Der Schwarzmarkt blüht. Cannabis ist in der Schweiz verboten – sowohl der Verkauf als auch der Konsum. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ab 15 Jahren in der Schweiz hat schon einmal im Leben Cannabis probiert. Trotz Verbots konsumieren in der Schweiz 200.000 Menschen regelmäßig Cannabis. Der Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis für den eigenen Konsum ist nach Schweizer Recht nicht strafbar – und nun sollen Pilotversuche zu legalem Zugang zu Cannabis starten. Ist das die Vorstufe zur Legalisierung der Droge?
Nein, sagt Adrian Geschwend, Leiter der Sektion politische Grundlagen und Vollzug und zuständig für Betäubungsmittel beim Schweizer Bundesamt für Gesundheit: „Einen freien Markt ohne Beschränkungen, das darf es aus Sicht der Gesundheitsbehörde nicht geben.“
Universität Bern als Vorreiter
Schon 2008 versuchten sich die Eidgenossen an einer Legalisierung von Cannabis. Doch mit 63 Prozent Nein-Stimmen wurde die Hanfinitiative damals begraben. Erst ein knappes Jahrzehnt später startete ein neuer Versuch auf wissenschaftlicher Ebene: 2017 wollte die Universität Bern erforschen, welche Auswirkungen der legale Zugang zu Cannabis auf das Konsumverhalten und den Schwarzmarkt hat. Die damalige Studie sah vor, dass die Teilnehmer der Studie Cannabis über Apotheken beziehen können. Damit sollte untersucht werden, wie sich ein regulierter Verkauf von Cannabis auf die Konsumenten und auf den Schwarzmarkt der Stadt auswirkt.
Das war damals rein rechtlich aber nicht möglich: Das Betäubungsmittelgesetz verbot Versuche zum nicht medizinischen Konsum von Cannabis. Der Vorstoß brachte eine deute politische Debatte ins Rollen, die schließlich in eine Gesetzesänderung mündetet. Diese tritt nun in Kraft. Ab 15. Mai können damit Forschungsprojekte beim Bundesamt für Gesundheit angemeldet werden. Die Projekte sind dabei auf eine Laufzeit von fünf Jahren beschränkt. Die Gesetzesänderung selbst gilt zunächst nur für zehn Jahre.
Pilotprojekte ab Mitte Mai möglich
Die Pilotversuche sollen die Vor- und Nachteile „alternativer Regulierungsformen“ untersuchen. Damit will der Bundesrat eine wissenschaftliche Grundlage für künftige Beschlüsse zur Cannabisregelung schaffen. Vorgreifen soll das aber nicht auf den künftigen Umgang mit Cannabis, so Gschwend. Vielmehr müssten die „Grautöne erforscht werden“, fordert er: „Denn die Diskussion, was besser ist, schwarz oder weiß, das heißt Verbot oder Legalisierung, hat uns nicht weiter gebracht“.
Ein eigenes Forschungsprojekt will der Bundesrat dazu aber nicht anstrengen. Den Inhalt der Projekte kann er ebenfalls nur bedingt beeinflussen. „Wir entscheiden nicht darüber, was untersucht wird“, betont Gschwend.
Dennoch dürften vor allem die Auswirkungen auf die lokalen Schwarzmärkte von Interesse sein. Durch die Pilotprojekte würden diese „ausgeschaltet, weil die Lieferketten vom Saatgut bis zum Produktvertrieb überwacht und streng kontrolliert werden“, heißt es schon jetzt seitens des Bundesamts für Gesundheit.
Woher kommt der Hanf in der Schweiz?
Ganz so einfach wird es aber nicht sein, die etablierten Geschäfte und Lieferketten in Europa durch die Pilotprojekte auszuschalten. Das verkaufte Gras soll aber in der Schweiz angebaut werden, nach Bio-Anbau-Standards. Tatsächlich ist dies schon für medizinische Zwecke der Fall. Nur in Ausnahmefällen soll für die Pilotprojekte importiert werden. dürfen. Der THC-Gehalt darf dabei höchstens 20 Prozent betragen.
Eine Zürcher Onlinebefragung von 2016 zeigt: Der Durchschnittskonsument ist nicht der abgestürzte Jugendliche mit verbauter Zukunft, die Bezugsquellen nicht nur der Schwarzmarkt. Die Konsumenten sind im Durchschnitt 30 Jahre alt, der Einstieg war bei mit etwa 16 Jahren. Die meisten arbeiten Vollzeit. 60 Prozent bezogen Cannabis der Befragung nach oft oder immer über den Schwarzmarkt, 30 Prozent über Bekannte und zehn Prozent bauten selbst an.
Zugang und Teilnahme beschränkt
Die Teilnahmezahl für ein Projekt ist begrenzt auf 5000 Erwachsene, Jugendliche sind gänzlich ausgeschlossen. Zudem dürfen nur Menschen teilnehmen, die bereits konsumieren: Dafür müssen Nachweise erbracht werden, etwa mithilfe einer Haarprobe.
Auch ist nur teilnahmeberechtigt, wer in der Gemeinde lebt, wo der Versuch stattfindet. Drogentourismus soll es nicht geben. Wer Zugang bekommt, bleibt damit ebenso beschränkt wie die Menge, die über zugelassene Stellen, etwa Apotheken oder in sogenannten Social Clubs, monatlich verkauft werden darf.

Die Studienteilnehmer müssen sich dort ausweisen. Das Cannabis darf dann auch nicht weitergegeben oder verkauft werden. Die Teilnehmer sind darüber hinaus verpflichtet, die Droge nicht an öffentlichen Plätzen zu konsumieren.
Jugendliche sind bei den Pilotprojekten ganz ausgeschlossen. Diese gehören aber zu den Spitzenkonsumenten in der Schweiz. „Das ist ein Grund, das besser zu erforschen“, erklärt Geschwend – außerhalb der nun angedachten Projekte. Ein Verbot sei bei den Jugendlichen offensichtlich nicht glaubwürdig.
Doch dazu gibt es in der Schweiz verschiedene Meinungen. Die Pilotversuche könnten ein falsches Signal setzen, den Konsum bagatellisieren, sagen die Einen. Ein Verbot reizt zu Brüchen, sagen die Anderen: Schaffte man einen legalen Zugang , könnte der Reiz des Verbotenen verloren gehen.
Finanzierung nicht vom Staat
Die Finanzierung der Projekte müssen Städte, Kommunen, Universitäten oder sonstige Organisationen übernehmen. Eine Förderung durch den Schweizerischen Nationalfonds ist aber möglich.
Umsonst wird es den Stoff aber für die Teilnehmer nicht geben. Er soll von den Konsumenten gekauft werden – wie sonst auch, nur eben in diesem Rahmen legal. Der Preis soll sich an den üblichen Schwarzmarktpreisen orientieren.
Offen ist noch, wie viele Projekte sich anmelden werden. Geschwend geht davon aus, dass diese erst im Lauf der zweiten Jahreshälfte eingehen und nach und nach genehmigt werden können. Vor 2022 werde es seiner Einschätzung nach keine laufenden Versuche geben. Neben Bern dürften Basel, Genf, Zürich, St. Gallen und Luzern Pilotprojekte anmelden wollen.
Baden-Württemberg will größere Mengen erlauben
Auch Baden-Württemberg will künftig größere Mengen von Cannabis tolerieren – so steht es im neuen Koalitionsvertrag. Die Grenzwerte sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, im Südwesten sind bis zu sechs Gramm Cannabis toleriert, nicht erlaubt. Denn verboten ist der Besitz trotzdem – er hat bis zu dieser Menge lediglich keine strafrechtlichen Konsequenzen. Christa Niemeier, verantwortliche Referentin der Stuttgarter Landesstelle für Suchtfragen, spricht von einer „erforderlichen Anpassung an die Realität“.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, sieht das allerdings skeptisch und verweist auf Länder wie Kanada, das nach Uruguay als zweites Land der Welt den Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabis legalisiert hat. „Wir sehen, dass dort weder weniger gekifft, noch der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird“, sagt Ludwig.