Was wird von Frauen in Führungspositionen erwartet? In welchen Bereichen stoßen sie trotz ihrer Erfahrung an die gläserne Decke oder erleben Hürden, die auf ihr Geschlecht zurückzuführen sind? Und wie steht es um die Gleichberechtigung in Konstanz?

Zum Weltfrauentag, 8. März, sprechen hier sechs Konstanzerinnen. Sie engagieren sich am Bodensee, sie bewegen etwas in den den Bereichen Kultur, Bildung, Politik, Wirtschaft und Ehrenamt. Und eines haben ihre Botschaften an die Frauen gemeinsam. Sie raten: Traut euch!

Karin Becker, Intendantin des Theaters Konstanz

Karin Becker ist Intendantin am Theater Konstanz und wünscht sich mehr Frauen in Leitungsfunktionen.
Karin Becker ist Intendantin am Theater Konstanz und wünscht sich mehr Frauen in Leitungsfunktionen. | Bild: Hanser, Oliver

Frauen in Leitungsfunktion gebe es in Konstanz vor allem im Sozialen und Kulturbereich, sagt Karin Becker. Sie selbst ist dafür ein Beispiel. Seit 2020 ist sie Intendantin des Konstanzer Stadttheaters und hat in dieser Funktion trotz Pandemie viele neue Abonnentinnen für das Theater gewinnen können. „Es braucht unbedingt mehr Frauen in Führungspositionen“, sagt sie.

Sie untermauert diese Haltung mit dem Verweis auf eine amerikanische Studie: Bei 17 von 19 Führungskompetenzen schneiden Frauen demnach besser ab, unter anderem in den Punkten „Ergreift die Initiative“ und „Inspiriert und motiviert“. Was sie als Frau von männlichen Führungskräften unterscheide? „Ich höre sehr aufmerksam zu. Ich lasse Menschen ihren Satz zu Ende bringen, lasse Menschen Vorschläge machen und übertrage Verantwortung“, sagt Karin Becker.

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Dann ist da das Problem des Gehalts. „Ich wurde in allen bisherigen Positionen schlechter bezahlt als männliche Kollegen“, so die Intendantin. Und sie habe gemerkt, dass Männer mit schlechteren Inhalten weiter gekommen sind als sie. Es sei generell notwendig, Frauen und andere marginalisierte Gruppen in gesellschaftliche und politische Prozesse einzubinden, sagt sie, auch mit Verweis auf den Iran.

Nour Almohamad Alfadel engagiert sich bei den Maltesern

Nour Almohamad Alfadel ist mit ihrer Familie aus Syrien geflüchtet. Seit 2017 lebt sie in Deutschland und engagiert sich bei der ...
Nour Almohamad Alfadel ist mit ihrer Familie aus Syrien geflüchtet. Seit 2017 lebt sie in Deutschland und engagiert sich bei der Malteser Jugend Konstanz. | Bild: Simon Conrads

Ein positiveres Bild zeichnet Nour Almohamad Alfadel. Sie ist mit ihrer Familie 2013 aus Syrien geflohen und lebt seit 2017 in Deutschland. Aktuell macht sie ihr Fachabitur und engagiert sich als Sanitätshelferin bei der Malteser Jugend, als Gruppenleiterin betreut sie Kinder und Jugendliche. Frauen seien ihrer Meinung nach oft besser darin, diszipliniert zu sein und emotional zu reagieren, das erlebe sie bei den Maltesern.

Die 21-Jährige habe das Gefühl, dass Frauen im Umgang mit Kindern etwas besser geeignet wären. Alfadel kann sich langfristig vorstellen, mit Jugendlichen zu arbeiten, auf einen Bürojob hat sie keine Lust. Was sagt sie zum Thema Gleichberechtigung in Konstanz? „Nach meinen Erfahrungen klappt das überall ganz gut. Ich hatte nie das Gefühl, dass da, wo ich war, irgendwas anders sein sollte.“

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Auch den Eindruck, als Frau an eine gläserne Decke zu stoßen, habe die 21-Jährige bislang nicht. Allerdings: „Damals, als ich noch mein Kopftuch getragen habe, waren die Reaktionen ein bisschen kritisch.“ Seit sie es nicht mehr trägt, habe sich das erledigt.

Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete im Kreis Konstanz

Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete, hält nichts von „boy clubs“, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen.
Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete, hält nichts von „boy clubs“, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen. | Bild: Laurence Chaperon

Ann-Veruschka Jurisch, FDP, sitzt seit 2021 für den Wahlkreis Konstanz im Bundestag. In Konstanz studierte sie Rechtswissenschaften, 2001 hat sie promoviert. „Ich war in all den Jahren meiner Berufstätigkeit in sehr stark männlich geprägten Umfeldern unterwegs“, schreibt sie in einer E-Mail. „Es war für mich immer völlig in Ordnung, aber diese ‚Boys Clubs‘ sind aus der Zeit gefallen.“ Mit einer gläsernen Decke sei die 51-Jährige aber nie konfrontiert gewesen.

Dennoch sei es wichtig, Frauen in Führungspositionen zu haben, die als Vorbilder weitere Frauen nachziehen. „Frauen tun sich wahrscheinlich im Schnitt leichter damit, auch emotionelle Fragen in einem Team aufzugreifen und anzusprechen“, so Ann-Veruschka Jurisch.

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Sie möchte Frauen besonders ermutigen, sich politisch zu engagieren. Der Konstanzer Gemeinderat beispielsweise sei mit einer Frauenquote von 25 Prozent noch zu weit von Geschlechterparität entfernt.

Bettina Gräfin Bernadotte, Geschäftsführerin der Mainau

Gräfin Bettina Bernadotte orientiert sich beim Thema Gleichberechtigung gern am schwedischen Modell.
Gräfin Bettina Bernadotte orientiert sich beim Thema Gleichberechtigung gern am schwedischen Modell. | Bild: Oliver Hanser

Die Gräfin sieht in Sachen Gleichberechtigung einen Vorteil in der schwedischen Prägung der gräflichen Familie und damit auch des Betriebs der Mainau. „Wir versuchen, Lösungen für gute Lebensbedingungen zu finden und machen das möglichst nicht am Thema Geschlechter fest. Es gibt aber Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die nicht wegzudiskutieren sind.“ So müsse man etwa die größere Körperkraft bei Männern bei den weiblichen Beschäftigten mit dem Einsatz von Maschinen ausgleichen.

Wo es in Konstanz noch an Gleichberechtigung fehle? In Schweden würden die Firmen über die Quote gezwungen, nach kompetenten Frauen zu suchen, erklärt die 49-Jährige. „Soweit sind wir noch nicht. In Konstanz möchte man Diversität leben, traut sich aber vielleicht nicht, etwas Neues auszuprobieren“, sagt die Geschäftsführerin der Mainau.

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Vielen Firmen falle es schwer, eine Führungsfunktion in Teilzeit zu vergeben – diese Bereitschaft müsse aber da sein, wenn man Frauen in Leitungspositionen gewinnen wolle. „Bei uns auf der Mainau hat sich vieles geändert, als wir junge Väter aktiv ansprachen, ob sie Elternzeit nehmen wollen“, erläutert sie.

Sabine Rein, Präsidentin der Konstanzer HTWG

Sabine Rein ist der Meinung, dass Frauen viel stärker auf dem Prüfstand stehen, wenn sie ein Unternehmen leiten.
Sabine Rein ist der Meinung, dass Frauen viel stärker auf dem Prüfstand stehen, wenn sie ein Unternehmen leiten. | Bild: HTWG

Bei der Gleichberechtigung habe sich viel getan, sagt Sabine Rein – aber es bestehe weiter Handlungsbedarf. „Ich bin zum Beispiel die erste Präsidentin der HTWG seit 1906.“ Im technischen Bereich gebe es noch wenige Frauen in Leitungsfunktionen. Aus Reins Sicht unterscheiden sich weibliche und männliche Führungsstile – ein weiblicher Stil sei aber nicht auf Frauen begrenzt. Viele Firmen seien weiterhin von einem sehr männlichen Stil geprägt.

„Mein eigener Stil ist kommunikativ, respektvoll und meiner Meinung nach auch lösungsorientiert“, sagt die Hochschulpräsidentin. „Das heißt aber nicht, dass es sich um eine Wohlfühlblase handelt.“ Frauen in Führungspositionen stünden stärker in der Verantwortung: „Wir stehen als Frauen ständig auf dem Prüfstand. Man soll sich bloß nicht verhalten wie ein Mann – aber bitte nicht zu weiblich.“

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Für Konstanz ist Sabine Rein jedoch optimistisch: „Es ist toll, dass die Uni eine Rektorin hat, die HTWG eine Präsidentin“, sagt die 57-Jährige, es gebe im Kultur- und Bildungsbereich viele Frauen in Führungspositionen. „Die Frauen sind auch gut in ihren Ämtern. Dass das so ist, sollte man als Leistung anerkennen.“

Katharina Müller, Geschäftsführerin der Metzgerei Otto Müller

Katharina Müller hat sich als Jugendliche geärgert, dass Frauen die Leitung einer Metzgerei nicht automatisch zugetraut wird.
Katharina Müller hat sich als Jugendliche geärgert, dass Frauen die Leitung einer Metzgerei nicht automatisch zugetraut wird. | Bild: Ulrike Sommer

Für die Chefin der Metzgerei Otto Müller, die in Konstanz mehrere Filialen betreibt, war es stets selbstverständlich, sich in einer männerdominierten Branche durchsetzen zu müssen. „In meiner Jugend sagten Menschen zu meinen Eltern, egal, wo wir hinkamen: ‚Wie, ihr habt zwei Töchter? Wer soll denn das Geschäft übernehmen?‘“ Diese Haltung habe sie geärgert, aber gleichzeitig geprägt. „Ich bin sehr ehrgeizig und das war der Ansporn zu zeigen, dass ich es kann.“ Kinder hätten in diesem Lebensentwurf keinen Platz gehabt.

Auch Katharina Müller empfindet Männer als dominanter beim Leiten eines Betriebs, Frauen erlebt sie als gefühlsbetonter. „Es gibt Situationen, in denen das eine oder das andere sinnvoller ist. Als Frau muss man sich in unserer Branche mehr erarbeiten, man ist selbstkritischer.“

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Ähnlich wie Sabine Rain sieht sie Konstanz in den Bereichen Bildung und Verwaltung gut aufgestellt mit Frauen in den Spitzenämtern. „In Wirtschaftsbetrieben ist das weniger verbreitet“, sagt sie. Und auch bei der Kinderbetreuung zu bestimmten Zeiten – etwa frühmorgens oder auch mal samstags – gebe es Nachholbedarf.