
Knapp über die Hälfte aller Menschen sind Frauen. Sieht man in die Bürgermeisteramtsstuben und die Gemeinderäte der Region, kann man daran allerdings zweifeln. Frauen sind dort eher selten zu sehen, es gibt sogar Gemeinderäte, in denen nur Männer sitzen. Eine Oberbürgermeisterin sucht man vergebens. In den meisten Gemeinden entscheiden Männer über die Kommunalpolitik.
Monika Laule hat es versucht, sie wollte Oberbürgermeisterin in Radolfzell werden. Und musste sich im Wahlkampf Sätze wie „Ich wähle doch keine Frau!“ anhören. Inzwischen ist sie Bürgermeisterin in Radolfzell. Sie gehört damit zu den knapp neun Prozent aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg, die weiblich sind.
Die erste Bürgermeisterin in Baden-Württemberg gab es 1992
Eine weitere Bürgermeisterin arbeitet seit acht Jahren in Singen. Im Sommer endet Ute Seifrieds Amtszeit, aber sie will sich erneut zur Wahl stellen lassen. In großen Kreisstädten wie Radolfzell und Singen gibt es zusätzlich zum Oberbürgermeister Bürgermeisterinnen. Diese sind nicht von der Bevölkerung, sondern vom Gemeinderat gewählt.
Die neun Prozent, zu denen die beiden gehören, sind allerdings schon ein Fortschritt. „Erst 1992 gab es in Baden-Württemberg die erste Bürgermeisterin, davor war das ein reiner Männerjob“, erklärt Paul Witt, der an der Hochschule Kehl lehrt und dort Rektor war.
Aber nicht nur Bürgermeisterinnen sind eine Seltenheit, auch in Gemeinderäten sind Frauen in der Unterzahl. In Radolfzell sind 30 Prozent der Mitglieder Frauen:
Dabei ist der Ort, in dem Monika Laule Bürgermeisterin ist, noch über dem baden-württembergischen Durchschnitt, denn der liegt bei 26,8 Prozent:
In den Ratsstuben sitzen allerdings von Jahr zu Jahr mehr Frauen. „In Gemeinderäten hat sich die Situation mehrheitlich gebessert und der Trend geht nach oben“, erklärt Witt.
Noch weniger Frauen als im Gemeinderat sitzen in den Kreistagen:
Grund für die wenigen Frauen in der Kommunalpolitik sind für Ute Seifried vor allem die Arbeitszeiten. Die Sitzungstermine seien oft abends oder am Wochenende und machen „die Vereinbarkeit von Familie und Funktion für beide Geschlechter sehr schwierig.“ Um so einen Beruf als Frau ausüben zu können, bräuchte man einen Partner, der hinter einem steht. „Mein Mann hat auch seine Arbeitszeiten reduziert, sonst wäre das gar nicht machbar“, erklärt die Singener Bürgermeisterin.
Erst Kinderkriegen, dann politische Ämter
Die Familie ist auch für Witt auch ein Grund, warum es so wenige Bürgermeisterinnen gibt: „Nur Frauen können Kinder kriegen und scheuen sich deshalb in der Regel davor, sich für das Bürgermeisteramt herzugeben. Sie wollen erst eine Familie gründen.“ Ein weiteres Problem sei zudem, dass generell zu wenige Frauen ein politisches Amt anstreben.
Ehrenämter statt Entscheidungsämter
Die Radolfzeller Bürgermeisterin Laule sieht zwar viele Frauen, die aktiv seien, aber dies wäre zumeist in Ehrenämtern: „Das ist toll und sie leisten unglaublich viel, aber man ist eher so der Bittsteller wenn es in der Politik um Entscheidungen und Finanzierungen geht.“ Frauen müssten in aktive Positionen kommen, wo Entscheidungen getroffen werden und Geld zur Verfügung stehe, meint Laule.

Sie und Seifried sind sich einig, dass eine weibliche Perspektive ein Vorteil im Amt sein kann. Laule meint, „über 50 Prozent unserer Gesellschaft machen Frauen aus, mit all ihren Themen und Lebenslagen, die sie haben“. Ihrer Meinung nach fehlt in männlich dominierten Gemeinderäten „der erfahrene Blick der Frauen auf die Gesellschaft auf die Familien“.
„Bürgermeister ist kein Männerberuf“
Auch Witt sagt, im Bürgermeisteramt können Frauen ein Vorteil sein. „Bürgermeister ist kein Männerberuf. Frauen können das genauso gut, vielleicht sogar besser. Sie wirken in männerdominierten Gemeinderatsgremien oft ausgleichender“, sagt Witt.
Dazu passt, dass Seifried von positiven Rückmeldungen zu denen von ihr geleiteten Sitzungen berichtet. Es wäre auffallend, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Wort kämen. Dies sei bei männlich geleiteten Sitzungen anders: „Bei vielen meiner Kollegen nehme ich schon wahr, dass sie viel an sich ziehen. Dass sie das Interesse haben, so viel wie Redezeit wie möglich zu bekommen.“
Auch wenn die Frauen in ihrem Amt positive Rückmeldungen bekommen, Laule hat in der Vergangenheit auch die Erfahrung machen müssen, dass ihr als Frau eine verantwortungsvolle Position nicht zugetraut wurde. Auch nicht von anderen Frauen. Werden Frauen also seltener gewählt als Männer, wenn sie kandidieren?
Frauen haben die gleiche Chance, gewählt zu werden
Dazu wurde viel geforscht und der frühere Hochschuldirektor Witt kennt die Ergebnisse: „Frauen haben laut unseren und anderen Studien, genau die gleiche Chance, gewählt zu werden.“ Das Problem sei, dass Frauen seltener kandidieren. Aber wenn sie auf der Liste stehen, werden sie genauso wahrscheinlich gewählt wie Männer.
Damit mehr Frauen in der Kommunalpolitik kommen, gibt es laut ihm einen Weg: „Politische Parteien und Wählervereinigungen sollten Frauen vor der Wahl ansprechen und mobilisieren, damit sie kandidieren.“ In einigen Parteien gibt es da mehr Aufholbedarf als in anderen, wie der Anteil der gewählten Frauen pro Partei bei der letzten Gemeinderatswahl zeigt:
Bei den Grünen waren schon fast die Hälfte der gewählten Ratsmitglieder Frauen, bei der AfD weniger als acht Prozent.
Im kommenden Jahr sind wieder Kommunalwahlen, da wird sich zeigen, ob die Parteien mehr Frauen aufstellen und mehr Frauen in den Gemeinderäten der Region sitzen. Laule und Seifried hoffen, dass mehr Frauen für ein politisches Amt antreten. Diesen Kandidatinnen rät Seifried am besten im Vorhinein abzuklären, wie ihr Mann sie unterstützen kann.