Seit fast drei Jahren befasst sich ein Landtags-Untersuchungsausschuss mit der Polizei-Affäre rund um den früheren Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, Andreas R., und der Polizeiführung des Landes. Nun aber geht die Arbeit des Gremiums in die Zielgerade: Nach bisher 36 Sitzungen und der Befragung von 56 Zeugen ist für den kommenden Montag mit Andreas R. die zentrale Person der gesamten Polizeiaffäre vor den Untersuchungsausschuss geladen.
Indes: Es dürfte ein kurzer Auftritt im Plenarsaal des Landtags werden. Andreas R., das bestätigte seine Anwältin Ricarda Lang unserer Redaktion, werde vor dem Untersuchungsausschuss von seinem vollumfänglichen Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Zwei weitere Verfahren laufen gegen ihn
Grund ist, dass gegen den heute 50-Jährigen nach wie vor zwei andere Verfahren anhängig sind: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit Oktober 2023, allerdings bis heute ohne jeglichen zu vermeldenden Fortschritt zum Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Andreas R.. Dieser Vorwurf wurde ebenfalls im Rahmen der Affäre erhoben.
Zudem ist im Innenministerium weiter unverändert das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Spitzenpolizisten anhängig. Während das Innenministerium zum Disziplinarverfahren darauf verweist, dass erst die staatsanwaltlichen Ermittlungen abgeschlossen sein müssten, gibt es bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart seit Monaten die immer gleiche Antwort auf die Frage nach dem aktuellen Stand: „Die Ermittlungen dauern an.“ Dabei liegt der Gegenstand des Ermittlungstatbestands – ein Videotelefonat – seit Jahren vor.
Seine sexuellen Vorlieben machten Schlagzeilen
Andreas R., im November 2020 nach einer steilen Karriere zum ranghöchsten Polizeibeamten des Landes bestellt, war gut ein Jahr später von einer jüngeren Polizistin der sexuellen Belästigung im Rahmen einer langen Kneipennacht bezichtigt worden.
Er wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe zunächst vom Dienst suspendiert, später im Strafprozess vor dem Stuttgarter Landgericht aber freigesprochen. Das Verfahren hatte wegen der darin ausgebreiteten Details über sexuelle Vorlieben des Spitzenpolizisten Schlagzeilen gemacht.
Ganzes Beförderungswesen gerät unter Verdacht
Der Fall löste ein Beben im Innenministerium und an der Spitze der Landespolizei aus. Im Zuge der Affäre wurde der Untersuchungsausschuss eingerichtet, gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU) ermittelt, gerieten die Führungsspitze und das Beförderungswesen der Landespolizei in die Kritik. Der Ausschuss brachte zudem ein System von Beförderungen in polizeiliche Spitzenfunktionen ans Licht, das viele weitere Fragen aufwarf.
Andreas R., der seit 2021 bei vollen Bezügen freigestellt war, wurde im August 2024 auch offiziell des Dienstes enthoben, damit wurden seine Bezüge halbiert. Seitdem wartet er auf den Fortgang von Ermittlungs- und Disziplinarverfahren. Bislang hat Andreas R. öffentlich geschwiegen – und wird dies auch am Montag tun.
„Mein Mandant hätte sehr gerne ausgesagt“
„Die Antworten auf sämtliche denkbare Fragen im Untersuchungsausschuss stehen im Zusammenhang mit diesen beiden Verfahren“, sagt seine Rechtsanwältin, Andreas R. werde sich daher vor dem Landtagsgremium nicht äußern. Aus diesem Grund habe sie bereits im Vorfeld die Abladung von Andreas R. beim Untersuchungsausschuss beantragt und darauf hingewiesen, dass er von seinem Recht, die Auskunft zu verweigern, Gebrauch machen werde.
Diesem Antrag sei aber nicht stattgegeben worden. „Mein Mandant hätte sehr gerne ausgesagt, vor allem im Hinblick auf die Vorverurteilung durch das Innenministerium, der er ausgesetzt ist“, so Lang. Dass der Ausschuss dennoch auf das Erscheinen von Andreas R. bestehe, hat für sie nur einen möglichen Grund: „Er soll erneut öffentlich vorgeführt werden“, vermutet die Juristin.
Dass Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz – nicht nur direkte Vorgesetzte, sondern vor der Affäre auch enge Vertraute von Andreas R. – diesem eine Aussagegenehmigung für das Landtagsgremium erteilt habe, obwohl sie ja selbst als Zeugin vernommen wurde und ihre Aussage Fragen aufwarf, hält Lang für besonders fragwürdig.
Wie die Ausschussvorsitzende Daniela Evers (Grüne) nach der jüngsten Sitzung am vergangenen Montag mitteilte, sind noch vier weitere Sitzungstage angesetzt.
Stundenlange Befragungen
Auf der Zeugenliste stehen neben Andreas R. nur noch drei weitere Namen: der frühere Vize-Landespolizeipräsident Dietrich Moser von Filseck, Landespolizeipräsidentin Hinz und Innenminister Strobl. Alle drei spielten rund um die steile Karriere von Andreas R. in der Polizei eine entscheidende Rolle und mussten sich bereits stundenlangen Befragungen vor dem Ausschuss stellen. Sie werden nun erneut geladen.
SPD-Obmann und Innenexperte Sascha Binder sagte zu seinen Erwartungen daran: „Im Verlauf der Ausschussarbeit haben wir einige widersprüchliche Aussagen aus dem Innenministerium feststellen können. Die Aussagen von Innenminister Strobl standen zum Teil im Widerspruch zu Aussagen seiner eigenen Mitarbeiter. Es geht darum, ihn nochmal damit zu konfrontieren.“
Dass Andreas R. vor dem Ausschuss am kommenden Montag erscheinen müsse, obwohl keine Aussage zu erwarten sei, nannte Binder dagegen ein „normales Vorgehen“ in einem öffentlichen Verfahren, das auch für jeden anderen Zeugen gelte.