Die Coronazahlen steigen wieder. Die Schweiz, die bislang vergleichsweise glimpflich durch die Coronakrise zu kommen schien und die schon früh – noch während der dritten Welle, mit Lockerungen begann, klettern die Zahlen rasant. Umso prekärer scheint die Lage nun.

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) inzwischen bei 207. Gesundheitsminister Alain Berset macht deutlich, wie sich das auf die Krankenhauseinlieferungen auswirkt:“Das Virus verbreitet sich enorm schnell unter den Menschen, die nicht geimpft sind.“ Das zeige sich dann eben auch in den Zahlen der Krankenhäuser. Während Anfang Juli nach BAG-Angaben schweizweit im Schnitt nur 25 Corona-Patienten auf den Intensivstationen lagen, waren es am Dienstag mit 221 schon rund neunmal so viele. Die gesamten Corona-Krankenhausfälle haben sich in dieser Zeit verachtfacht, von durchschnittlich 100 auf 800.

Alain Berset, Schweizer Gesundheitsminister, spricht über Corona-Maßnahmen. Wie Deutschland will auch die Schweiz Coronatest für ...
Alain Berset, Schweizer Gesundheitsminister, spricht über Corona-Maßnahmen. Wie Deutschland will auch die Schweiz Coronatest für Impfunwillige ab Oktober nicht mehr gratis anbieten. | Bild: Peter Schneider/Keystone/dpa

Noch vor wenigen Wochen zeigte sich die Schweiz deutlich selbstbewusster. Zwar werde das Virus unter den Nichtgeimpften zirkulieren, aber die Maßnahmen würden trotzdem nicht verschärft. Dabei war der Trend der steigenden Zahlen schon Ende Juli absehbar – einen Monat, nachdem der Bundesrat massive Lockerungen auf den Weg gebracht hatte, die auch Großveranstaltungen für Ungeimpfte wieder möglich machten unter bestimmten Auflagen.

Mögliche Gründe für die höheren Corona-Zahlen

Hinzu kommt, dass die Impfquote im Land seit Wochen stagniert. Inzwischen sind etwa 56 Prozent der Eidgenossen einfach geimpft, 51 Prozent vollständig. In Deutschland haben nach RKI-Angaben 59,7 Prozent der Menschen einen vollständigen Impfschutz.

Ein weiterer Faktor könnte allerdings auch der frühere Schulbeginn in der Schweiz und der Effekt der Reiserückkehrer sein. Dafür spricht eine Analyse der Schweizer Corona-Taskforce. Darin heißt es: „Rund 90 Prozent der hospitalisierten COVID-19 Patienten sind nicht vollständig geimpft. Darunter sind viele Reiserückkehrer. Das Durchschnittsalter beträgt 54 Jahre.“

Der Bundesrat geht zudem davon aus, dass die Aufhebung der Homeofficepflicht, die in der Schweiz lange galt, sowie die Rückkehr zu Präsenzunterricht an den Universitäten Auswirkungen auf die Zahlen haben könnte. „Es gibt also viele Faktoren, die zu deutlich mehr Kontakten führen, da wir fast wieder ein normales Leben führen“, erklärt es Berset.

Schweiz will Krankenhausüberlastung verhindern

Der Gesundheitsminister klingt mittlerweile demütiger als noch vor einigen Wochen. „Wir müssen die Kapazitäten der Krankenhäuser schützen und den Zugang zur Gesundheitsversorgung.“ Derzeit sind die Intensivstationen zu 81,2 Prozent ausgelastet. Covid-Patienten machen hier schon über 26 Prozent aus.

Eine Überlastung der Krankenhäuser soll vermieden werden. Doch die Schweiz will keine Einschränkungen mehr – vielmehr soll der ...
Eine Überlastung der Krankenhäuser soll vermieden werden. Doch die Schweiz will keine Einschränkungen mehr – vielmehr soll der Anwendungsbereich des Covid-Zertifikats ausgeweitet werden. | Bild: Alessandro Della Valle/Keystone/dpa

„Das geht noch“, beschwichtigt Berset, sagt aber auch: „Wenn die Zahlen weiter schnell steigen, könnte es schwierig werden.“

Das sieht man auch bei der Taskforce so. Innerhalb der vergangenen vier Wochen habe sich die Anzahl von Covid-19 Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, etwa drei mal verdoppelt. „Zwei weitere Verdopplungen würden bedeuten, dass wir eine ähnliche Belastung der Spitäler und des Gesundheitspersonals erreichen würden wie zum Höhepunkt der zweiten Welle“, warnt das Gremium.

Deshalb will der Bundesrat nun die Anwendung des Covid-Zertifikats ausweiten. Die beschränkt sich bisher auf bestimmte Großveranstaltungen sowie Clubs und Diskotheken. Mit dem Covid-Zertifikat weist man in der Schweiz einen negativen Test, Genesung oder Impfung nach.

Ausweitung des Covid-Zertifikats

Nun will der Bundesrat die Zertifikatspflicht auf Innenbereiche von Restaurants, von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie auf Veranstaltungen im Innern wie Theater, Kino und Museen ausweiten, aber auch Sporteinrichtungen wie Schwimmbäder und Fitnessstudios. Auch Vereinstraining oder Chorproben dürften nach dem Vorschlag nur noch mit Zertifikaten stattfinden. Selbst private Anlässe wie Hochzeiten oder Bestattungen zählen dazu.

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In Diskotheken will der Bundesrat zudem die Kontaktdatenerhebung verpflichtend machen. Der Vorschlag wird derzeit mit den Kantonen abgestimmt.

Ungeachtet der Entwicklungen werden Tests in der Schweiz ab 1. Oktober kostenpflichtig. Damit will der Bundesrat die Impfunwilligen motivieren, sich doch noch impfen zu lassen.