„Die Bodenseeregion ist aktuell eine der spannendsten Weinregionen“, sagt Natalie Lumpp. Sie ist Sommelière, hat schon in mehreren Spitzenrestaurants gearbeitet und zeigt ihre Weinexpertise regelmäßig im Fernsehen.
Die Weinberge am Bodensee liegen sehr hoch, am Hohentwiel befindet sich die höchste Weinlage Deutschlands auf 560 Metern über dem Meeresspiegel. Durch den Bodensee entsteht ein besonderes Mikroklima, das für milde Temperaturen sorgt. Auch die Moränenschotterböden, die man in der Region findet, haben einen Einfluss auf den Geschmack.
Ideale Bedingungen für den Weinbau
„Am Bodensee herrschen ideale Bedingungen für den Weinbau“, sagt Natalie Lumpp. Die Region sei außerdem eine Gewinnerin des Klimawandels: Im Sommer wird es wärmer, durch den See wird es aber nicht zu heiß.
Die Bodenseeregion ist eine kleine Anbauregion, in der die Winzer laut Natalie Lumpp sehr kreativ Weinbau betreiben. „Es gibt viele junge Winzer, die gute Ideen haben. Und es gibt sehr viel Austausch untereinander“, sagt Lumpp.
Die Grauburgunder vom Bodensee findet die Expertin sehr spannend. „Grauburgunder sind gerade wahnsinnig im Trend“, sagt Natalie Lumpp. Lange Zeit habe der Grauburgunder in der Fachwelt als überbewertet gegolten. „Durch das Mikroklima am Bodensee entstehen hier feine Grauburgunder mit mehr Grip, mehr Spannung“, sagt Natalie Lumpp.
Doch welches ist der beste Grauburgunder vom Bodensee? Für den SÜDKURIER hat Natalie Lumpp Weine von neun Weingütern verkostet, die im Verbreitungsgebiet besonders gut bekannt sind. Die Weine hat sie blind probiert, um nicht voreingenommen zu sein.
Alle Weine kosten zwischen neun und 14,50 Euro und bewegen sich somit im gleichen Preissegment. Von allen getesteten Weingütern wurden Grauburgunder aus der niedrigsten Preiskategorie ausgesucht. Sie stammen aus dem aktuellen Jahrgang, der zum Zeitpunkt der Probe Mitte Juni verfügbar war.
„Alle neun Weine sind sehr geschliffen, sehr fein im Geschmack“, sagt Lumpp nach der Probe. Die getesteten Weine befinden sich laut Lumpp alle auf einem hohen Niveau: Es sei kein Wein dabei gewesen, der gar nicht geschmeckt habe. Die Weine seien sehr unterschiedlich, hier finde jeder etwas für seinen Geschmack. „Ich würde sagen, die Bodenseeregion ist eine sehr gute Referenz, wenn man gute Grauburgunder trinken möchte.“
Besonders vom Preis-Leistungs-Verhältnis ist Natalie Lumpp positiv überrascht: „Für die Qualität der Weine ist der Preis phänomenal.“ Vier Weine haben der Sommelière besonders gut geschmeckt. „Sie haben in meiner Punktevergabe mehr als 90 Punkte erhalten, was wirklich viel ist“, sagt Lumpp.
Der Gewinner: Weingut Aufricht
Der Gewinner-Wein ist der Grauburgunder 2024 vom Weingut Aufricht aus Stetten (Bodenseekreis). Johannes Aufricht führt das Familienweingut gemeinsam mit seinem Vater und seinem Onkel.
„Farblich sehen wir ein helles Stroh“, sagt Natalie Lumpp. „Man riecht zunächst Aromen von Birne, dann Gewürze, unter anderem Muskatnuss. Dadurch erhält der Wein eine gewisse Tiefe. Wenn er etwas Luft bekommen hat, kommt eine Pfirsichnote hinzu. Geschmacklich ist er sehr schlank, er hat eine frische Art und eine moderate Säure. Man schmeckt den längeren Kontakt mit der Traubenschale, dadurch bekommt der Wein Biss. Eine leichte Karamellnote kommt hinzu. Im Abgang wird er sehr nussig und markant. Ein sehr prägnanter, leckerer Wein.“
Zweiter Platz: Weingut Vollmayer
Der Grauburgunder 2023 Berglage vom Weingut Vollmayer liegt auf dem zweiten Platz. Georg und Beate Vollmayer führen das Weingut gemeinsam mit ihren Töchtern Lisa, Isabell und Desiree. Zum Weingut gehört auch ein Hotel: die Weinvilla.
„Der Wein hat eine tolle Farbe, ein leuchtendes Gold“, sagt Natalie Lumpp. „In der Nase ist er sehr attraktiv, sehr floral und fein gearbeitet. Er erinnert an Kräutertee, wie Verveine. Die Kräuter bleiben auch sehr lange hinten auf dem Gaumen. Der Wein schmeckt leicht nach Karamell. Der Alkohol ist sehr gut ausbalanciert, hier ist alles in Perfektion. Man möchte weitertrinken – er ist einfach perfekt.“
Dritter Platz: Winzerverein Hagnau
Der Grauburgunder 2023 Hagnauer Burgstall vom Winzerverein Hagnau liegt auf dem dritten Platz. Der Winzerverein Hagnau ist nach eigenen Angaben mit rund 52 Winzerfamilien und einer 170 Hektar großen Rebfläche der größte genossenschaftliche Weinbaubetrieb am Bodensee.

„Dieser Wein ist kräftiger in der Farbe. Er hat Aromen von Aprikose, Pfirsich und frische Vanille in der Nase. Man schmeckt den Fruchtschmelz – eine richtige Fruchtbombe. Die Trauben dieses Weins waren sehr reif bei der Ernte. Eine leichte Honignote kommt hinzu. Mit seiner leichten Restsüße wirkt er köstlich. Der Wein ist sehr durchgängig, sehr perfekt gemacht.“
Vierter Platz: Staatsweingut Meersburg
Der Grauburgunder 2023 Gutswein vom Staatsweingut Meersburg erreicht den vierten Platz. Unter Weingutsdirektor Jürgen Dietrich bewirtschaftet ein großes Team die Lagen in Meersburg, am Hohentwiel in Singen und in Gailingen am Rhein. Erster Kellermeister ist Johannes Bruckner.

„In der Nase ist der Wein erst verhalten“, sagt Natalie Lumpp. „Er hat eine Karamellnote, im Geschmack ist er eher mollig, cremig. Er entwickelt sich, braucht ein wenig Luft. Dann wird er immer besser, er erinnert an Jasmin und frische Äpfel. Ein ganz anderer Stil. Der Alkohol ist gut verarbeitet, ein sehr hochwertiger Wein, der viel zu erzählen hat. Er bleibt lang im Mund und hat Spannung, im Abgang hat er eine leichte Bitterness.“
Fünfter Platz: Weingut Rebholz
Auf dem fünften Platz liegt der Bohlinger Grauburgunder 2023 vom Weingut Rebholz. Seit 2002 baut Hans Rebholz Reben auf der Höri und in Singen an. Das Weingut führt er mit seinen Söhnen Klaus und Christian.
„Eine gelbgoldene Farbe“, sagt Natalie Lumpp. „In der Nase riecht man Aromen von Pfirsich, Mirabelle und Aprikose. Im Geschmack hält der Wein, was er im Geruch verspricht. Die Restsüße ist etwas höher. Er bleibt lange im Mund, ein schön gemachter Wein.“
Sechster Platz: Markgraf von Baden
Auf dem sechsten Platz liegt der Birnauer Grauburgunder 2023 vom Weingut Markgraf von Baden. Die Standorte des Weingutes liegen sind im Schloss Salem am Bodensee und auf Schloss Staufenberg in der Ortenau.

„Der Wein zeichnet sich farblich durch ein leuchtendes, helles Gold aus“, sagt Natalie Lumpp. „Ein filigraner Wein mit Noten von Litschi und Pfirsich – wirkt im Duft ganz bezaubernd. Er bleibt im Geschmack filigran, hat wenig Säure. Im Abgang dominiert der Alkohol etwas.“
Siebter Platz: Weingut Kress
Der siebte Platz wurde gleich dreimal vergeben: Zunächst an den Grauburgunder 2024 vom Weingut Kress in Überlingen. Das Weingut führen Thomas und Kristin Kress mit ihren Kindern Johannes und Viola. Kellermeister ist Volker Blum.
„Farblich ein helles Stroh“, sagt Natalie Lumpp. „Hier schmeckt man erst Gewürze, zum Beispiel weißer Pfeffer. Dann kommt ein Aroma von Birne. Er wird floraler, ist eher fein verwoben. Der Wein hat wenig Säure, ist angenehm zu trinken. Hinten wird er etwas beliebiger. Ein sauberer, klarer, ‚trinkiger‘ Wein.“
Siebter Platz: Spitalkellerei Konstanz
Auch der Grauburgunder 2023 Konstanzer Sonnenhalde von der Spitalkellerei Konstanz landet auf dem siebten Platz. Hubert Böttcher und Stephan Düringer führen den Betrieb, den sie 2002 von der Stadt Konstanz übernahmen.
„Ein sehr floraler Wein“, sagt Natalie Lumpp. „Etwas einfacher gehalten. Er hat Noten von weißem Pfeffer, wird hinten dann molliger und sättigender. Ein gut gemachter Wein.“
Siebter Platz: Winzerverein Reichenau
Ebenfalls auf dem siebten Platz ist der Grauburgunder 2023 Reichenauer Hochwart vom Winzerverein Reichenau. Kellermeister der Reichenauer Winzer ist Thomas Sättele. Gerade erst feierte der Winzerverein 1200 Jahre Weinbautradition.

„Hier riecht man Aromen von frischer Walnuss“, sagt Natalie Lumpp. Hinten ist der Wein sehr würzig, kernig, es kommen leichte Bitterstoffe dazu. Er schmeckt etwas süßer.“