Es ist ein Moment, der den Sitzungssaal des Landgerichts Konstanz am Dienstag für Sekunden verstummen lässt: Eine Zeugin, frühere Kollegin des Angeklagten, lehnt sich während ihrer Aussage plötzlich nach rechts, kippt samt Stuhl zu Boden und bleibt bewusstlos liegen. Sitzung unterbrochen.
Sanitäter eilen herbei, bringen die Frau schließlich zur Beobachtung aus dem Saal. Ihre Aussage – sie war beim Vorfall im Überlinger Bahnhofskiosk anwesend, als der Angeklagte einen Jungen packte und aus dem Laden warf – wird an einem anderen Tag fortgesetzt werden müssen.
Der Vorwurf: versuchter Mord
Auf der Anklagebank sitzt ein 47 Jahre alter Mann aus Überlingen, bekannt als der Autokratzer ‚Hans‘, weil er hunderte Autos in der Bodenseegemeinde beschädigte.
Diesmal geht es um mehr: Die Staatsanwaltschaft Konstanz wirft ihm vor, in der Nacht zum 25. Januar 2025 im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses in der Christophstraße Feuer gelegt zu haben. Zwei Ferienwohnungen waren in jener Nacht belegt, Bewohner schliefen im Haus. Der Vorwurf lautet versuchter Mord.

Eine Wahrscheinlichkeit von 1:39 Trilliarden
Es ist der zweite Verhandlunsgtag, mehrere Berichte des Landeskriminalamts werden vorgetragen: An einer Jeans und einem Schlauchschal, die Ermittler in den Mülltonnen des Wohnhauses des Angeklagten fanden, ließen sich DNA-Spuren des 47-Jährigen nachweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Spuren eines anderen Menschen handelt, liegt laut Gutachten bei 1 zu 39 Trilliarden.
Wer ist auf dem Video zu sehen?
Hinzu kommt: Eine Bildauswertung des LKA kam zu dem Schluss, dass der Täter auf den Aufnahmen der Überwachungskamera wegen der schlechten Qualität nicht eindeutig identifizierbar ist. Auch wenn Polizisten aus Überlingen das am ersten Tag anders beurteilt hatten.
Die LKA-Experten stufen den Brand glimpflicher ein als das Video vermuten lässt: Das Feuer blieb klein, die Rauchentwicklung gering. Es erlosch nach 90 Minuten von selbst – eine konkrete Gefahr habe nicht bestanden.
Folter durch hupende Autos?
Die Aussagen früherer Kolleginnen zeichnen zuvor das Bild eines Mannes, der sich in den Monaten vor den Vorfällen zunehmend verändert haben soll. Eine Frau berichtete, wie sich seine Stimmung ab Sommer 2024 verschlechtert habe: Er sei launisch gewesen, habe sich über Kleinigkeiten aufgeregt und in Sprachnachrichten wirre Gedanken geäußert.
Die Nachrichten spielte die Zeugin vor Gericht ab. Darin beklagte der Angeklagte, Menschen ließen absichtlich vor ihm Geld fallen, um ihn zu provozieren. Er sprach von bis zu 120 Autos, die täglich an seiner Wohnung vorbeifahren und hupen würden – und glaubte sogar, die Polizei stecke mit dahinter. Auch die Kollegin, die im Saal stürzte, beschrieb ihn als gereizt, besonders im Umgang mit Kindern.
Was sagt „Hans“ selbst?
Am Donnerstag, 31. Juli, wird der Prozess fortgesetzt. Dann will Verteidiger David Schneider-Addae-Mensah eine Einlassung seines Mandanten abgeben. Auch der psychiatrische Sachverständige stellt dann sein Gutachten vor.