
80 Prozent der Bevölkerung sollten bis Ende Januar wenigstens ein Mal gegen das Coronavirus geimpft sein. Dieses Ziel hat Deutschland klar verfehlt. Die Region hat zum Erreichen dieser Quote nicht viel beigetragen. Zwischen Bodensee, Hochrhein und Schwarzwald wurde teilweise deutlich weniger geimpft als im Rest des Landes und des Bundes, zeigen Zahlen des Sozialministeriums Baden-Württemberg.
Auffallend ist das vor allem bei den Boosterimpfungen. Manche Landkreise liegen zehn Prozentpunkte hinter der Quote im Land. Sind die Südbadener Impfmuffel? Ganz so einfach ist es nicht.
„Von einer schleppenden Impfkampagne kann keine Rede sein“, sagt etwa Susanna Heim vom Landratsamt Waldshut, einem Landkreis mit besonders niedrigen Quoten. Sie verweist auf Impfungen, die noch nicht erfasst seien und auf Grenzgänger, die sich in der Schweiz immunisieren ließen. In anderen Landratsämtern wundert man sich hinter vorgehaltener Hand über die Zahlen, möchte sich mit Verweis auf die Zuständigkeit des Sozialministeriums aber nicht öffentlich äußern.
Die wirklichen Quoten sind unbekannt
Tatsächlich beschreiben die Quoten nicht nur den Impfstatus der Menschen, sie erzählen auch viel über den Mangel an zuverlässigen Daten in dieser Corona-Pandemie. „Eine absolut verlässliche Einschätzung für die Impfquoten in den Kreisen ist aufgrund unterschiedlicher Erfassungs- und Übermittlungssysteme derzeit nicht möglich“, schreibt das Sozialministerium auf Anfrage des SÜDKURIER.
„Im Übrigen setzt sich Baden-Württemberg bereits seit längerem für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ein.“Sprecherin des Sozialministeriums
Heißt mit anderen Worten: Niemand weiß genau, wo wie viele Menschen gegen Covid-19 geimpft sind. Denn die Impflinge werden nicht konsequent erfasst. Ermittelt werden die Quoten über Postleitzahlen, allerdings nicht zwingend über die der Person, die geimpft wird. Um den Ärzten den Bürokratieaufwand zu ersparen, werden Impfungen bei Betriebsärzten nur auf Landesebene gezählt. Die Spritzen, die Hausärzte setzen, werden der Postleitzahl der Praxis zugeordnet. Einzig bei den Impfangeboten des Landes wird die Herkunft des Impflings übermittelt.
Teilweise mehr Booster als Zweitimpfungen
So kam es vergangene Woche zu der absurden Situation, dass im Landkreis Freudenstadt mehr Boosterimpfungen ausgewiesen waren als Zweitimpfungen. Inzwischen haben sich die Quoten wieder angepasst. Freudenstadt bleibt aber mit Abstand Spitzenreiter im Land.
„Die hohe Quote ist unter anderem auf das große Engagement der niedergelassenen Ärzte zurückzuführen, die Patientinnen und Patienten auch von außerhalb des Landkreises mit Auffrischimpfungen versorgen“, schrieb das Landratsamt Freudenstadt Mitte Januar.
Im Sozialministerium weiß man um die mangelnde Aussagekraft der Zahlen. „Es geht bei der Impfquote in den Stadt- und Landkreisen nicht darum, eine Art Wettbewerb zwischen den Kreisen abzubilden, sondern Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, wo es vielleicht Unwuchten gibt“, heißt es aus Stuttgart. Die Berechnungen seien eine freiwillige Sonderauswertung. Politisch ausschlaggebend sei die Landesquote, die das Robert-Koch-Institut ausweise.