Wer an Konstanzer Wein denkt, dem fällt vermutlich zuerst die Spitalkellerei ein. Sie ist seit 1225 Teil der Spitalstiftung Konstanz und älteste noch existierende Spitalkellerei Deutschlands. Bekannt ist die Spitalkellerei besonders für die Bodensee-typischen Rebsorten Müller-Thurgau und Spätburgunder.

Was die wenigsten wissen: Im Schatten dieses altehrwürdigen Betriebes hat sich klammheimlich ein Familienbetrieb mit einem kleinen, gepachteten Weinberg in Wollmatingen etabliert.

Alles in einem: Geschäftsführer, Weinbauer, Händler und Verkoster

Hellmut Wolf ist Gründer der nach ihm benannten Selektion. Er ist Geschäftsführer, Weinbauer, Händler und Verkoster in Personalunion. Wolf arbeitete als studierter Oenologe (Fachmann für Weinbau) in klassischen Weinländern Spanien, Frankreich und Italien. Als Diplom Ingenieur für Weinbau und Oenologie ist er auch Winzer.

Oenologe Hellmut Wolf und Hincooker Andi Schuler.
Oenologe Hellmut Wolf und Hincooker Andi Schuler. | Bild: Jürgen Rössler

Auch in Baden und in Württemberg sammelte er seine Erfahrungen, dank derer er 2014 seinen Traum vom eigenen Betrieb verwirklichen konnte.

„Wenn man wie ich so viele Jahre in der Weinproduktion gearbeitet hat, dann gibt es keinen Herbst ohne Trauben. Also habe ich in Konstanz gesucht und bin am Hafner fündig geworden“, erzählt Hellmut Wolf. „Jetzt bin ich im fünften Jahr und habe fünf Ernten hinter mir und es funktioniert wunderbar.“

Der Schwarzwälder zog 1997 nach Konstanz, verantwortete hier die Sanierung und Privatisierung der Spitalkellerei. Danach ging es auf berufliche Weltreise. Neben den bereits genannten Ländern arbeitete Hellmut Wolf als selbstständiger Berater für Weinbau und Önologie in Rumänien und in China.

Geheimtipp: Wolf ist schwer zu finden

Vor sechs Jahren eröffnete er im Handwerkerhof Jägerkaserne sein Ladengeschäft, bereits zwei Jahre zuvor war er mit seiner Familie in das Haus gezogen. „Wir sind nicht gerade einfach zu finden“, sagt er schmunzelnd. „Von daher sind unsere Kunden in der Regel Stammkunden.“

Die Selektion Hellmut Wolf ist im wahrsten Sinne des Wortes noch ein Geheimtipp. Wer das Gebäude mit dem Auto aufsuchen möchte, muss zunächst einmal um die Kaserne herumfahren, um dann die enge Zufahrt direkt an der Bahnlinie zum Quartier zu nehmen – das Navigationssystem hat sich zu diesem Zeitpunkt längst verabschiedet.

Die markierte Fläche in der unteren Hälfte des Bildes zeigt den Hang, auf dem Hellmut Wolf seinen eigenen Wein anbaut.
Die markierte Fläche in der unteren Hälfte des Bildes zeigt den Hang, auf dem Hellmut Wolf seinen eigenen Wein anbaut. | Bild: Selektion Hellmut Wolf

Das Herz des Unternehmens schlägt sowieso auf dem Hafner. Bis vor rund 100 Jahren waren die Hänge geprägt von unzähligen Weinreben. Heute finden sich hier Landwirtschaft oder Schrebergärten, nicht nur die Wollmatinger nutzen den Hafner als Naherholungsgebiet.

In den kommenden Jahren entsteht hier ein komplett neuer Stadtteil, Geplant sind rund 3.300 Wohneinheiten auf 60 Hektar Siedlungsfläche, mit Fokus auf bezahlbarem, klimaneutralem und möglichst spekulationsfreiem Wohnraum.

Hat das Bauvorhaben der Stadt Konstanz einen Einfluss auf seinen Weinberg? „Nein“, sagt Hellmut Wolf. Er finde es aber sehr bedauerlich, dass ein Flächenverbrauch dieser Größenordnung kritiklos von allen Parteien für gut befunden werde. Die vorhandenen ökologisch vertretbaren Alternativen würden seit Jahr vernachlässigt und nicht genutzt. „Konstanz ist eine Stadt und kein Dorf. Bebauungspläne müssten geändert werden. Nach oben gibt es immer Platz“, sagt er.

Panorama am Hafner: Der Weinberg mit Schweiz im Hintergrund Video: Jürgen Rössler

Der Hang, auf dem Hellmuts Wolfs Trauben wachsen, ist rund 3300 Quadratmeter groß. Die Fläche musste er komplett säubern. Bäume, Hecken, Gebüsche, sogar Beton und Eisen – das musste alles erst einmal entfernt werden. Hellmut Wolf erinnert sich an die Anfänge: „Dann haben wir gepflügt und die Einsaat gemacht – nach zwei Jahren wurde gepflanzt. Im zweiten Jahr hatten wir dann den ersten Ertrag und konnten unseren ersten Konstanzer Bio-Wein herstellen.“

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„Wein gehört zum Essen dazu“

Rund 2000 Flaschen produziert er mittlerweile. „Am Anfang war es weniger, doch das hat sich gesteigert und man sagt, dass man nach fünf Jahren den Normalertrag erreicht hat – und das waren im Jahr 2022, meinem fünften Jahr, eben rund 2000 Flaschen“, erzählt Hellmut Wolf. Die Ernte dauert zwei Tage. Der Wein wird im Laden ausgebaut und in die Flaschen abgefüllt.

Wein ist für den Mann aus dem Schwarzwald der perfekte Essensbegleiter. „Ich trinke selten nach dem Essen, aber währenddessen gehört er dazu“, sagt er. Auch wenn die Tradition in Deutschland etwas anders sei als in Italien oder in Frankreich. Der Wein müsse so gemacht sein, dass er zum Essen passe.

Blick über den Weinhang mit den schneebedeckten Reben über Wollmatingen hinweg in Richtung Konstanz und Schweiz. Links der Turm der ...
Blick über den Weinhang mit den schneebedeckten Reben über Wollmatingen hinweg in Richtung Konstanz und Schweiz. Links der Turm der Kirche St. Martin. | Bild: Jürgen Rössler

Hellmut Wolf sieht beim Thema Weinkultur in Deutschland eine enorme Veränderung in den vergangenen 40 Jahren. „Aber Innovation war immer da. Wenn man schaut, wie in den 50er Jahren der Weinbau ausgebaut wurde, dann in den 70er und in den 80er Jahren.“ Irgendwann sei die Barrique-Welle gekommen, heute schwappe die Naturwein-Welle über das Land.

„Ich habe gleich in meinem ersten Jahr 2018 einen Naturwein gemacht“, sagt Wolf stolz. Naturwein kommt ohne jegliche Behandlung aus – ohne Schönung, ohne Filtration, ohne Schwefelung. Voraussetzung dafür seien kerngesunde Trauben. „Diese Weine schmecken in der Regel etwas anders, sie haben mehr Gerbstoffe, mehr Tannine, eine leichte Oxidation, das geht in Richtung Sherry.“

Am Hafner hat er die Rebsorte Souvignier Gris gepflanzt. Die Sorte ist eine sogenannte Piwi – eine pilzwiderstandsfähige Neuzüchtung. Sie besitzt eine gute Peronosporaresistenz (falscher Mehltau), eine sehr gute Resistenz gegen Oidium (echter Mehltau) und ist wegen ihrer dicken Beerenhaut auch gegenüber dem Grauschimmel und der Kirschessigfliege unempfindlich. Sie ist für den ökologischen Weinbau geeignet.

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Das Besondere ist der orange Wein

Die Besonderheit der Selektion Hellmut Wolf ist der orange Wein. „Wein wird immer aus der einen Traube gemacht, egal ob weiß oder orange. Der Orange hat nur den Unterschied, dass ich eine Maische-Gärung mache wie beim Rotwein“, erklärt der Oenologe. Dabei vergärt er die Trauben auf der Schale, wodurch mehr Gerbstoffe entstünden.

Die Farbe beim Wein kommt stets aus der Beerenschale, egal ob beim Weißwein oder beim Rotwein. Bei einer Traube wie dem Souvignier Gris, der leicht rosa ist, geht ein Teil der Farbe in den Wein über. „Und dann kommt noch die Oxidation hinzu und schon habe ich dieses herrliche Orange“, sagt Hellmut Wolf.

Hellmut Wolf erklärt den orangen Wein Video: Jürgen Rössler

Orangen haben mit seinem Produkt nichts zu tun. Bei einem orangen Wein, auch Orange Wine genannt, handelt es sich um einen Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Die Weißweintrauben werden mit den Beerenschalen vergoren und extrahieren dadurch mehr Tannine und Farbstoffe aus den Beerenschalen. Der entscheidende Geschmacksunterschied zum Weißwein ist das Mundgefühl.

Als Hellmut Wolf im Jahr 2021 den Orange 2020 produzierte, hat er den Ertrag auf eine Traube pro Trieb reduziert. „Das heißt, ich hatte fast 50 Prozent weniger Ertrag als normal, aber die Trauben waren alle kerngesund und wunderbar ausgebildet“, blickt er zurück. Was Auswirkungen auf die Qualität hatte: Die Auslesequalität hatte 104 Oechsle, der Wein 13,5 Volumenprozent. „Diese Weichheit des Weines spürt man am Gaumen.“