Nicht in Hamburg, London oder New York, sondern in einer Kleinstadt an der Schweizer Grenze schreibt ein Musicaltheater Geschichte. Sie steht für Mut, Durchhaltewillen, Leidenschaft und große Träume. Und für eine scheinbar verrückte Idee.
Aber von vorn: Jochen Frank Schmidt (46) und Alexander Dieterle (44) sind bei der Planung einer Kulturhalle in der Kreisstadt Waldshut-Tiengen, als ein Anruf aus dem Rathaus Bad Säckingen kommt: „Ich hab ein Theater für euch.“ Gemeint war das Gloria-Theater. Ein typischer Kinopalast der 50er, schwer in den roten Zahlen und ziemlich marode. Der Abriss ist beschlossene Sache.
Jeder rät den Männern aus Wutöschingen, die Finger davon zu lassen. Aber der Traum vom eigenen Theater ist zu groß, und die Idee zu mächtig, eigene Musicals auf die Bühne zu bringen. Und tatsächlich – an einem Septembertag im Jahr 2007 hebt sich der Vorhang im Gloria-Theater.
Das Publikum ist begeistert. Ihr Jubel gilt aber nicht dem Aufguss eines bekannten Musicalklassikers, sondern der Weltpremiere des Musicals „Lichterloh“. Geschrieben und komponiert von Jochen Frank Schmidt.
Das ist der Start zum Musicalwunder am Hochrhein. Fernab der Metropolen, von wo aus die namhaften Musicaldarsteller inzwischen zum Casting an den Hochrhein reisen. Schmidt ist der künstlerische Kopf des Wunders.
Er schreibt die Erfolgsgeschichten, macht die Musik dazu, führt Regie, ist Regisseur. Geschäftspartner Alexander Dieterle kümmert sich um die kaufmännische Seite des Ganzen. Die beiden kennen sich seit den Schultagen am Gymnasium.
Sogar während Corona schaffen es die beiden Macher, ein Musical auf die Bühne zu bringen. Es ist die sechste und bislang letzte Eigenproduktion. Der Kraftakt lohnt sich. Für „Tommy Tailors Traumfabrik“ gibt‘s im Jahr 2022 in Hamburg den Deutschen Musical Theaterpreis für das beste Bühnenbild. Die Champions League ist erreicht.
Gloria macht glücklich
„Ein Chirurg verkauft Leben, wir verkaufen Glück“, sagt Jochen Frank Schmidt. Das Glück zieht magisch an. Über 35.000 Zuschauer kommen jährlich zu den Vorstellungen, Gastspielen und dem Mittwochskino. Sie sind die Basis des Erfolgs. 90 Prozent der Einnahmen kommen aus dem Ticketverkauf, 10 Prozent ist Sponsoring.
„Wir haben keine Subventionen. Wir machen alles über Effizienz, gute Planung, harte Kalkulation“, so Alexander Dieterle. Dieses rein privatwirtschaftliche Konzept brachte den beiden Musicalmachern den Ruf der „Kulturrebellen“ ein. Wo doch im Kulturbetrieb ohne staatliche Subventionen fast gar nichts geht.
Das eigene Theater macht auch nach 18 Jahren noch immer Spaß, und die Köpfe sind voller Pläne für die Zukunft. Schmidt arbeitet an seinem siebten Musical und gleichzeitig an einem Remake seines ersten Gloria-Musicals. Als „Paul, die Laterne“ kehrt es mit neuer Technik und neuen Melodien 2026 wieder zurück. Dann gibt es da noch eine Gästeliste auf der auch Harald Schmidt und Thomas Gottschalk stehen. Beide würde man gerne auf der Bühne im Gloria erleben.
Das denkmalgeschützte Gebäude hat eine Sanierung nötig. Schmidt und Dieterle haben zusammen mit dem Förderverein Gloria bereits mehrere Millionen investiert. Pläne für Anbau, Umbau Foyer, barrierefreie Sanitäranlagen, ein Theatercafé liegen in den Schubladen. Was es noch braucht, ist Geld. Jetzt fehlen die Rücklagen, die das Haus während Corona gerettet haben. Aber im Gloria-Theater werden Träume wahr.