Es ist ein Preis mit G‘schmäckle, er wurde in der überschaubaren Stuttgarter Szene des feministischen Netzwerks aus der Taufe gehoben, und die Wählerinnenschaft (und, falls es sie gibt, Wähler) ist wohl keinesfalls repräsentativ für die Landeshauptstadt.

Dennoch dürfte schon die Erwähnung auf der Shortlist für den Schmähpreis „Goldener Gaul“, der nun zum zweiten Mal für besonders sexistisches und patriarchalisches Verhalten in der Landeshauptstadt vergeben wurde, keine besonders erstrebenswerte für die Nominierten sein.

An diesem Wochenende wurde der Preisträger der zweifelhaften Trophäe bei einer Show in Stuttgart bekanntgegeben: Der Award für den „Sexisten des Jahres“ in Stuttgart geht im Jahr 2024 an den früheren Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, Andreas R. Der ehemalige Polizeichef habe mit über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen das Rennen gemacht, teilte Lisa Fetzer, Pressesprecherin des „Goldenen Gaul“, mit.

Der einstige Polizeiinspekteur beim Prozess im Jahr 2023.
Der einstige Polizeiinspekteur beim Prozess im Jahr 2023. | Bild: Bernd Weißbrod

„Wer als Inspekteur der Polizei Nacktbilder an Kolleginnen verschickt und sexuellen Kontakt gegen Beförderung anbietet, ist ganz klar ein Sexist, der seine Machtposition missbraucht“, hieß es in der Laudatio am Abend der Awardverleihung. Vergeben wird der Titel von der „Feministischen Vernetzung“, einem Zusammenschluss verschiedener Gruppen aus Stuttgart.

Die Nominierungen konnten aus der Stuttgarter Stadtgesellschaft eingereicht werden, zur online-Wahl – am „Pranger“ – standen am Ende acht Personen und Einrichtungen, darunter neben Andreas R. etwa auch Innenminister Thomas Strobl (CDU), dem das Zementieren patriarchalischer Strukturen in der Polizei und das Gender-Verbot für die Verwaltung angelastet wurde, sowie erneut der Preisträger des Vorjahres, der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) – und das, obwohl Nopper 2024 seine erstmaligen Teilnahme am CSD in Stuttgart damit erklärte, er sei „reifer, weiser und einsichtiger“ geworden.

Nopper wurde schon 2023 mit dem Preis bedacht

Nopper hatte den Schmähpreis 2023 erhalten, weil er Proteste aus Stadtgesellschaft und Gemeinderat gegen die großflächige entwürdigende und anzügliche Darstellung von barbusigen Frauen an Buden und Ständen des Cannstatter Volksfestes als unerheblich abgetan und empfohlen hatte, sich auf wirklich wichtige Themen zu konzentrieren.

Auch in diesem Jahr ging Nopper nicht leer aus: Überraschend erhielt der Rathauschef, wiewohl nominell noch bis 2028 im Amt, einen Award für sein – sexistisches – Lebenswerk. Nopper selbst mochte sich auf Anfrage zu dieser zweifelhaften Ehre nicht äußern.

Ob die Initiatorinnen des „Goldenen Gaul“ davon ausgehen, dass dieses Lebenswerk bereits vollendet oder sie in der Person Nopper schlicht nur Hopfen und Malz verloren sehen, blieb offen. Die Preisverleihung, hieß es im Vorjahr, sei rein symbolischer Natur; die Vergabe erfolge nicht nach objektiven oder nachprüfbaren Kriterien.

Eine ernsthafte Botschaft aber haben sie: „Dank gebührt denjenigen, die die Fälle öffentlich machten und den Frauen, die tagtäglich gegen Sexismus, Patriarchat und andere Formen der Unterdrückung kämpfen“, so Pressesprecherin Fetzer.