Im Kaufhaus herrscht reger Betrieb. Menschen schlendern durch die Regale, es ist einiges los. Eine junge Frau fällt auf, die immer wieder Parfums in die Hand nimmt, daran schnuppert, sich umblickt, sie wieder zurückstellt. Der Ladendetektiv hat sie längst im Auge. Er schlendert selbst, getarnt als Kunde, durch die Gänge. Er hat einen Verdacht. Dann tatsächlich, steckt die junge Frau ein teures Parfum in ihre Handtasche und geht in Richtung des Ausgangs.

Der Ladendetektiv muss sich sicher sein, dass sie keine Kasse ansteuert, bevor sie den Laden verlässt. Er stellt die junge Frau vor dem Ausgang. Sie tut, als wüsste sie von nichts. Doch der Ladendetektiv hat sie in der Hand. Er hat den Tathergang gesehen, weiß, was in ihrer Tasche ist. Er alarmiert die Polizei und setzt die Diebin so lange fest.

Was sie nicht weiß: Schon in wenigen Stunden wird sie sich vor einem Richter verantworten müssen. Sie wird von der Polizei vernommen, abgeführt. Die Beamten informieren die Staatsanwaltschaft, die erhebt sofort Anklage und beraumt ein Verfahren beim Freiburger Amtsgericht an. Noch am Nachmittag steht die junge Frau vor Gericht, muss erklären, warum sie das Parfum gestohlen hat.

Kleinere Delikte werden sofort bestraft

Der Fall ist fiktiv. Aber genauso kann es sich künftig abspielen: Denn in Freiburg und den angeschlossenen Amtsgerichtbezirken von Staufen bis Titisee-Neustadt wird ein neues Verfahren eingeleitet. Das sogenannte beschleunigte Verfahren soll bei kleineren Delikten wie Ladendiebstahl, Verstößen gegen das Ausländerrecht, Körperverletzung oder Widerstand gegen Polizeibeamte zu einem umgehenden Urteil führen.

„Wir haben bewusst keine Eingrenzungen gemacht“, betont der Leitende Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer der Staatsanwaltschaft im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

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Schon im vergangenen Jahr hatten das Polizeirevier Freiburg-Nord, die Freiburger Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht einen Probelauf mit insgesamt neun Verfahren gemacht. Das Ergebnis: Alle Fälle wurden innerhalb weniger Stunden abgeschlossen und die Täter verurteilt. Kein einziger der Angeklagten habe Rechtsmittel eingelegt, also das Urteil angefochten.

Hochgeschwindigkeit in der Justiz

Wie aber funktioniert dieses Hochgeschwindigkeitsverfahren? Die Polizei informiert die Staatsanwaltschaft, die für die neuen Verfahren eine neue Stelle bekommen hat. Jeden Tag stehe ein Staatsanwalt zur Verfügung, um solche Verfahren umgehend aufnehmen zu können, erklärt Inhofer.

Die Anklage kann schriftlich, im Zweifel aber auch mündlich erhoben werden. Das spart Zeit. Beim Amtsgericht ist ebenfalls eine zusätzliche Stelle eingerichtet worden, so dass jederzeit ein Richter für beschleunigte Verfahren zur Verfügung steht. Er entscheidet, ob der vorliegende Fall für das Verfahren zulässig ist und beruft umgehend eine Verhandlung ein.

Das Amtsgericht in Freiburg kann seit Anfang Juni deutlich schneller kleinere Straftaten verurteilen: Die Verdächtigen können schon ...
Das Amtsgericht in Freiburg kann seit Anfang Juni deutlich schneller kleinere Straftaten verurteilen: Die Verdächtigen können schon Stunden nach der Tat vor dem Richter stehen und ein Urteil erwarten. | Bild: Patrick Seeger/dpa

Möglich ist es nur bei „einfach gelagerten Sachverhalten“ und einer „klaren Beweislage“, so die Staatsanwaltschaft. Auf die Tat darf maximal ein Jahr Haft stehen, andernfalls ist der Fall nicht im beschleunigten Verfahren verhandelbar. Komplexe Fälle wie etwa das Verfahren um die Gruppenvergewaltigung beim Hans-Bunte-Areal in Freiburg kommen dafür nicht in Frage.

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Belastende Zeugen oder Geständnis nötig

Bei den beschleunigten Verfahren muss der Fall klar sein. Inhofer erklärt: Entweder seien die Beschuldigten geständig, oder aber belastende Zeugen können den Tathergang belegen. In unserem Beispiel des Ladendiebstahls wäre der Ladendetektiv der entscheidende Zeuge. „Darauf kann man gut ein Urteil begründen“, ergänzt Inhofer.

Beim beschleunigten Verfahren muss alles reibungslos ablaufen: Steht ein Ausländer vor Gericht, muss beispielsweise ein Dolmetscher organisiert werden. Inhofer findet das Verfahren aber gerade in solchen Fällen hilfreich: „So lassen sich oft Missverständnisse vermeiden“, sagt er. Zudem hat der Beschuldigte anders als beim schriftlich geführten Strafverfahren die Möglichkeit, seine Sichtweise zu schildern.

Mit dem neuen Verfahren erhofft sich die Freiburger Justiz zum einen eine Erleichterung sonst teils mühsamer Verfahren: Wenn Menschen ohne festen Wohnsitz in Deutschland, schriftlich zu einem Gerichtstermin geladen werden müssen, kann sich ein Prozess enorm verzögern. Beispielsweise bei Obdachlosen, durchreisenden Ausländern oder Bürger, die sich durch Betrügereien von einem Mietverhältnis oder Hotel ins nächste durchschlagen. Wer bis zur Verhandlung vor Ort bleiben muss, kann nicht verschwinden.

Abschreckung für mögliche Täter

Vor allem erhofft sich die Justiz aber eine abschreckende Wirkung bei „einschlägigen Tätergruppen“. Banden, die organisiert Ladendiebstahl begehen, etwa. Oder aber Jugendliche, die glauben, einkaufen zu können, ohne bezahlen zu müssen. Auch für Zeugen, besonders aber für Opfer sei es hilfreich, wenn sie nicht monatelang auf den Beginn eines Verfahrens warten müssen, so die Staatsanwaltschaft weiter.

Wie lange die in der vergangenen Woche gestartete Pilotphase dauern soll, ist offen. Schon zum Start hat das Amtsgericht so drei Verfahren abgeschlossen.