich die Verkehrung der eigentlichen Aufgabe der Fasnacht.
Zur Obrigkeit zählt wohl auch der SÜDKURIER, der jedes Mal sein Fett wegkriegt in Heizmanns Nummern. Die Ampel-Koalition kommt nicht ungeschoren davon, wobei er sie – gegen den Strich der sonstigen Darbietungen gebürstet – auch lobt. Klar, das Heizgesetz sei für Anlagenbauer für Heizung und Sanitär die beste Mittelstandsförderung gewesen.
Nie fehlt in seinen Nummern die Erwähnung des Bürgertröpfles, das einst von der Spitalkellerei als Alltagsschoppen für die Konstanzer Bürger kreiert wurde. Dafür sei es aber relativ teuer gewesen. Heute sei es ein „toller Wein“, beteuert Heizmann. „Bürgertröpfle, das Famose, bringt dir Schwung in Herz und Hose“, lautet die versöhnliche Würdigung in der aktuellen Nummer.
Bier und Schnäpsle für den „Flow“
Apropos Alkohol. Ohne steht Heizmann nie auf der Bühne. Ein, zwei Bier und ein Schnäpsle brauche er, um in den „Flow“ zu kommen. Auch am Dienstagabend wird er vor der Livesendung Lampenfieber haben, trotz aller Routine ist er davor nicht gefeit. Respekt vor dem Publikum sei das, sagt Heizmann. „Auch wenn es nur eine Pappnasengeschichte ist, wer vor 600 Leuten steht, für den ist es in dem Moment existenziell.“ Und doch ist es die Bühne, die ihn reizt. „Ich kann solche Texte halt schreiben.“ Am Dienstagabend bringt er sie zu Gehör.