Silke Weidmann

Seit elf Jahren ist Dr. Brigitte Stiller in Freiburg. Die Leiterin der Kinderkardiologie hat schon viele Schicksale erlebt: Unzählige Untersuchungen, Operationen, Transplantationen. Vom Neugeborenen bis zum Erwachsenen werden in der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie jährlich über 4000 Patienten behandelt. Diejenigen, die nach dem Krankenhaus eine Rehamaßnahme benötigen, seien in der Nachsorgeklinik Tannheim gut aufgehoben, so die Professorin. „Gerade die Aspekte Psyche, Ernährung oder Sport können in der Akutmedizin nicht ausreichend behandelt werden. Sie sind aber sehr wichtig für eine Rückkehr in die Normalität.“

Dr. Philipp Bludau (links) im Gespräch mit einer Patientenfamilie während ihres Rehaaufenthaltes in Tannheim. Der Kinderkardiologe war ...
Dr. Philipp Bludau (links) im Gespräch mit einer Patientenfamilie während ihres Rehaaufenthaltes in Tannheim. Der Kinderkardiologe war zuvor selbst in Freiburg tätig. | Bild: Nachsorgeklinik Tannheim

Einen besonderen Gewinn sieht Brigitte Stiller in der familienorientierten Nachsorge. Das Motto „Der Patient heißt Familie“ sei das Entscheidende. Mit einer Herzkrankheit gehe meist eine enorme seelische Belastung für die Kinder und ihre Eltern einher. Schwere und riskante Operationen seien schlimm für die Familien. Die langen Klinikaufenthalte bedeuten in der Regel auch Trennungsphasen: „Typischerweise ist die Mama mit dem kranken Kind im Krankenhaus und Papa versucht zu Hause, Arbeit, Geschwister und Haushalt einigermaßen am Laufen zu halten.“ Bei den Familienmitgliedern führe die jahrelange Extremsituation oft zu Gereiztheit, Streit und psychischen Problemen. Auch die Scheidungsrate erscheine ihr bei diesen Paaren entsprechend höher als bei Durchschnittsfamilien, so die erfahrene Ärztin.

Hinzu komme häufig ein ungesundes Verhalten der Familien als Kompensation für den Stress, die Überforderung, das schlechte Gewissen: „Wenn ein erhöhter Süßigkeiten- und Medienkonsum als Ausgleich dienen, ist das für die Gesundheit aller Familienmitglieder nachteilig“, sagt die Kinderkardiologin. Und: „Hier grätscht Tannheim auf voller Breite rein.“ Mit der Kombination aus zielgerichteten Therapien, einem individuellen Sportkonzept, dem Freizeitangebot und nicht zuletzt auch der einmaligen Natur, in die die Klinik eingebettet ist, schaffe man bei den Familien oft die Wende zum Positiven.

Sport fördert die Gesundheit

Gerade die sportliche Komponente sei oft eine neue Erfahrung für die Patienten, denn Kinder mit angeborenem Herzfehler werden häufig von ihrem Umfeld in Watte gepackt. Doch während man früher davon ausgegangen sei, dass Anstrengungen bei Herzkranken möglichst vermieden werden sollten, wisse man heute: Sport in der richtigen Dosierung bringt immer Gesundheitsvorteile, so die Kinderkardiologin. „Kinder sollen in Tannheim mutig werden, an ihre Grenzen gehen, sich anstrengen.“ Um in Zukunft ein möglichst normales Leben zu führen, sei es sehr wichtig, aus dem Teufelskreis aus Überbehütung und der damit einhergehenden sozialen Isolierung bei Gleichaltrigen herauszukommen.

Geschwister sollen auftanken

Auch die Geschwisterkinder, die meist sehr unter der Situation leiden, bekommen in Tannheim das, was ihnen weiterhilft: Sei es das unbeschwerte Spielen in der Kindergruppe, die Heilpädagogik, ein Schwimmkurs, die Kunsttherapie oder das Reiten im Therapiestall. Die Eltern, die meist seit Jahren nur funktionieren, haben in der Familien-Reha die Chance zur psychologischen Aufarbeitung und dazu, auch körperlich wieder fit zu werden, ein bisschen Verantwortung abzugeben, selbst mal umsorgt zu werden. „Das bringt Lebensfreude und Lebensqualität in die Familien zurück.“ Schon oft hätten Mütter und Väter ihr nach der Reha berichtet: „Das hat unsere Familie wieder zusammengebracht.“

Dabei sei sie in Tannheim sicher, dass die Herzkinder auch bei Problemen bestens versorgt sind: Dr. Philipp Bludau, Chefarzt der Kinderkardiologie in der Nachsorgeklinik, war zuvor selbst an der Freiburger Uniklinik. Stiller weiß: „Er hat in Tannheim alles, was ein Kinderkardiologe braucht.“ Bei Unsicherheiten oder Notfällen können die jungen Patienten zu jeder Tages- und Nachtzeit bei Bedarf in der Freiburger Kinderkardiologie versorgt werden.