Heute ist der Weltfrauentag. Wie ist es in der heutigen Welt, eine Frau zu sein? Eine große Frage. Eine, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt. Denn was Menschen beschäftigt, ist abhängig von so vielen Faktoren. Wo genau sie in der Welt leben. Welche sozialen Bedingungen und Probleme herrschen. Aber auch, in welcher Lebenslage sie sich befindet.
Eine 15-Jährige mag über komplett andere Themen nachdenken als eine 78-Jährige. Beide sind Frauen. In Südbaden ist der Kitaplatz-Mangel ein großes Thema, aber vor allem für Frauen mit Kindern. Dass die Bezahlung von Männern und Frauen in den gleichen Berufen noch immer nicht gleich ist, ist ein Skandal. Diejenige, die mitten im Beruf steht und nach oben will, betrifft das aber viel mehr als eine Rentnerin.
Frau-Sein wandelt sich
Uns war es zum diesjährigen Frauentag wichtig, möglichst verschiedene Lebenssituationen abzubilden. Denn Frau-Sein ist dynamisch, Frau-Sein kann sich wandeln. Oder sogar komplett auflösen. Im Laufe des Lebens verändern sich die Themen, die beschäftigen.
Zum Weltfrauentag haben wir deshalb mit Menschen aus verschiedenen Generationen gesprochen und sie darum gebeten, ihre Gedanken aus ihrer Lebensperspektive zu äußern. Dabei stand im Fokus, was diese Menschen wirklich bewegt. Wie ist es denn, mit 15 Frau zu sein? Was rät eine, die Karriere gemacht hat, Frauen, die nach oben wollen? Was wird besser, wenn frau 78 Jahre alt wird?
Die Schönheitskönigin: Dominique Schätzle
Dominique Schätzle war 2017 Miss Baden-Württemberg, da hieß sie noch Dominique Busch. Eigentlich wollten wir mit der 27-jährigen Waldshuterin über Schönheitsideale sprechen. Doch das ist gar nicht, was sie aktuell beschäftigt.
Dominique Schätzle: „Ich war Miss Baden-Württemberg 2017. Schönheit spielt heute in meinem Leben aber keinesfalls eine so große Rolle, wie man meinen könnte. Das Modeln hat mir viel Spaß gemacht, nur die Sicherheit fehlte. Ich wollte immer in der Lage sein, finanziell für mich zu sorgen. Deshalb habe ich meine Ausbildung weiter gemacht und studiert. Wir Frauen machen uns viel Druck, perfekt zu sein. Die sozialen Medien spielen eine Rolle. Ich bin eine junge Mama, selbst auf Social-Media aktiv. Es ist wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass die Posts nur die halbe Wahrheit sind. Vor der Kamera eine perfekt gestylte Mama und ein zufriedenes Kind, hinter der Kamera überall Spielsachen auf dem Boden und kurz nach dem Foto schmeißt das Kind das Frühstück auf den Boden. Die Realität ist nicht perfekt!
„Der Druck, perfekt zu sein“
Perfektion – das erwarten viele Frauen von sich, das habe auch ich von mir erwartet: Ich wollte gleich nach der Geburt meines Sohnes wieder beruflich voll durchstarten und gleichzeitig Supermama sein. Heute weiß ich, dass es unmöglich ist. Obwohl ich in meiner Führungsposition als Head Group Fitnessmanagerin in der Schweiz Kind und Arbeit vereinen konnte. Nach einiger Zeit hatte ich allerdings das Gefühl, zu 160 Prozent ausgelastet zu sein. 100 Prozent als Mutter eines Babys, 60 Prozent im Job. Purer Stress. Im Februar habe ich aufgehört zu arbeiten.
Heute sagt vielleicht wer: Warum geht die nicht arbeiten? Davon muss man sich frei machen. Zum Frauentag wünsche ich mir, dass wir Frauen uns gegenseitig unterstützen, weniger urteilen und zusammenhalten. Egal ob Vollzeit-Mama, Mama, die arbeitet, Frauen ohne Kinder, Seniorinnen. Wir Frauen haben viel erreicht, Rollenbilder wandeln sich, Männer helfen mehr mit als je zuvor. Das ist toll, das können wir auch feiern!“
Die Coachin: Claudia Rewitz

Claudia Rewitz ist seit 22 Jahren selbstständig. Mit einer Coaching-Agentur für Führungskräfte auf der Reichenau. Davor saß sie selbst auf Chefsesseln. Ihr persönlicher Weg nach oben war nicht immer leicht. Die Spielchen im Job – sie kennt sie gut.
Claudia Rewitz: „Wie alt ich bin? Das sage ich grundsätzlich nicht. Als Frau hat man nämlich nie das richtige Alter – entweder ist man zu jung, zu gebärfähig oder zu alt. Vor meinem Coaching-Unternehmen hatte ich zehn Jahre lang Führungspositionen, die vor und nach mir nie wieder eine Frau innehatte. Klar habe ich kritische Situationen erlebt als weibliche Vorgesetzte. Ganz neu hatte ich zwei Herren im Team, die mich jedes Mal in Sitzungen unterbrachen. Ich fragte sie einzeln: ‚Hast du Probleme, dich von einer Frau führen zu lassen?‘ Ganz ohne Vorwürfe, unter der Überschrift Rollenklärung. Es hat nie wieder Ärger gegeben, nie wieder.
Führung muss man lernen, Führung ist ein Geschäft. Die Jungs spielen Spielchen, die Mädels auch. Dazu gehört, Konflikte klären zu müssen und zu akzeptieren, dass man nicht jedem gefallen kann. Da gibt es Stolperfallen, auf die Frauen oft nicht vorbereitet sind. Mein Rat: Macht Workshops, lest Bücher zum Thema Spielregeln im Job und sucht einen Coach.
„Ach, du trägst wieder ein neues Paar Schuhe!“
Was ich unsäglich finde: Wenn ein Mann in eine Führungsposition geht, kriegt er viel Anerkennung vom Umfeld. Bei einer Frau jedoch – und ich kann nur wiedergeben, was mir aktuell Frauen erzählen – wird der Mann hinterfragt: ‚Sag mal, ist dir das überhaupt recht?‘
Oder zu mir: ‚Ach, du trägst wieder ein neues Paar Schuhe.‘ Ich arbeite gern und mag schöne Schuhe. Was ich nicht mag, sind Klischees und Stereotype.
Sagt mir eine junge Führungskraft: ,Die alten weißen Männer machen mir das Leben schwer‘, ist das auch ein Stereotyp. Ich rate zum Perspektivenwechsel. Sie soll sich fragen, wie es wäre, wenn sie nach 40 Berufsjahren einen halb so alten Chef bekäme. Und was sie schon unternommen hat, um diese Mitarbeiter und deren Erfahrungen zu würdigen und zu gewinnen. Ein junger Mann würde genauso geprüft werden, die Erfahrung prüft. Das ist Teil der Spiele im Job.
Man muss aber wissen, wann es besser ist, zu gehen. Mein letzter Chef sagte mir: ‚Als Frau sind Sie am Ende der Fahnenstange hier.‘ Am nächsten Tag gab ich ihm meine Kündigung. Das ist über 20 Jahre her. Ich höre heute von Vorständen gerade im Bereich Industrial/IT, dass sie weibliche Chefs suchen, aber keine Bewerberinnen finden. Spreche ich mit jungen Frauen über Berufswahl, höre ich nie: ‚Ich will mich und meine Familie ernähren können.‘ Da merke ich, das alte System wirkt in den Köpfen. Auch Empfehlungen von Schule und Familie sind oft klischeebehaftet – nur typische Frauenberufe werden genannt.“
Die berufstätige Mutter: Melanie Winterhalter
Melanie Winterhalter ist ganz nah dran, wenn es um die Bedürfnisse, Sorgen und Freuden von Müttern geht. Die 41-Jährige aus Schwenningen leitet das Elterncafé ProKids, hat selbst zwei Kinder und arbeitet als Seiteneinsteigerin zwei Tage in der Schule.
Melanie Winterhalter: „Ich liebe mein Leben für die Abwechslung, die ich habe. Dass ich nicht nur Mama bin von zwei Kindern, sondern auch nach sieben Jahren zu Hause wieder arbeiten gehen kann. Zwei Tage die Woche als Erzieherin in der Schule und im ProKids-Elterncafé in Schwenningen. Damit das klappt, braucht es Organisation. Wenn ich die erste Schulstunde unterrichte, bringt mein Mann die Kinder zur Schule, er kann seit Corona mehr Home-Office machen. Wir wechseln uns ab. Gestern etwa hatte ich eine Konferenz und saß am I-Pad, aber klar, die Kinder saßen dahinter, haben Mittag gegessen. Was wir Mütter gut können, ist, mehrere Sachen auf einmal zu machen: Hobbys, Vereine, Vorbereitungen für die Schule.
Gutes soziales Netzwerk, viel Unterstützung und einen Mann, der mithilft, was leider nicht selbstverständlich ist. Obwohl bei uns alles gut läuft, wüsste auch ich nicht, wie ich einen Job mit Präsenzpflicht, der von 9 bis 17 Uhr geht, stemmen sollte. Ich habe einen Riesenrespekt vor alleinerziehenden Mamas, denen keiner das Kind mal abnimmt. Sie müssen immer funktionieren. Und die vielen Schulferien, wie soll sie so noch arbeiten gehen?
„Immer der Drang, sich zu erklären“
Wir brauchen dringend eine flexiblere Arbeitswelt und mehr Verständnis für Mütter, mehr Anerkennung für Care-Arbeit. Bei ProKids können wir unsere Kinder in den Ferien mitnehmen. In der Schule nicht. Sehen wir unsere Gesellschaft als Ganzes, ist Erziehung keine Privatsache. Chefs müssen in die Pflicht genommen werden, Möglichkeiten schaffen, damit Frauen Arbeit und Erziehung vereinbaren können. Die Politik muss sich um das Kita-Platz-Problem kümmern, dringend.
Ich erlebe bei uns im Elterncafé viel Stärke und viel Verzweiflung. Die Erwachsenengespräche fehlen. Das Gefühl, dass man als Mama eine Wertigkeit hat. Dadurch, dass Care-Arbeit so gering geschätzt wird – im Vergleich zu Erwerbsarbeit.
Wir Mamas machen es uns schwer mit dem Druck untereinander. Wenn eine Frau das Kind früh in die Krippe gibt, muss sie sich erklären. Gibt sie es nicht in die Krippe, ebenfalls. Genau wie bei Stillen und Beikost. Ich sage immer: Dein Kind, deine Entscheidung! Wir neigen dazu, zu urteilen, aber wir sitzen im gleichen Boot. Manchmal darf mein Kind was im TV schauen, damit ich den Haushalt wuppen kann. Na und?
Wir brauchen ein ehrlicheres Bild von Mutterschaft. Dass ein Kind auch mal in DM auf dem Boden liegt und heult – und dass das okay ist.“
Die Schülerin: Hanna Steck
Hanna Steck ist 15 Jahre alt. Sie geht auf das Marianum in Hegne und macht gerade ein Praktikum beim SÜDKURIER. Was sind ihre Gedanken zum Frauentag?
Hanna Steck: „Ich habe erst vor kurzem gehört, dass Frauen in den 50er-Jahren nicht arbeiten durften, ohne dass der Ehemann sie lässt. Das ist schon hart und hat sich krass verändert. Zum Glück! Ich bin 15 Jahre alt, ich fühle mich noch nicht als Frau, aber auch nicht mehr als Kind. Irgendwie dazwischen. Auf meiner Schule sind wir mehr Mädchen als Jungs, im Alltag ist das gar kein Thema. Die Jungs machen ihr Ding, wir unseres. Manchmal im Sportunterricht heißt es: Jetzt brauchen wir die starken Jungs, damit sie die Bänke tragen. Es gibt aber auch Mädchen, die stark sind! Ich skate gern mit meinen Freundinnen, wir fahren auf Rollschuhen. Ich mag den Look auch, Baggy. Auf Snapchat schaue ich gern, welche Styles in sind. Unter Druck gesetzt als Mädchen fühle ich mich davon aber gar nicht. Ich gehe das locker an.
Ich glaube, es ist cool, eine erwachsene Frau zu sein, man kann mehr entscheiden, sich einen Beruf auszusuchen, da freue ich mich schon richtig drauf.
Wir hatten an der Schule den Berufswahltest – mein Ergebnis war, dass Soziales, vor allem die Arbeit mit Kindern, zu mir passt. Und Schreiben. Bei den meisten Mädchen in der Klasse war das Ergebnis: Soziales. Im Kindergarten, Schule. Meine Mutter ist auch Erzieherin und arbeitet Teilzeit, weil mein Bruder noch kleiner ist. Ich glaube, das ist ein schöner Beruf. Was die Jungs für Berufe empfohlen bekommen haben, weiß ich nicht.
Manchmal reden wir in der Schule, welche Jobs wir uns vorstellen könnten. Handwerk oder Ingenieurin wäre eher nichts für mich.
Denke ich an meine Zukunft, wünsche ich mir einen guten Beruf, der mir Spaß macht, mit dem ich mich wohlfühle. Karriere? Hm, vielleicht irgendwann mal. Mein Traum ist, mit Freundinnen in andere Länder zu reisen. Und ich würde gern mal im Studio von ‚Let´s Dance‘ sein.“
Die Seniorin: Ruth Frenk
Ruth Frenk gehört zur Konstanzer Lokalprominenz. Die 78-Jährige ist Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Musikpädagogin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Wie blickt sie auf den Frauentag und was sind ihre Ratschläge?
Ruth Frenk: „Die Position der Frau von 1946 bis heute – eine Riesenentwicklung! Ich bin in Holland aufgewachsen. Als ich jung war, kam die Anti-Baby-Pille neu raus. Als Studentin war ich beim Vortrag einer holländischen Frauenärztin, die sagte: ,Wir sind jetzt Boss im eigenen Bauch.‘ Und am Ende: ‚Geht nach Hause und vermehret euch!‘ Das vergesse ich nie, das ist ewig her, aber es war ein Meilenstein damals. Bis Aids kam.
Ich glaube, ich bin nicht das typische Beispiel für Frauen meiner Generation. Ich war auf der Bühne, ich habe gesungen, ich hatte viele Bewunderer und viel Applaus. Ich wollte nie heiraten und Kinder kriegen. Vielleicht, weil ich eine Jüdin aus der Second Generation bin. Das Bild von Familie, wie ich es erlebt habe, ist keine heile Welt. Ob ich das bereue? Absolut nicht. Ich habe eher Schwierigkeiten zu verstehen, dass so viele junge Menschen in meiner Umgebung Kinder kriegen. Ich bewundere sie. Das sind unabhängige, junge Frauen. Bei vielen bleibt der Mann zu Hause, um für das Kind zu sorgen. Andere warten auf einen Kita-Platz und würden gerne arbeiten gehen.
Wie gesagt, ich wollte nie heiraten, aber dann fand ich weit nach 50 meine ganz große Liebe. Vor drei Jahren starb mein Mann. Ich bin dankbar für diese Liebe, es hätte aber länger dauern können. In diesem Alter sterben die Leute eben. Das ist ein Roulette, das ist Realität, deshalb will ich lieber nicht nochmal eine Beziehung anfangen.
„Frauen, widersprecht!“
Ich fühle mich jung. Wenn ich in den Spiegel schaue, ist das hart, weil darin schaut mich eine 78-Jährige an. Doch es gibt viele schöne Dinge am Älter-Werden. Zum Beispiel ist dieses Partnersuche-Ding gar nicht mehr wichtig und das glaubt man nicht, aber die hormonelle Umstellung hat auch etwas Beruhigendes. Das Thema Einsamkeit ist für Frauen in meiner Generation groß, vor allem, wenn sie immer nur zu Hause waren und die Männer wegsterben und die Kinder sich nicht so kümmern, wie sie es sich gewünscht hätten.
Es ist ein großer Fehler, als junge Frau zu denken, du musst alles mit dem Partner teilen können. Es ist wichtig, als Frau seinen eigenen Bereich zu behalten, selbstständig zu bleiben, auch finanziell. Freunde zu haben, Hobbies, Interessen. Einfach Leben. Dann bist du auch in den späteren Jahren nicht einsam.
Die Frauen in meinem Alter, die ich kenne, sind aktiv. Mit den anderen habe ich wenig gemeinsam. In meinem Alter versucht man sich nur mit Leuten zu unterhalten, mit denen es Spaß macht. Die Zeit rast, da langweilige ich mich doch nicht mit Anderen.
Ich habe lieber einen lustigen Abend draußen. Ich umgebe mich gerne mit jungen Leuten. Heute zum Beispiel gehe ich zu einem Konzert.
Mit 78 lerne ich noch ständig Neues, jetzt habe ich KI für mich entdeckt. Ich habe einen Podcast gemacht, halte Lesungen, treffe Freunde. Ich widerspreche und polarisiere. Ich bin mein Leben lang Freiberuflerin gewesen. Jungen Frauen möchte ich raten: Widersprecht! Lasst euch nicht alles gefallen. Ich weiß, dass viele Angst um ihren Ruf haben, Angst haben, dass sie als schwierig gelten können. Die Grenzen können wir nur dehnen, wenn wir widersprechen.“