An einem Straßenrand des Altdorfers Waldes im Kreis Ravensburg lässt sich zunächst kaum erahnen, was sich in etwa 100 Metern Entfernung im Wald abspielt. Zumindest hört man aber bereits, dass Nägel in Bäume gehämmert werden.
Und eine Aktivistin ruft „Der Altdorfer bleibt“, das Echo der anderen Waldbesucher folgt prompt. Für den Reporter die Erkenntnis: Nach komplizierter Anfahrt ist er endlich am richtigen Ort.

Verlässt man den Straßenrand und geht in den Wald hinein, tauchen die rund 25 Klima-Aktivisten, die aus der Ravensburger Region kommen, dann auch schnell auf. Auf einen Blick zeigt sich: Hier wird derzeit Baumhaus um Baumhaus gebaut. Es sind acht oder neun Baumhäuser, bald werden es wohl schon mehr als zehn sein.
Vorbilder Hambacher Forst und des Dannenröder Wald
Den Wald zu besetzen mit Baumhäusern ist ihre Art des Protests – nach den Vorbildern des Hambacher Forsts und des Dannenröder Walds. Denn von dem im Altdorfer Wald geplanten Kiesabbau halten die Klima-Aktivisten nichts: „Wir können uns das nicht leisten, Wälder zu roden“, positioniert sich Samuel Bosch klar. „Wertvoller Boden geht verloren. Zudem ist das Trinkwasser in den Quellenbrunnen akut gefährdet“, ergänzt er.
Keine Genehmigung vom Forstbezirk
Doch die Besetzung des Altdorfer Waldes wird auch kritisch beäugt. „Die Entwicklungen verfolge ich mit großer Sorge und Bedauern“, erklärt Bernhard Dingler, Leiter des landeseigenen Forstbezirkes Altdorfer Wald, auf SÜDKURIER-Anfrage.
Für die Waldfläche, die aktuell besetzt wird, sei weder eine Nutzungsgenehmigung noch eine Duldung ausgesprochen worden. „Das vereinnahmte Waldgebiet ist aus unserer Sicht aufgrund der Gefährdung für die Versammlungsteilnehmer als Protest-, respektive Klimacamp nicht geeignet“, schreibt Dingler. Mehrfach mussten laut ihm bereits Maßnahmen der Verkehrssicherung ergriffen werden und Bäume gefällt werden. Zudem ergänzt er: „Flora und Fauna werden gestört.“
Die jungen Aktivisten wollen sich aber von ihrer Waldbesetzung nicht abhalten lassen. Für sie ist klar, dass sie bleiben, bis die Rodung gestoppt wird. Samuel Bosch ist seit Tag eins dabei, am 25. Februar wurde der Wald besetzt. Der 18-Jährige lebt seitdem im Altdorfer Wald, wie er selbst erzählt – wie auch viele der anderen Aktivisten. Er ist jedoch einer der wenigen, die bereit sind, mit Namen und Bild in Erscheinung zu treten.

Jeder dürfe ins Lager kommen und gehen, wann er will, man müsse also nicht dort übernachten, erklärt Bosch. Er selbst schlafe aber jede Nacht da: „Da kann es schon mal richtig kalt werden, aber aktuell werden die Temperaturen ja angenehmer“, sagt er. Das Gelände verlasse er nur, wenn er jemanden besuche. Doch wie sieht es aus mit Schule oder Uni? Auch das wird vom Altdorfer Wald aus gemacht: „Wir haben zwei WLAN-Router, das funktioniert“, sagt Samuel Bosch.
Mit Essen würden sie von Unterstützern versorgt. Fast alle Waldbewohner würden, wie der 18-Jährige erklärt, grundsätzlich vegan leben. „Hier ernähren wir uns ausschließlich vegan“, erzählt er. Viele Leute fänden das Engagement der Aktivisten super. „Wir bekommen viele Spenden“, so Bosch. Vor allem Materialien, die in den Baumhäusern verbaut werden.

Den Klima-Aktivisten geht es vor allem um die Botschaft. Und die ist eindeutig: Sie sprechen von einem „Klima-Höllenplan“. Im neuen Regionalplanentwurf des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben (RVBO) ist vorgesehen, auf einer Fläche von elf Hektar die Förderung von Kies zu erlauben. Die Kritik der Aktivisten richtet sich an die örtliche CDU und den RVBO.
Doch was sagt Regionalverband zu den Vorwürfen, man zerstöre den Altdorfer Wald gewaltvoll und betrachte ihn nur als ein bisher nicht vollständig erschlossenes Kiesabbaugebiet? Verbandsdirektor Wilfried Franke erklärt zunächst, dass der Regionalplan nicht über die Rodung von Wald entscheide.
Rund 0,4 Prozent für geplante Kiesabbauflächen
„Es ist im zweiten Schritt immer noch ein Zulassungsverfahren nach Naturschutzrecht durch das Landratsamt erforderlich“, schreibt er auf SÜDKURIER-Anfrage. Alle geplanten Kiesabbauflächen in diesem Bereich würden zusammen rund 0,4 Prozent des Altdorfer Waldes umfassen. Der Standort „Vogt-Grund“, den die Aktivisten besetzen, umfasse etwa 0,1 Prozent – also ein Tausendstel des gesamten Waldes.
Der Regionalverband habe einen staatlichen Versorgungsauftrag. In diesem Fall heiße das, erforderliche Rohstoffmengen und -qualitäten für die nächsten Jahrzehnte zur Verfügung zu stellen. Im Klartext: Der Verband will dafür sorgen, dass in der Region genug Kies gefördert wird.
Was die Vorwürfe der Aktivisten betrifft, betont zudem Bernhard Dingler, dass Wälder ohnehin grundsätzlich geschützt seien, darüber hinaus könnten weitere Schutzkategorien gelten. Dies sei auch beim Altdorfer Wald der Fall. Es fänden sich dort zahlreiche faszinierende Naturschutzgebiete.
Auf gleicher Fläche entstehe wieder Wald
Bei der Rodung für Kiesabbau handle es sich aber um eine „befristete Waldumwandlung“ – sprich nach der Nutzung entstehe auf gleicher Fläche wieder Wald. „Kiesabbau erfolgt bereits seit Jahrzehnten im Altdorfer Wald“, sagt Dingler. Und er stellt klar, dass umfangreiche abgebaute Gebiete bereits rekultiviert seien. „Auf diesen Flächen ist wieder Wald entstanden“, so Dingler.
Entscheidung soll im Sommer fallen
Die jungen Aktivisten sind da anderer Meinung – sie bleiben derzeit im Altdorfer Wald und sind durchaus optimistisch, durch ihre Besetzung den Regionalplan zu kippen: „Wir gehen davon aus, ja. Der Regionalplan achtet nur auf die Wirtschaft, nicht aufs Klima.“ Eine Entscheidung soll im Sommer fallen. Bis zu dieser wollen die Aktivisten den Altdorfer Wald besetzen.