Kommt neuer Schwung in das Thema der im Herbst 1977 von einem palästinensichen Terrorkommando entführten „Landshut“? Der frühere Lufthansa-Jet, der 2017 von Brasilien als Wrack an den Bodensee gebracht wurde, wird zurzeit im Auftrag der Bundesanstalt für politische Bildung (BPB) in einer Halle am Flughafen Friedrichshafen für eine Ausstellung präpariert.
Allerdings gibt es an der Konzeption starke Kritik. Diese entzündet sich an der überwiegend museumspädagogisch ausgerichteten Präsentation der betagten Boeing 737 und geht unter anderem von mehreren der damaligen Entführungsopfer aus, die mit dem Kurs der Bundeszentrale nicht einverstanden sind.
Ex-Geiseln unterschreiben offenen Brief
Als deren Sprachrohr ist nun erneut der frühere SWR-Redakteur, Buchautor und „Landshut“-Experte Martin Rupps aktiv geworden. Er hat einen offenen Brief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gerichtet, den die Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlicht hat und der von einer Reihe früherer Geiseln unterschrieben wurde.
Dazu gehört der damalige Lufthansa-Pilot Jürgen Vietor, die frühere Stewardess Gabriele von Lutzau, die Passagierin Diana Müll und Dieter Fox, damals als Beamter der GSG-9 an der Befreiung der „Landshut“ in Mogadischu beteiligt. Auch Hanns-Eberhard Schleyer, Sohn des von der RAF damals entführten und dann ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer, hat sich der Petition angeschlossen.
Innenausstattung von damals gibt es nicht mehr
Die 13 Unterzeichner beharren auf einer zumindest teilweisen Rekonstruktion der „Landshut“, die als zeithistorische Gedenkstätte an das Leid der Entführungsopfer aufzufassen sei. Die BPB lehnt eine Restaurierung des Fliegers bisher ab und verweist auf die fast gänzlich verlorengegangene Innenausstattung, so wie es sie 1977 gab.

Was die Petenten um Martin Rupps besonders ärgert: dass nicht einmal geklärt ist, ob der Jet im Ganzen als Flugzeug wiederzuerkennen ist. Bereits jetzt ist klar, dass das haushohe Seitenleitwerk der Boeing aufgerichtet nicht in die Ausstellungshalle passen wird.
Ein Sprecher der BPB teilt auf Anfrage des SÜDKURIER mit, dass die Konzeption der Ausstellung noch nicht abgeschlossen sei. Allerdings sei sie durchaus auf „Anschauung“ ausgerichtet. Man arbeite an einer „zeitgemäßen, multiperspektivischen und an den Qualitätsstandards politischer Bildung sowie musealer Vermittlung orientierten Konzeption“.

Die Kritiker befürchten dagegen „eine Art Frontalunterricht rund um einen Haufen Wrackteile“, wie in dem Brief an Dobrindt heißt. Das aber verfehle den „eigentlichen Zweck des erinnerungspolitischen Vorhabens“. Für die mehr als 80 Geiseln, die teilweise jahrelang unter Traumata litten, und ihre Angehörigen sei wichtig, dass sie in der Ausstellung ein Gesicht und eine Biografie bekommen. Das gelte auch für Männer der GSG 9.
Ministerium will „größtmögliches Einvernehmen“
Auf Anfrage des SÜDKURIER teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) als vorgesetzte Behörde der BPB mit, es gebe nach wie vor unterschiedliche Positionen – auch bei Betroffenen und Wissenschaftlern – zur Frage der Rückversetzung der „Landshut“ in den Zustand von 1977. Dies betreffe auch die inhaltliche Ausgestaltung des Standorts Friedrichshafen.
Aufhorchen lässt, was der BMI-Sprecher nachschiebt. Die unterschiedlichen Standpunkte sollen seitens BMI und BPB „im größtmöglichen Einvernehmen mit den Beteiligten geklärt werden“. Wird den Zeitzeugen von 1977 also die Möglichkeit eingeräumt, dass ihre Forderungen gehört werden und die Boeing als jenes Flugzeug wieder erkennbar wird, in dem sich das dramatischste Entführungsdrama in der Geschichte der Bundesrepublik abgespielt hat?
Abteilungsleiter und SPD-Mann wurde abgelöst
Es ist durchaus möglich, dass sich im BMI der Auftrieb für eine andere als die von der BPB geplante Aufstellung durchsetzt. So wurde der auch für die „Landshut“ zuständige Abteilungsleiter für „Heimat, Zusammenhalt und Demokratie“, ein SPD-Mann, vor kurzem abgelöst und durch den CSU-Mann Lothar Müller ersetzt. Auch die Diensttage von Thomas Krüger (66), seit 25 Jahren Präsident der BPB, dürften, wie zu hören ist, bald gezählt sein.
Möglicherweise wird das BMI unter Dobrindt also einen neuen „Landshut“-Kurs einschlagen. Als wenig sinnvoll dürfte erachtet werden, 2026 in Friedrichshafen eine Ausstellung zu eröffnen, die von lautstarker Kritik derjenigen begleitet wird, die in dem Flugzeug tagelang um ihr Leben fürchten müssten und in dem Flugkapitän Jürgen Schumann von den Terroristen erschossen wurde.
Am Ende doch ins Deutsche Museum?
Denkbar ist auch, dass die „Landshut“ nicht auf Dauer in der nur angemieteten Halle am Bodensee gezeigt wird. „Schon Alexander Dobrindts Vor-Vorgänger, der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer, wollte die Maschine nach Bayern holen“, sagt Martin Rupps dem SÜDKURIER. Dem schließt er sich an. „Das Deutsche Museum in München soll es bekommen für einen seiner Standorte.“