Still ist es im Büro von Guido Wolf. Die Sekretärin hat sich eben in den Feierabend verabschiedet, davor besorgte sie noch süße Backwaren in einer Tuttlinger Bäckerei. Der Landtagsabgeordnete Wolf empfängt den Besucher in seinem Wahlkreisbüro. Drei Flaggen hängen an einer vergoldeten Stange – sie stehen für Europa, Deutschland und, schwarz-gelb leuchtend, für Württemberg und geben dem Raum einen Anstrich von Bedeutung.
Das Büro liegt in einem nüchternen Zweckbau, der voll in die Arbeitswelt von Tuttlingen passt. Unten residiert eine Versicherung, daneben ein Geschäft für Kaffeemaschinen. Wer genau lauscht, hört die Züge, die im nahen Bahnhof ein- und ausfahren.
Im Leben des CDU-Mannes war es nicht immer so still, gelegentlich standen die Zeichen auf Sturm. Wolf zog für seine Partei 2016 als Spitzenkandidat in die Landtagswahl im Frühjahr. Zuvor hatte er in einem Mitgliederentscheid den Parteifreund Thomas Strobl aus dem Feld geschlagen; auch dieser hatte sich die Kandidatur schnell sichern wollte.
Doch hatte sich der Bundespolitiker Strobl getäuscht: Wolf konnte mehr Getreue mobilisieren. Der ehemalige Landrat, so stellte sich heraus, stand der Basis näher als Strobl, der die Kraft des Berlin-Bonus weit überschätzt hatte.
Wolf scheiterte – drei Monate im Groll
Doch scheiterte Wolf. Der grüne Ministerpräsident siegte erneut, Kretschmanns Beliebtheit ließ den CDU-Spitzenmann verblassen. Immerhin rückte Wolf zum Minister für Justiz und Europa auf, was er nach Einschätzung mancher Beobachter gut machte. Zum eigentlichen Schnitt in seiner Karriere wurde die Landtagswahl 2021. Die CDU verlor erneut, diesmal mit Susanne Eisenmann.
Die Spitzenkandidatin verschwand in Versenkung. Auch Wolf ereilte ein ähnliches Schicksal: Er wurde in die Koalitionsgespräche weder eingebunden noch informiert. Dass er der Regierung nicht mehr angehören würde, erfuhr er kurz vor der Veröffentlichung der Liste der Kabinettsmitglieder. „Keiner hat mir gesprochen“, erinnert er sich.
Drei Monate lang haderte er mit seinem Sturz, dann rappelte er sich auf. Für ihn auch eine Lektion darüber, was ein „Parteifreund“ auch bedeuten kann. Thomas Strobl, den er Jahre zuvor mit der Schläue des Landrats aus dem Feld schlagen konnte, hatte die Oberhand behalten. Wolf ist nun Mitglied einer Regierungspartei, ohne in der Regierung zu sitzen.

Trifft ihn das? Wer Wolf heute trifft, erlebt einen ausgeglichenen Herrn im dunkelblauen Anzug und grauen Schläfen, die nicht mehr zwangsgetönt werden. Er habe es gut weggesteckt, sagt er, und man ist geneigt, das zu glauben. Er sitzt dem Rechtsausschuss des Parlaments vor.
Außerdem gebe es im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen genug zu tun. „Jetzt habe ich Freiräume fürs Mandat“, sagt er. Er besucht Kindergärten und erhält von den Zöglingen buntes Selbstgebasteltes. In seinem Büro stehen liebevolle Collagen aus den Kitas. Er erklärt die farbigen Werke gerne, er kennt die Erzieherinnen mit Namen. Aus dem Minister ist ein Kümmerer fürs Kleinteilige geworden. Eine gelbe Männerfigur im gelben Anzug stellt ihn selbst dar.
Der Blutritt in Weingarten gehört dazu
Gleichzeitig blitzt immer wieder der gewohnte Guido Wolf durch – gewissermaßen ohne den Schafspelz. „Ich bin noch nicht auf der Zielgeraden“, sagt er und signalisiert: Mit ihm ist auch weiterhin zu rechnen. Er lässt sich nicht auf das abschieben, was aus Stuttgarter Sicht und Unkenntnis unter dem Begriff „Provinz“ läuft.
Auch Wolfs Teilnahme am berühmten Blutritt in Weingarten wurde vielfach als provinziell gedeutet. Oder als folkloristische Kosmetik, um der konservativen Wählerschaft in Oberschwaben zu imponieren. Für solche Etiketten hat der gebürtige Weingartener null Verständnis. Er erklärt es so: „Schon als Kind diente ich als Ministrant, später ging ich zu den Blutreitern.“
Dieses Jahr saß er zum 43. Mal auf einem Ross, um die alte Blutreliquie durch Feld und Flur zu geleiten, so wie es Hunderte anderer Reiter auch tun. „Das ist für mich ein Glaubensfest, nichts anderes“, sagt er aufgewühlt.
Ohne Bitterkeit, aber doch verwundert schaut er auf die mediale Bewertung seiner Teilnahme an diesem sakralen Ritt. Werde ihm sein Katholizismus negativ ausgelegt, so wird derselbe Glaube einem Winfried Kretschmann als authentisch angerechnet. Das geht ihm nicht in den Kopf, so lange er schon in der Politik ist.