Es ist die größte Investition in die Bildung im Land seit einem Jahrzehnt: Die Landesregierung will nicht nur in die frühkindliche Bildung im Kindergarten viel Geld stecken, sondern auch in die Sprachförderung an Grundschulen und eine verpflichtende Ganztagsschule, in das neunjährige Gymnasium, in Real- und Gemeinschaftsschulen.
Bislang sind nur grobe Züge der Pläne bekannt, heute wird man mehr erfahren, wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwoch ab 9 Uhr eine Regierungserklärung dazu geben wird.
Traditionell unterschiedliche Vorstellungen von Schule
Der SÜDKURIER konnte vorab mit Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz darüber sprechen. Mit den Oppositionsparteien SPD und FDP war es in der vergangenen Woche beim anberaumten Bildungsgipfel in Bebenhausen zum Eklat gekommen. Die Fraktionschefs Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke hatten während Kretschmanns Rede den Raum demonstrativ verlassen.
Auch zwischen Grünen und CDU wurde „intensiv verhandelt“, sagt Schwarz, schließlich haben beide traditionell unterschiedliche Vorstellungen, nicht zuletzt beim Thema Ganztag in Grundschulen, für den Kretschmann seit Beginn seiner Amtszeit eintritt, und wo die CDU eher bremst.
Kommunen profitieren, weil das Land zahlt
Kommen soll die Ganztagsschule jetzt nur in sozialen Brennpunkten. Wie viele Schulen das sind, steht noch nicht fest. „Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen uns, dass die Mischung aus Lernphasen, sportlichem und kulturellen Angebot für den Bildungserfolg der Kinder das Richtige ist. Das ist der Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit. Deswegen beginnen wir bei den Schulen, die es besonders schwer haben und mehr Unterstützung benötigen“, so Schwarz gegenüber dem SÜDKURIER.

Wie Schwarz erklärt, profitierten davon auch die Kommunen, weil das Land die Kosten übernimmt, wohingegen der vom Bund ab 2026 festgelegte Ganztagsanspruch von den Kommunen finanziert werden muss. Der vom Land geplante rhythmisierte Ganztagsunterricht an Brennpunkt-Schulen werde vom Land mit Lehrerinnen und Lehrern finanziert, so Schwarz.
Bedenken, dass dies aufgrund knappen Personals gar nicht möglich sein sollte, hat der Grüne nicht: „Wir haben stetig die Studienplätze für das Grundschullehramt ausgebaut. Die höheren Abschlusszahlen machen sich seit diesem Schuljahr bemerkbar. Damit werden wir auch die Bedarfe in der Zukunft decken.“
Schon jetzt großes Loch im kommenden Haushalt
Schwieriger dürfte die finanzielle Umsetzung von Teilen der Reform werden. Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz hat für den kommenden Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 bereits eine Deckungslücke von 7,3 Milliarden Euro ausgemacht. Die Steuerquellen sprudeln auch im Südwesten nicht mehr wie in den Jahren zuvor. Sparen ist angesagt.
Reicht das Geld für die teuren Bildungsvorhaben? Eine Milliarde Euro will das Land für Sprachförderung in der Kita und die Stärkung der Grundschulen einsetzen. Diese zwei Vorhaben seien gesetzt, erklärt Schwarz gegenüber dem SÜDKURIER. Da bestehe Einigkeit in der Koalition: „Für die Kinder im Land ist das eine gute Nachricht.“
Nicht alle Schul-Pläne sind gesetzt
Aber auch der Grünen-Fraktionschef sieht die finanziellen Nöte: „Die schwierige Haushaltslage erfordert eine Priorisierung. Ich plädiere dafür, auf Sicht zu fahren und die Steuerschätzungen im Mai und November abzuwarten“, so Schwarz. Hinter die anderen Bildungsreformen, wie der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/26, kann man deshalb offenbar noch keinen Haken setzen. „Bei den anderen Punkten müssen wir schauen, wie wir diese im Haushalt abbilden können“, sagt Schwarz.
Mithilfe erwartet er auch von den Schulen selbst. „Auch das Schulsystem muss dafür Ressourcen heben.“ Sollen die nun Geld sammeln? So ist das nicht gemeint. Vielmehr sind viele Werkrealschulen sehr klein. „Zum Teil haben sie unter 16 Schüler pro Klasse.“
Um sie auf eine stabile Basis zu stellen, schaffe die Landesregierung Anreize, dass sich Werkrealschulen und Realschulen zu Verbundrealschulen zusammenschließen. „Damit sorgen wir für effiziente Strukturen in der Schullandschaft und für mehr Qualität“, sagt Schwarz.
Für wen gilt die Grundschulempfehlung?
Unklarheit herrschte in den vergangenen Tagen bei den Lehrerverbänden über die verbindliche Grundschulempfehlung. Die soll sich künftig aus drei Bestandteilen zusammensetzen: Lehrerempfehlung, Leistungstest und Elternwunsch. Stimmen zwei davon überein, soll das den Ausschlag geben. Wollen die Eltern ihr Kind dennoch aufs Gymnasium schicken, soll das Kind künftig einen weiteren Test absolvieren.

Gilt die Grundschulempfehlung also nur fürs Gymnasium? Ja, haben Realschullehrerverband und Philologenverband inzwischen herausgefunden. „Über den Besuch einer Realschule soll nach wie vor – auch bei abweichender Grundschulempfehlung und abweichendem Testergebnis – ausschließlich der Elternwille entscheiden“, schreiben die Verbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Karin Broszat aus Überlingen, die dem Realschullehrerverband vorsteht, reagierte gegenüber dem SÜDKURIER enttäuscht. Sie macht sich seit Jahren stark für eine verbindliche Grundschulempfehlung. Hier sieht sie einen Kardinalfehler der Bildungspolitik der vergangenen Jahre. „Das Leistungsprinzip für die Mehrheit der Schüler abgeschafft zu lassen, wäre ein unverzeihlicher Fehler.“