Seit Wochen tobt im Bundestag ein Streit um Regenbogenfahnen auf dem Bundestag. Los ging der Zoff mit Äußerungen der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die sich vehement dagegen aussprach, die Regenbogenfahne anlässlich des Christopher Street Days am 26. Juli in Berlin aufzuhängen.

Man sei der Deutsche Bundestag, deshalb soll nur die Fahne Schwarz-Rot-Gold wehen, sagte sie in einem Interview mit dem Online-Portal T-Online Ende Juni. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) goss Tage später neues Öl ins Feuer. So antwortete er in der Talkshow von Sandra Maischberger auf die Frage, wie er es finde, dass die Regenbogenflagge zum CSD nicht auf dem Bundestag gehisst werden soll, dass der Bundestag ja schließlich kein Zirkuszelt sei. Wasser auf die Mühlen von Merz-Kritikern: Bezeichnet der Bundeskanzler queere Menschen als Clowns?

Jedenfalls geht der Flaggen-Zoff nun in die nächste Runde. Am Montag sind Abgeordnete in Berlin dazu aufgerufen worden, angebrachte Regenbogenfahnen zu entfernen, was mit der Hausordnung begründet wurde. Das Anbringen von Fahnen sei „grundsätzlich und unabhängig von der konkreten Symbolik nicht gestattet“, sagte ein Sprecher des Bundestags. Es gehe dabei nicht um die Kontrolle von Regenbogenfahnen.

Laut Artikel 4 der Hausordnung sei das Anbringen von Postern und Plakaten an Türen, Wänden oder Fenstern in den Gebäuden des Bundestages sowie an Fenstern und Fassaden, die von außen sichtbar sind, ausnahmslos nicht gestattet.

Anruf kam von der Bundestagspolizei

Davon betroffen war auch die Konstanzer Abgeordnete Lina Seitzl (SPD). Der Anruf sei von der Bundestagspolizei gekommen, sagt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Das habe sie „sehr irritiert.“ Die Flagge habe innerhalb ihrer Räumlichkeit im Paul-Löbe-Haus im fünften Stock gehangen. „Die hing halt schon am Fenster“, sagt Seitzl, „aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Vielleicht war ich etwas naiv.“

Provozieren habe sie mit der Flagge nicht wollen, auch war das Anbringen der Flagge nicht als explizites Zeichen gegen die Entscheidung von Julia Klöckner gedacht gewesen. Die damalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) habe die Flagge aber erstmalig 2022 anlässlich des CSD gehisst – „das fand ich gut“, so Seitzl.

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Eifer der Bundestagspolizei sei überraschend

Man wollte mit der Flagge ein Zeichen setzen – für Vielfalt, für den anstehenden CSD und für ihr Team. „Wir sind ein diverses Team und eine diverse Gesellschaft“, sagt sie. Dafür habe sie ein Zeichen setzen wollen, für Toleranz und für Vielfalt. Toleranz sei schließlich auch ein Teil des Grundgesetzes

So sei es für Seitzl höchst verwunderlich, dass die Bundestagspolizei die Zeit dafür habe, die Büros der Abgeordneten auf Regenbogenfahnen zu checken. „Diese sollte doch gerade genug andere Themen haben“, sagt sie. Der Eifer, mit dem die Polizei hier bei der Sache sei, überrasche sie.

Die Debatte um die Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude zeige für Seitzl daher nur, wie aufgeheizt die Zeiten seien: „Lieber würde ich darüber reden, was der Bundestag in dieser Woche alles an guten Themen besprochen hat“, sagt sie. In Zeiten von zunehmender Gewalt gegenüber queeren Personen und des Rechtsrucks sei es aber laut ihr buchstäblich wichtig, „Flagge zu zeigen.“