Wochenlang waren die Grenzen zwischen Deutschland und der Schweiz während der Corona-Pandemie faktisch geschlossen. Sollte es noch einmal zu einer vergleichbaren Situation kommen wie während der jeweiligen Lockdowns, müsste sie Grenze unbedingt geöffnet bleiben. Das ist die wichtigste Erkenntnis von Forschern aus St. Gallen und Graubünden.
Im Auftrag der Ostschweizer Regierungskonferenz, wichtigster Zusammenschluss der Ostschweizer Kantonsregierungen, sind sie der Frage nachgegangen, wie Corona die grenzüberschreitende Verflechtung beeinflusst hat. Zusammengefasst in einem Wort: negativ.
Pandemie als Stresstest für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
„Die Corona-Pandemie kommt für die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit einem Stresstest gleich“, schreiben die Studienautoren der Universität St. Gallen und der Fachhochschule Graubünden.
Das lag vor allem an unterschiedlichen Corona-Maßnahmen beider Länder. Dabei sei die Region „mehr verflochten als gedacht“, aber „weniger verflochten als gewünscht“, halten sie fest. Das Krisenmanagement sollte regionale Wirtschaftsstrukturen daher stärker berücksichtigen, lautet eine Lehre der Forscher. Außerdem müsse mehr miteinander gesprochen werden, über Landesgrenzen hinweg.
Schweizer Einkaufstourismus brach 2020 um 650 Millionen Euro ein
Besonders stark von den teils ungleichen Strategien dies und jenseits der Grenze waren die Bereiche Tourismus und der grenzüberschreitende Handel betroffen. So ging die Übernachtungszahl in der Ostschweiz 2020 um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Um 700 Millionen Franken (650 Millionen Euro) sei der Umsatz aus dem Einkaufstourismus aus der Schweiz in Deutschland während des ersten Lockdowns 2020 eingebrochen, heißt es in der Studie über die zweite stark betroffene Branche.

Debatte um Steuerschraube für Schweizer Kunden findet zeitgleich statt
Mitten hinein in die Sorge der Ostschweizer Regierungskonferenz, will das Parlament jetzt, dass ihre Bürger künftig bereits ab Einkäufen im Wert von 50 Franken (45 Euro) Mehrwertsteuer bei der Einfuhr aus Deutschland ins Heimatland zahlen. Derzeit liegt die Freigrenze noch bei 300 Franken. Auch das eine Lehre aus der Pandemie?
Schließlich profitierte der heimische Einzelhandel vom zeitweise nahezu nicht mehr stattfindenden Einkaufstourismus in Deutschland. Entschieden ist die Neuregelung noch lange nicht, dürfte eher in Jahren als in Monaten zu erwarten sein – sofern sie überhaupt kommt.
Zunächst geht der Auftrag zur Beratung an den Bundesrat, die Schweizer Bundesregierung. Dort weiß die zuständige Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) mittlerweile auch von den Ergebnissen der Studie. Die Ostschweizer Regierungskonferenz hatte sie kürzlich besucht und einen Appell formuliert: Die Anliegen der Grenzregionen sollten bei Entscheidungen des Bundesrats stärker berücksichtigt werden als bislang.